Hamburg. Der 4:2-Sieg gegen Rayo Vallecano könnte wegen eines Vorgangs zum Muster ohne Wert werden. Kurioser Trikottausch in der Halbzeit.

Alexander Berthold

Vier Tore in einem Spiel gelingen dem FC St. Pauli nicht alle Tage. Selbst in der jetzt abgeschlossenen Vorbereitung auf die kommende Zweitliga-Saison gab es dieses Ereignis vor dem Wochenende nur in drei von acht Testspielen, ausnahmslos gegen unterklassige Teams. Vor diesem Hintergrund hätte das 4:2 (3:0) gegen den spanischen Erstligisten Rayo Vallecano am Sonnabend im Rahmen der offiziellen Saisoneröffnung vor 9839 Zuschauern, das im Vorwege zur Generalprobe für den Zweitligastart eine Woche später erklärt wurde, eigentlich Anlass zu einem Jubelsturm geben müssen.

Aber eben nur eigentlich. Stattdessen blieb die Hoffnung von St. Paulis Trainer Ewald Lienen, sein Team möge in diesem Match „richtig gefordert“ werden, von Anfang an unerfüllt. Das Team, das im jetzt fertiggestellten Millerntor-Stadion im weißen Dress mit rotem Schrägstrich auf dem Trikot auflief, war nur ein billiger Abklatsch jenes Ensembles, das in der vergangenen Saison immerhin Elfter der 20 Teams umfassenden Primera División geworden war. Dies hing aber nur zum Teil damit zusammen, dass der Stadtteilclub aus Madrid erst eine Woche Vorbereitung hinter sich hat. Viel gravierender war, dass sich die Spanier, die am Mittwoch Bundesligist Hertha BSC mit 1:0 besiegt hatten, 19 Stunden vor dem Auftritt am Millerntor als Ersatz für den FC Watford als Testspielgegner von Eintracht Braunschweig eingesprungen waren. „Das hat mich geärgert“, sagte Lienen nach dem Spiel. „Sechs, sieben Spieler, die in Braunschweig in der Startelf waren, haben heute nicht gespielt“, registrierte er. „Es fehlten einige Stammspieler.“ Vor allem der spanischen Elf, die sich in der ersten Halbzeit seinem Team entgegenstellte, fehlte es an körperlicher Frische und dem Willen zu einer ernsthaften Gegenwehr.

FC St. Pauli besiegt Vallecano

Ryo Miyaichi, Marc Rzatkowski und Torschütze Lennart Thy bejubeln das 4:0
Ryo Miyaichi, Marc Rzatkowski und Torschütze Lennart Thy bejubeln das 4:0 © WITTERS | TayDucLam
Marcel Halstenberg wird von Enrique Perez gestört
Marcel Halstenberg wird von Enrique Perez gestört © WITTERS | TayDucLam
Lennart Thy zieht ab, der Ball ist drin
Lennart Thy zieht ab, der Ball ist drin © WITTERS | TayDucLam
Lasse Sobiech und Torschütze Sören Gonther nach dem 3:0
Lasse Sobiech und Torschütze Sören Gonther nach dem 3:0 © WITTERS | TayDucLam
Ryo Miyaichi (l.) im Duell mit Diego Aguirre
Ryo Miyaichi (l.) im Duell mit Diego Aguirre © WITTERS | TayDucLam
Torschütze zum 2:0, Lasse Sobiech
Torschütze zum 2:0, Lasse Sobiech © WITTERS | TayDucLam
Trainer Ewald Lienen kann zufrieden sein
Trainer Ewald Lienen kann zufrieden sein © WITTERS | TayDucLam
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Für die Agentur Match IQ könnte die Organisation ein Nachspiel haben

„Wenn wir einen Testspielgegner verpflichten, dann kann es nicht sein, dass die Agentur das Team am Abend vorher noch nach Braunschweig schickt, weil dort eine Mannschaft ausgefallen ist. Wir verlassen uns schließlich darauf, dass wir auf einen spielstarken Gegner haben“, sagte Lienen. Für die vom FC St. Pauli mit der Organisation seiner Testspiele beauftragte Agentur Match IQ dürfte es aufgrund dieses Vorfalls ein Nachspiel geben.

Eine mögliche finanzielle Entschädigung aber kann nicht mehr ändern, dass offenbleibt, auf welchem Leistungsstand sich die mutmaßliche Wunschformation des FC St. Pauli tatsächlich befindet. Vor diesem Hintergrund war es bemerkenswert, dass sich auch die Hamburger Spieler wohltuend zurückhaltend über ihren Erfolg äußerten. „Wir sollten das Ergebnis nicht zu hoch hängen. Die allerhöchste Qualität hatte der Gegner sicher nicht“, sagte Sebastian Maier, der als offensiver, zentraler Mittelfeldspieler den Vorzug vor Kyoung-Rok Choi erhalten hatte und sich für dieses Vertrauen Lienens prompt mit dem Tor zum 1:0 (achte Minute) bedankte und auch noch die Vorlage zum zwischenzeitlichen 4:0 durch Lennart Thy (49.) gab.

„Wir haben jetzt eine Woche Zeit, uns auf eine andere Spielweise einzustellen. Der spanische Fußball, den wir heute erlebt haben, hat mit dem, was uns am kommenden Sonnabend gegen Arminia Bielefeld erwartet, nicht viel zu tun“, sagte Maier weiter, der sich für einen Platz in der Startelf zum Ligaauftakt empfehlen konnte. „Sebastian Maier hat auch ganz stark nach hinten gearbeitet“, lobte Lienen.

Insgesamt zeigte sich St. Paulis Trainer trotz der fragwürdigen Qualität des Gegners mit dem Auftritt seines Teams zufrieden. „Über weite Strecken haben wir den Ball gut laufen lassen und haben defensiv gut gestanden“, sagte er.

Auch Kapitän Sören Gonther, der per Kopf das 3:0 (36.) im Anschluss an einen Eckball von Enis Alushi erzielt hatte, stellte die positiven Aspekte in den Vordergrund. „Für die Fans war es ein schönes Spiel. Wir haben 90 Minuten konzentriert gearbeitet. Heute hat man gesehen, dass wir in Sachen Effizienz eine sehr gute Entwicklung gemacht haben“, sagte er. Gleichzeitig stellte der Innenverteidiger aber auch klar: „Wir wissen die Testspiele einzuordnen und dass wir nächsten Sonnabend voll da sein müssen.“

In der Halbzeitpause musste St. Pauli kurioserweise die Trikots wechseln

Ebenso wie Gonther erzielte auch sein Partner in der Innenverteidigung, Lasse Sobiech, ein Tor (2:0, 27. Minute) im Anschluss an eine Standardsituation per Kopf. Diese Variante hatte schon in der vergangenen Saison für wichtige Siege gesorgt und scheint weiter zu funktionieren. „Es ist sicherlich ein kleiner Vorteil, dass wir in diesem Sommer nicht so viele personelle Wechsel hatten“, sagte Gonther.

Kuriosität am Rande: Die St.-Pauli-Mannschaft trat in der ersten Halbzeit in den neuen, überwiegend weißen Auswärtstrikots an. Da die Verwechslungsgefahr mit den ebenfalls in Weiß spielenden Spaniern zu groß war, verfügte Schiedsrichter Patrick Ittrich zur Halbzeit einen Wechsel. Rayo Vallecano hatte nur einen Dress dabei, die Teamleitung lehnte es ab, dass die Spieler andersfarbige Trainingsshirts anziehen. Also zogen die St. Paulianer ihr DFB-Pokal-Trikot aus der alten Saison noch einmal an.

Die neuen, in Braun gehaltenen Heimtrikots standen ebenso wenig zur Verfügung wie die neuen, roten Pokaltrikots. Seit Beginn der Vorbereitung trugen die St.-Pauli-Spieler bisher auch im Training immer noch die Textilien der vergangenen Saison, weil Ausrüster Hummel die neue Kollektion immer noch nicht geliefert hatte. Fast scheint es, als habe die dänische Firma ein Jahr nach einer aufwendigen Trikotpräsentation die Freude am FC St. Pauli verloren, der in einem Jahr zum US-Konzern Under Armour wechseln wird.

Am Sonntag gewann St. Pauli 9:1 beim SV Todesfelde. Dabei erzielten Ante Budimir und John Verhoek je drei Treffer. Als Testspieler lief Verteidiger Joël Keller vom 1. FC Nürnberg auf.

FC St. Pauli spielte gegen Rayo Vallecano mit: Himmelmann – Nehrig (64. Ziereis), Sobiech, Gonther, Halstenberg – Rzatkowski, Alushi (86. Rosin) – Miyaichi (64. Sobota), Maier (76. Verhoek), Buballa (70. Choi) – Thy (76. Litka).