Hamburg . Am Mittwoch hat der Trainer sein erstes Jubiläum beim FC St. Pauli. Positive Ansätze zeigen sich noch nicht in der Tabelle.

Am Montagvormittag suchten die Trainingskiebitze des FC St. Pauli auf der Anlage an der Kollau vergeblich nach Ewald Lienen. Die Abwesenheit des Cheftrainers hatte nach der 0:1-Niederlage am vergangenen Freitagabend beim 1. FC Union Berlin und dem damit verbundenen Sturz seines Teams zurück auf den letzten Tabellenplatz der Zweiten Liga jedoch keinen dramatischen Grund. Lienen war zur turnusmäßigen Tagung der Bundesliga- und Zweitligatrainer nach Frankfurt (Main) geflogen. An diesem Dienstag wird er wieder das Frühtraining (Treffpunkt 9.30 Uhr) leiten und sein Team auch im Testspiel am Abend (18.30 Uhr) in Schwarzenbek gegen den Regionalligisten Lüneburger SK betreuen.

Einen Tag später, also am Mittwoch dieser Woche, hat der am 16. Dezember vergangenen Jahres als Nachfolger von Thomas Meggle als Cheftrainer eingestellte Ewald Lienen seinen 100. Arbeitstag beim FC St. Pauli. In der Politik gilt dieser Stichtag gern auch als Ende der Schonfrist. In Lienens Fall ist dieses erste kleine Jubiläum eher eine Gelegenheit, eine erste Bilanz seines Wirkens zu ziehen.

Dabei kann derjenige, der nur einen kurzen Blick auf die Zweitliga-Tabelle wirft, keinen großen Unterschied zwischen Tag eins und heute erkennen. Lienen übernahm den FC St. Pauli als Tabellenletzten der Zweiten Liga, und auch jetzt steht der Kiezclub wieder auf Rang 18. Dabei ist der Rückstand zum Relegationsplatz 16 bei zwei Punkten geblieben. Der Abstand zum rettenden 15. Rang stieg in dieser Zeit von drei auf vier Zähler an. Der gravierende Unterschied zur Situation bei Lienens Amtsübernahme: Damals waren noch 17 Spiele auszutragen, jetzt sind es nur noch acht. Statt 51 Punkte sind nun nur noch maximal 24 zu ergattern. Und: Die wichtigen Partien gegen die direkten Konkurrenten um den Klassenverbleib sind bereits absolviert worden. Dabei gab es unter Lienens Regie gegen diese Teams, also Aue, Aalen, 1860 München und Fürth, lediglich vier von zwölf möglichen Punkten.

Nicht völlig wirkungslos

Doch trotz dieser offenkundigen Fakten wäre es völlig falsch, Lienens bisherige Arbeit mit der Mannschaft des FC St. Pauli als nahezu wirkungslos zu bezeichnen. Vielmehr ist es dem 61 Jahre alten Fußballlehrer gelungen, die größte Schwachstelle der Mannschaft weitgehend zu beheben. „Die Zahl der Gegentore ist viel zu hoch. Einen Abstiegskampf kann man nur bestehen, wenn man eine stabile Defensivorganisation besitzt“, hatte Lienen bei seinem Amtsantritt gesagt, nachdem er sich in den Tagen und Wochen zuvor auf Bitten des Mitte November gewählten Präsidiums mit Oke Göttlich an der Spitze intensiv mit den Problemen der Kiezkicker beschäftigt hatte.

In Zahlen ausgedrückt: In den 17 Partien der Zweitliga-Hinrunde kassierte St. Pauli nicht weniger als 36 Gegentore (2,12 pro Partie), seit Lienens Amtsübernahme kamen in neun Spielen nur noch acht Gegentore (0,89 pro Partie) dazu. Nur vier Teams der Liga mussten in dieser Zeit weniger Treffer gegen sich hinnehmen. Dies ist auch der entscheidende Grund, warum der FC St. Pauli in der „Lienen-Tabelle“, die identisch mit der Rückrundentabelle ist, immerhin auf Platz 14 rangiert.

Doch trotz der deutlich reduzierten Zahl von Gegentoren erlitt St. Pauli in den neun Spielen unter Lienen vier Niederlagen, allesamt mit einem Tor Unterschied, und konnte nur zwei Partien gewinnen, dreimal gab es ein Unentschieden. Damit kommt Lienen auf einen Schnitt von exakt einen Punkt pro Spiel. Dies hatte in den ersten vier Saisonspielen auch Roland Vrabec als Cheftrainer erreicht, der daraufhin beurlaubt wurde. Nachfolger Thomas Meggle verlor sein Amt nach nur neun Punkten aus 13 Spielen (0,69 ).

Diverse statistische Werte verbessert

Entscheidender Grund für die immer noch höchst bedrohliche Situation ist auch unter Lienen die Sturmschwäche mit ebenfalls nur acht Treffern in neun Partien. Allein drei davon fielen beim 3:1 gegen Aalen am 20. Dezember. Es war der bisher letzte Heimsieg. Vor Lienen waren dem Team vom Millerntor 18 Tore in 17 Spielen gelungen, also eine geringfügig bessere Quote.

Seit Lienens Amtsantritt hat sich aber die Zahl der Zweikämpfe pro Spiel, die Quote der gewonnenen Zweikämpfe und die Zahl der Torschüsse der eigenen Mannschaft verbessert. Im gleichen Zuge konnte auch die Anzahl der gegnerischen Torschüsse um rund ein Viertel verringert werden.

Es ist ein weiteres Verdienst von Ewald Lienen, dass der Zusammenhalt in der Mannschaft trotz der hohen Zahl von mehr als 30 Spielern bemerkenswert gut ist. Die spontanen Reaktionen der Mitspieler auf die jüngsten Missgeschicke von Sören Gonther (Eigentor), Sebastian Maier (Kopfball zum Gegner vor dem eigenen Tor) und Robin Himmelmann (Ballverlust nach Platzfehler) belegen, dass die Aussagen der Spieler zu diesem Thema (Christopher Buchtmann: „Wir sind wirklich ein Team. Das ist schon etwas Besonderes hier.“) keine leeren Worthülsen sind.

Fazit: Ewald Lienen hat in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit dem St.-Pauli-Team eine erkennbare Handschrift aufdrücken können. Der richtige Weg scheint eingeschlagen, doch die geringe Zahl von noch ausstehenden Spielen, in denen die zum Klassenerhalt nötigen Punkte aufgeholt werden können, stimmt trotz allem bedenklich, zumal die eklatante Sturmschwäche jetzt kaum noch behoben werden kann.

Am kommenden Sonnabend (28. März) nutzt der FC St. Pauli die Punktspielpause zu einem Testspiel beim Bundesliga-Dritten Borussia Mönchengladbach, der dabei auf seine Nationalspieler verzichten muss. Anstoß auf dem „Fohlenplatz“ neben dem Borussia-Park ist um 14 Uhr.