Hamburg. Verteidiger Jan-Philipp Kalla, 28, und Torwart Svend Brodersen, 18, eint seit Jahren die Liebe zum FC St. Pauli.
Es ist noch nicht allzu lange her, da stand Svend Brodersen auf der Gegengeraden des Millerntor-Stadions und sah auf dem Rasen Jan-Philipp Kalla spielen. Er feuerte ihn an, litt und freute sich mit dem Urgestein des FC St. Pauli. Jetzt sind der 18 Jahre junge Torwart Brodersen und der zehn Jahre ältere Defensiv-Allrounder Kalla Teamkollegen. Der talentierte Keeper hat vor einigen Wochen sein Abitur gebaut und den ersten Profivertrag unterschrieben. In Oberstaufen absolviert er in diesen Tagen nicht mehr nur als Gast wie vor einem Jahr in Villach, sondern als vollwertiges Mitglied des Zweitligateams das Sommertrainingslager.
Kalla fällt es mittlerweile schwer zu zählen, wie oft er sich mit dem FC St. Pauli in einem Trainingslager auf eine neue Saison oder eine Rückserie vorbereitet hat. „Es dürfte das 16. oder 17. Mal sein“, sagt er etwas unsicher, um dann voller Überzeugung nachzulegen: „Es soll aber nicht das letzte Mal sein.“ Da er gerade einen Vertrag bis Sommer 2018 unterschrieben hat, dürfte er recht behalten.
Seit Sommer 2003 gehört Kalla dem FC St. Pauli an, im Mai 2006 feierte er sein Debüt in der ersten Mannschaft, die seinerzeit noch in der damals drittklassigen Regionalliga spielte. Svend Brodersen war auch damals regelmäßiger Gast auf der Tribüne. „Mein Vater und ich waren immer ganz große St.-Pauli-Anhänger. Als es dem Club wirtschaftlich schlecht ging, hat mein Vater für uns zwei lebenslange Dauerkarten gekauft“, berichtet Brodersen. „In den ersten Jahren konnte ich oft nicht so viel sehen, weil ich noch zu klein war. Aber ich war eben dabei.“
Der FC St. Pauli im Trainingslager
Brodersen und Kalla loben sich
Sichtprobleme auf einem Stehplatz hätte der aus Hamburg-Eimsbüttel stammende Blondschopf heute längst nicht mehr. Mit seinen 1,88 Metern Körpergröße würde er eher anderen den Blick versperren. Vor allem aber hat er damit eine sehr geeignete Statur für einen Torwart. „Vor ein paar Jahren habe ich mir noch nicht ausgemalt, mal mit einem solchen St.-Pauli-Urgestein wie Kalla zusammenzuspielen“, sagt Brodersen. „Da ich aber sehr kontinuierlich herangeführt worden bin, fühle ich mich gar nicht als ganz Neuer.“
„Svend kennt unseren Verein natürlich viel besser als andere Spieler, die neu zu uns kommen, und er ist dazu auch noch sehr selbstständig und reif“, sagt Kalla, dennoch steht er seinem jungen Kollegen mit Rat und Tat zur Seite, um ihn voll ins Team und den Kiezclub zu integrieren. In diese Rolle ist der Kämpfertyp in den vergangenen Jahren immer mehr hineingewachsen.
„Diese Verantwortung, die Werte unseres Vereins neuen Spielern zu vermitteln, habe ich ja schon seit einiger Zeit. Das macht mir auch Spaß. Bisher war das noch auf mehreren Schultern verteilt“, sagt er. Dabei denkt er daran, dass allein nach der vergangenen Saison fünf langjährige St.-Pauli-Profis gegangen sind. „Aber dadurch ergibt sich die Chance, dass andere in diese Rolle hineinwachsen“, sagt Kalla. „Robin Himmelmann ist ein Kandidat dafür, sich zu einer Leitfigur zu entwickeln. Ich glaube, er hat darauf richtig Lust.“ Da trifft es sich gut, dass sich Kalla mit dem Stammtorwart im Trainingslager das Zimmer teilt.
Kalla schwört auf neuen Zusammenhalt
Gemeinsam haben die beiden mit vielen anderen Akteuren, die auch jetzt noch dabei sind, auch den letztlich erfolgreichen Kampf um den Klassenerhalt erlebt. Kalla ist davon überzeugt, dass diese Erfahrung positive Auswirkungen auf die neue Saison haben wird. „Die Tage, Wochen und Monate, die wir mit allen Enttäuschungen und aller Freude durchlebt haben, haben uns weiter zusammengeschweißt. Dieses Erfolgserlebnis, gemeinsam in der Liga geblieben zu sein, verbindet einen einfach. Das hat man jetzt auch in den ersten Tagen der Saisonvorbereitung sofort wieder gemerkt“, sagt Kalla.
In dieser Konstellation, so Kalla, sei es auch leichter, Spieler, die neu hinzukommen, ins Team zu integrieren. Bei Brodersen, der immer schon einmal bei den Profis mittrainieren durfte, ist dieser Prozess nun schon nahezu abgeschlossen. Für ihn wird es jetzt darauf ankommen, Geduld zu bewahren und sich sportlich weiterzuentwickeln. „Mir fehlt es vor allem noch an Erfahrung“, sagt Brodersen über sich.
Als 18-Jähriger kann er diese nicht haben. Mit Einsätzen im U-23-Team soll er Spielpraxis sammeln. Aber auch von Jan-Philipp Kalla will er lernen. „Ich kann mir die Ruhe, die er ausstrahlt und mit der er die anderen Spieler führt, von ihm abschauen“, sagt der junge Torwart, der im Abendblatt-Gespräch selbst sehr ruhig und besonnen wirkt, in den Jugendteams bei St. Pauli und seinem Stammverein Eimbütteler TV aber auch als impulsiv galt.
Einen gewissen Wandel, wie er von außen wahrgenommen und beurteilt wird, hat gerade im vergangenen halben Jahr auch Jan-Philipp Kalla gespürt. „Es sind einige Fans auf mich zugekommen, die mir gesagt haben, dass sie ihre Meinung über mich und mein Spiel geändert haben“, berichtet er. Bisweilen schien es, dass manche Anhänger seine Fehler kritischer bewertet hatten als die Defizite anderer. „Ich werde es mit meiner Spielweise nie allen recht machen können. Das sehe ich inzwischen entspannt“, sagt Kalla, der bei Trainer Ewald Lienen erste Wahl als Rechtsverteidiger ist.
St. Paulis künftiger Geschäftsführer Andreas Rettig traf am Mittwochnachmittag in Oberstaufen ein und beobachtete die zweite Trainingseinheit.