Hamburg. Unter Trainer Lienen findet St. Pauli zur Heimstärke zurück. Gegen Nürnberg drohen allerdings drei Stammkräfte auszufallen.

Ewald Lienen setzt sich gerne mit der Bedeutung von Wörtern und Ausdrucksweisen auseinander. So erklärte der Trainer des FC St. Pauli, dass er mit seiner Mannschaft nicht gegen den Abstieg kämpfe, sondern versuche, die Klasse zu halten. Das Wort Abstiegskampf sei nämlich ein negativ besetzter Begriff, da er das Wort Abstieg enthalte. Ähnlich äußerte sich Lienen nun, als er gefragt wurde, ob es ihm Hoffnung mache, dass er es in den anstehenden Heimspielen gegen Nürnberg, Leipzig und Bochum mit Gegnern zu tun habe, für die es in der Zweiten Liga um nicht mehr viel gehe. „Hoffnung ist ein Begriff, der Passivität ausdrückt“, sagte Lienen, „ich bevorzuge es, aktiv mit der Mannschaft auf den Erfolg hinzuarbeiten.“

Über neue Heimstärke zum Klassenerhalt

Den sportlich zur Passivität gezwungenen Fans der Hamburger bleibt dagegen nichts anderes übrig, als vor dem Heimspiel gegen die Nürnberger an diesem Freitag (18.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) das Prinzip der Hoffnung zu bemühen. Dabei sind die Hoffnungen durchaus berechtigt, dass der FC St. Pauli nach der 4:0-Gala gegen Fortuna Düsseldorf am Ostermontag im Kampf um den Klassenerhalt einen weiteren Befreiungsschlag landet. Am heimischen Millerntor scheinen sich die Hamburger zumindest ansatzweise wieder zu einer sogenannten Heimmacht zu entwickeln. Seit Lienen im Dezember 2014 den Trainerjob übernommen hat, verlor St. Pauli erst ein Heimspiel (0:1 gegen Fürth am 21. Spieltag). Der 61 Jahre alte Übungsleiter bringt es am Millerntor auf einen Schnitt von 1,9 Punkten. Seine Vorgänger Thomas Meggle und Roland Vrabec schafften nur jeweils 0,9 Punkte pro Heimspiel.

Insbesondere die Art und Weise, wie die Partie gegen Düsseldorf gewonnen wurde, führte zu einer Stimmung, wie sie bei St. Pauli lange nicht erlebt wurde. Die Winterneuzugänge Waldemar Sobota und Julian Koch, die gegen die Fortuna das erste Mal einen Heimsieg erlebten, sprachen von einer „geilen“ Atmosphäre.

Dass sich die Euphorie eines solchen Spiels aber nicht von alleine auf die nachfolgende Begegnung übertragen lässt, wurde der Mannschaft am vergangenen Freitag in Karlsruhe bewusst, als St. Pauli mit 0:3 verlor. Lienen hatte zwar genau vor diesem Szenario gewarnt, doch Kapitän Sören Gonther gab zu, dass die Mannschaft nicht auf den Trainer gehört habe. „Das ist ein Phänomen“, sagt Lienen, „nach so einem starken Spiel ist Erleichterung da, es gibt viel Lobhudelei und am Ende des Tages fehlen ein paar Prozentpunkte an Konzentration.“

Lienen muss in Defensive improvisieren

Lienen wurde in dieser Woche daher auch nicht müde, sein Team vor dem Gegner aus Nürnberg zu warnen. Die Mannschaft von Trainer René Weiler ist zwar seit sechs Spielen sieglos und steht als Tabellenzwölfter im Niemandsland der Zweitligatabelle. Doch Lienen sagt: „Angeschlagene Gegner sind gefährlich.“ Er weist darauf hin, dass sich der Club in allen Spielen viele Torchancen erarbeitet. „Nürnberg ist offensiv sehr gut aufgestellt.“ Mit Jakub Sylvestr, der beim 2:2 im Hinspiel doppelt traf, habe die Mannschaft einen „Toptorjäger“, mit dem Österreicher Alessandro Schöpf zudem einen „sehr kreativen und laufstarken“ Spielmacher. „Nürnbergs Stärke ist es, mit hoher Wucht nach vorne zu spielen. Sie tauchen immer mit drei Spielern im Strafraum auf“, hat Lienen beobachtet.

Ob er gegen diese Wucht seine groß gewachsenen Defensivspezialisten Lasse Sobiech und Julian Koch stellen kann, entscheidet sich kurzfristig. Innenverteidiger Sobiech (Adduktorenprobleme) und Mittelfeldabräumer Koch (Knieentzündung) absolvierten am Donnerstag ein individuelles Programm. Philipp Ziereis, Enis Alushi, Armando Cooper, Christopher Buchtmann oder Marc Rzatkowski stünden als Alternativen bereit. Der Einsatz von Linksverteidiger Marcel Halstenberg (Erkältung) ist fraglich. Für ihn könnte Sebastian Schachten zurückkehren.

Mit einem Heimsieg könnte St. Pauli, Patzer der Konkurrenz vorausgesetzt, erstmals seit dem zehnten Spieltag wieder einen Nichtabstiegsplatz belegen. „Wir haben am letzten Spieltag schon Glück gehabt, dass wir Platz 16 behalten durften“, sagt Lienen über die Punktverluste von Aalen, Aue, 1860 München und Fürth. Das Wort Glück sei indes kein Begriff der Passivität. „Das Glück haben wir uns in den Wochen zuvor erarbeitet. Man muss es in jedem Spiel neu erzwingen“, sagt der Trainer. Damit der Abstieg vermieden wird. Oder um es mit Lienens Worten zu sagen: damit der Klassenerhalt gelingt.