Hamburg. Ex-Profi Thomas Stickroth sollte die Leistungen der Spieler optimieren, doch Trainer Ewald Lienen hatte andere Pläne.

Auf der Homepage des FC St. Pauli wird Thomas Stickroth noch als Mentaltrainer der Profimannschaft geführt. Seit einer Woche ist aber klar: Die Zusammenarbeit zwischen dem Verein und dem 50-Jährigen ist beendet. Eine offizielle Bestätigung steht zwar noch aus, doch Stick­roth selbst geht davon aus, dass seine Zeit in Hamburg abgelaufen ist. Am 31. Mai endete der Einjahresvertrag von Stickroth bei St. Pauli.

Es war ein geräuschloser Abgang, der im Grunde bereits im Januar beschlossen wurde. Trainer Ewald Lienen nahm Stickroth nicht mit ins Trainingslager nach Belek. Auch am Trainingsgelände war der Mentalcoach, der in der Hinrunde noch dreimal wöchentlich an der Kollaustraße mit der Mannschaft arbeitete, nicht mehr zu sehen. Ein Gespräch mit Lienen zu Beginn der Restrückrunde sollte Klarheit bringen, wie es mit dem Bochumer bei St. Pauli weitergehen sollte. Doch auf das Gespräch wartet Stickroth bis heute. „Es ist schade, dass der Prozess abgebrochen wurde“, sagte Stickroth nun im Gespräch mit dem Abendblatt.

Die prozessorientierte Arbeit von Stickroth beim FC St. Pauli begann im vergangenen Sommer. Der damalige Sportchef Rachid Azzouzi engagierte den früheren Profi, um bei den Spielern „schlummernde Potenziale zu entfalten“, wie es Azzouzi damals formulierte. Stickroth reiste mit der Mannschaft ins Trainingslager nach Villach und bot den Spielern nach den Trainingseinheiten in Hamburg an, auf freiwilliger Basis mit ihm zu arbeiten. Dabei sollte es nicht darum gehen, den Profis gut zuzureden, sondern ihre Leistungspotenziale zu optimieren. „Die Spieler haben sich Stück für Stück geöffnet“, sagt Stick­roth rückblickend.

Unter Vrabec und Meggle noch gefragt

Der Experte für Coaching und autogenes Training setzte beispielsweise auf Lifekinetik, eine Art Koordinations- und Konzentrationstraining für den Kopf, das Jürgen Klopp vor einigen Jahren beim BVB in der Bundesliga einführte. Zudem lehrt Stickroth Entspannungsstrategien, macht Übungen zur Stressresistenz und bringt den Spielern Visualisierungstechniken bei. Diese sollen beispielsweise einem Stürmer helfen, eine Blockade vor dem Tor zu lösen.

Im Laufe der Hinrunde nutzten immer mehr Spieler des FC St. Pauli das Angebot des Mentalcoaches, sowohl in der Phase unter Trainer Roland Vrabec als auch während der Zeit mit Nachfolger Thomas Meggle. Doch unter Lienen gab es für Stickroth keine Verwendung mehr. Als St. Paulis Stürmer in den Spielen zu Beginn des Jahres reihenweise Großchancen ausließen und der 61 Jahre alte Trainer auch als Psychologe gefordert war, sagte Lienen: „Wir können uns jetzt nur selbst helfen.“ Der Erfolg gab ihm am Ende recht. St. Pauli schaffte am letzten Spieltag der Saison den Klassenerhalt.

Stickroth äußert Verständnis

Stickroth äußert auch Verständnis für Lienens Entscheidung, da ein Trainerwechsel immer auch Veränderungen im Personalstab mitbringe. Er sei aber überzeugt davon, dass ein Mentaltrainer, der selbst eine Vergangenheit im Profifußball hat, mitunter mehr bewirken könne als ein Sportpsychologe ohne fußballerischen Hintergrund. „Es geht ja auch darum, eine Beziehung zum Spieler aufzubauen. Ich weiß, was im Kopf eines Spielers vorgeht“, sagt Stickroth, der für den VfL Bochum, den 1. FC Saarbrücken, den SC Freiburg, Bayer Uerdingen sowie den FC Homburg 169 Bundesliga- und 222 Zweitligapartien absolvierte.

Stickroth, der in Bochum lebt und für seine Arbeit beim FC St. Pauli nach Hamburg pendelte, wartet nun auf eine neue Aufgabe. Potenzielle Arbeitgeber gibt es genug. Denn Mentaltrainer sind im deutschen Profifußball nach wie vor eine Seltenheit.