Hamburg. St. Paulis Trainer strotzt nach dem 5:1 gegen Bochum vor Selbstbewusstsein. Dennoch mahnt Ewald Lienen vor der letzten großen Aufgabe.

Kaum hatte Schiedsrichter Deniz Aytekin die denkwürdige Partie im Millerntor-Stadion abgepfiffen und war der umgehende Schlussjubel auf den ausverkauften Rängen verhallt, da riefen die Fans des FC St. Pauli von der Südtribüne und der Gegengeraden auch schon „Auswärtssieg, Auswärtssieg“ den noch auf dem Rasen verweilenden und sich in den Armen liegenden Spielern des Kiezclubs zu.

Es war wohl ein Ausdruck der Euphorie, aber vor allem auch der Mahnung an die Profis, sich noch ein weiteres Mal zu derselben Einstellung wie in den jüngsten, überaus erfolgreichen Spielen aufzuraffen. Den Anhängern war spätestens nach dem Verlesen der anderen Endergebnisse klar geworden, dass der FC St. Pauli trotz des gerade erlebten 5:1 (2:1)-Sieges gegen den VfL Bochum, der den dritten Erfolg hintereinander und den vierten Heimsieg in Folge bedeutete, immer noch nicht den so ersehnten Klassenerhalt in der Zweiten Liga sicher hat. Trotz des Sprungs um einen Rang auf den 14. Tabellenplatz und der inzwischen angesammelten 37 Punkte droht den St. Paulianern vor dem letzten Spieltag immer noch der direkte Abstieg. Selbst ein Unentschieden am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) beim Tabellenzweiten und Aufstiegsanwärter Darmstadt 98 würde nicht sicher den Klassenverbleib bedeuten, weil St. Pauli auch dann noch von 1860 München, dem FSV Frankfurt (beide 36 Punkte) und Erzgebirge Aue (35) überholt werden kann. Einzig der Sturz auf den letzten Tabellenplatz, den der als Absteiger feststehende VfR Aalen (31) einnimmt, ist jetzt nicht mehr möglich.

FC St. Pauli mit Gala gegen Bochum

Torschütze Christopher Buchtmann feuiert seinen Treffer gegen Torwart Andreas Luthe  zum 3:1
Torschütze Christopher Buchtmann feuiert seinen Treffer gegen Torwart Andreas Luthe zum 3:1 © WITTERS | ValeriaWitters
Der Ex-Hamburger Michael Gregoritsch und Lasse Sobiech im Kopfballduell
Der Ex-Hamburger Michael Gregoritsch und Lasse Sobiech im Kopfballduell © WITTERS | ValeriaWitters
Die Fans des FC St. Pauli hatten einen Banner mit #Klassehalten aufgehangen
Die Fans des FC St. Pauli hatten einen Banner mit #Klassehalten aufgehangen © WITTERS | ValeriaWitters
Der FC St. Pauli siegt nach einem Rückstand noch mit 5:1
Der FC St. Pauli siegt nach einem Rückstand noch mit 5:1 © WITTERS | ValeriaWitters
Bochums Thomas Eisfeld gegen Marc Rzatkowski im Zweikampf
Bochums Thomas Eisfeld gegen Marc Rzatkowski im Zweikampf © WITTERS | ValeriaWitters
Doppel-Torschütze Lennart Thy brachte seine Mannschaft auf die Siegerstraße
Doppel-Torschütze Lennart Thy brachte seine Mannschaft auf die Siegerstraße © WITTERS | ValeriaWitters
Hamburgs Torschütze Marcel Halstenberg (l-r), Philipp Ziereis und Marc Rzatkowski jubeln nach dem 2:1
Hamburgs Torschütze Marcel Halstenberg (l-r), Philipp Ziereis und Marc Rzatkowski jubeln nach dem 2:1 © dpa | Daniel Bockwoldt
Hamburgs Dennis Daube (l) und Bochums Marco Terrazzino kämpfen um den Ball
Hamburgs Dennis Daube (l) und Bochums Marco Terrazzino kämpfen um den Ball © dpa | Daniel Bockwoldt
Bochums Michael Gregoritsch (l) und Hamburgs Dennis Daube kämpfen um den Ball
Bochums Michael Gregoritsch (l) und Hamburgs Dennis Daube kämpfen um den Ball © dpa | Daniel Bockwoldt
Verdieneter Ausgleich: Hamburgs Spieler jubeln nach dem 1:1
Verdieneter Ausgleich: Hamburgs Spieler jubeln nach dem 1:1 © dpa | Daniel Bockwoldt
Fans des FC St. Pauli feuerten ihre Mannschaft wie gewohnt sensationell an
Fans des FC St. Pauli feuerten ihre Mannschaft wie gewohnt sensationell an © Bongarts/Getty Images | Oliver Hardt
Marcel Halstenberg feiert seinen Treffer
Marcel Halstenberg feiert seinen Treffer © WITTERS | ValeriaWitters
Lennart Thy bei seinem Treffer
Lennart Thy bei seinem Treffer © WITTERS | ValeriaWitters
Torschütze Marcel Halstenberg
Torschütze Marcel Halstenberg © WITTERS | ValeriaWitters
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Lienen lobhudelt seine Spieler

„Genauso wie wir wehren sich die Mannschaften, die unten drinstehen, mit Händen und Füßen. Alle, die um den Klassenerhalt kämpfen, sind hoch motiviert und in Topform. Da wird es für jeden Gegner schwer“, sagte St. Paulis Trainer Ewald Lienen zur ungewöhnlichen und höchst brisanten Situation im unteren Tabellendrittel. Gleichzeitig aber machte er rund eine Stunde nach Spielschluss schon klar, dass er und sein Team auch diese Lage annehmen werden. „Die Situation ist nun mal, wie sie ist. Wir werden in Darmstadt wieder eine starke Leistung bieten müssen, um unser Ziel zu erreichen“, sagte er weiter.

„Wir haben alles selbst in der Hand. Wir werden uns jetzt gut erholen und gut vorbereiten und fahren dann nach Darmstadt, um auch da zu gewinnen. Wir müssen noch einmal alles raushauen“, sagte ganz im Sinne des Trainers auch Linksverteidiger Marcel Halstenberg, der mit seinem Tor zur 2:1-Führung, das gleichzeitig die letzte Aktion der ersten Halbzeit war, dem Spiel die vorentscheidende Wende gegeben hatte. Nach einer Kopfballstafette über Lasse Sobiech und Lennart Thy war der Ball zum im Strafraum frei stehenden Halstenberg gekommen, der kraftvoll mit einem Dropkick sein drittes Saisontor erzielte. „Einstudiert war die Situation nicht, aber ich hatte gehofft, dass der Ball zu mir kommt. Und dann habe ich ihn lieber mit voller Kraft geschossen, als ihn zu schieben“, sagte der 23-Jährige, der zuvor schon mit einem Kopfball (26. Minute) und einem Linksschuss (29.) die ersten guten Torchancen der St. Paulianer hatte.

Gonther verletzt ausgewechselt

Dies waren nach einem miserablen Start die ersten auffälligen Lebenszeichen der Kiezkicker gewesen. Zunächst hatte sich von Beginn an eine nach den Erfolgen zuvor kaum erklärbare Nervosität breitgemacht. Offenbar hatte die Aussicht, einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt zu tun, eher eine lähmende Wirkung. So war wohl auch der viel zu ungenaue Querpass von Christopher Buchtmann zu erklären, mit dem er in der fünften Spielminute Kapitän Sören Gonther in höchste Bedrängnis brachte. Gonther konnte Piotr Chwielong nur noch mit einem Foul bremsen. Der Ball rollte dennoch weiter in den Strafraum und fiel nach einem Pressschlag Michael Gregoritsch vor die Füße. Der Stürmer, der in der Saison zuvor noch für den FC St. Pauli gespielt hatte, nahm die Einladung an und erzielte das 0:1. Noch schlimmer: Gonther, der für sein Foul nachträglich auch Gelb gesehen und sich bei der Aktion verletzt hatte, musste sich in der 17. Minute gegen Philipp Ziereis auswechseln lassen. „Da ist wohl etwas gerissen“, sagte Gonther später.

Zum Glück für die Hamburger verzichtete Bochums Gregoritsch frei stehend vor dem Tor (8.) darauf, gegen seinen Ex-Club einen Doppelpack zu erzielen und schob den Ball links am Tor vorbei. Die Grundlage für die Wende des Spiels legte Lennart Thy mit seinem technisch starken Drehschuss zum 1:1 (35.). Selbst Bochums Torwart Andreas Luthe zollte St. Paulis einzigem nominellen Stürmer dafür Beifall. Als knapp vier Minuten nach der Pause Buchtmann mit seinem ersten Punktspieltor im Profifußball das 3:1 markierte und so seinen Fehler vor dem 0:1 wettmachte, war der Weg für St. Paulis erneuten Heimsieg frei. Zu diesem Nachmittag passte, dass Lennart Thy mit dem 4:1 (52.) sein erster „Doppelpack“ gelang. Das 5:1 (83.) durch den eingewechselten Waldemar Sobota bildete den krönenden Abschluss.

„Das war eine überragende Mannschaftsleistung. Wir haben zum goldrichtigen Zeitpunkt die Tore gemacht. Das Torverhältnis kann am Ende noch wichtig sein“, sagte Außenverteidiger Sebastian Schachten. „Die Reaktion, die wir gezeigt haben, war Weltklasse. Es ist schon verrückt, dass wir drei Spiele in Folge gewinnen und immer noch nicht gerettet sind“, beschrieb Torwart Robin Himmelmann treffend die ungewöhnliche Situation.

Bereits vor dem Anpfiff waren die Mittelfeldspieler Dennis Daube (wechselt zu Union Berlin) und Florian Kringe (Karriereende) sowie Torwart Philipp Tschauner (Hannover 96) offiziell verabschiedet worden. Aus den Händen von Präsident Oke Göttlich erhielten alle drei ein großes Bild.

Schema:

St. Pauli: Himmelmann - Kalla (80. Sobota), Sobiech, Gonther (17. Philipp Ziereis), Halstenberg - Rzatkowski, Daube - Schachten, Buchtmann (70. Koch), Buballa - Thy. - Trainer: Lienen

Bochum: Luthe - Celozzi, Fabian, Bastians, Perthel - Losilla (60. Tasaka), Eisfeld - Cwielong, Gregoritsch, Terrazzino (59. Forssell) - Terodde (86. Cacutalua). - Trainer: Verbeek

Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)

Tore: 0:1 Gregoritsch (4.), 1:1 Thy (35.), 2:1 Halstenberg (45.+1), 3:1 Buchtmann (49.), 4:1 Thy (52.), 5:1 Sobota (83.)

Zuschauer: 23.584 (ausverkauft)

Beste Spieler: Halstenberg, Thy - Gregoritsch

Gelbe Karten: Gonther (6), Schachten (8) - Eisfeld (2), Terrazzino (2), Cwielong

Erweiterte Statistik (Quelle: deltatre):

Torschüsse: 16:9

Ecken: 4:2

Ballbesitz: 42:58 %

Mit Material von sid