Der neue Trainer Ewald Lienen führt den FC St. Pauli zum verdienten 3:1 gegen Aalen, dem ersten Sieg seit elf Wochen. Die Spieler loben den neuen Coach, der erst sein wenigen Tagen im Amt ist.

Hamburg. Am Ende vollzogen einige Spieler des FC St. Pauli den Schulterschluss mit den Fans nicht nur im übertragenen Sinne. Es war mehr als eine halbe Stunde nach dem Abpfiff, als sich unter anderem die Abwehrspieler Lasse Sobiech und Daniel Buballa auf die Südtribüne mitten unter die dort immer noch versammelten Anhänger begaben und gemeinsam mit ihnen ein paar St.-Pauli-Lieder schmetterten.

Die ausgelassene Vorweihnachtsstimmung von Spielern und Fans war durchaus berechtigt. Der zuvor herausgespielte und am Ende mit letzten Kräften ins Ziel gebrachte 3:1 (1:0)-Erfolg gegen den VfR Aalen war mehr als nur ein kleines Lebenszeichen des weiterhin abstiegsbedrohten Kiezclubs. Vor allem das gesamte Auftreten der Mannschaft im ersten Heimspiel unter dem nur vier Tage zuvor verpflichteten Trainer Ewald Lienen machte zu einem immens wichtigen Zeitpunkt Mut und nährte die Zuversicht, dass in den verbleibenden 15 Spielen nach der Winterpause die für den Klassenverbleib nötigen Punkte gesammelt werden können.

„Es war enorm wichtig, dass wir mit so einem positiven Erlebnis in die Winterpause gehen“, sagte Torwart Robin Himmelmann, der selbst seinen ersten Punktspielsieg im Millerntor-Stadion für den FC St. Pauli feiern konnte. Da tags darauf der FC Erzgebirge Aue seine 1:0-Führung beim VfL Bochum nicht halten konnte und 1:1 spielte, wird St. Pauli auch nicht auf dem letzten Tabellenplatz überwintern. Da aber auch der jetzt eingenommene 17. Rang am Saisonende den direkten Abstieg bedeuten würde, ist für einen Anflug von Euphorie kein Anlass gegeben. Die drei Punkte gegen Aalen waren schlicht nötig, um den Rückstand zu den rettenden Tabellenrängen zu verkürzen.

Die Botschaft aber, die die Mannschaft vom Millerntor kurz vor dem Weihnachtsfest nicht nur mit dem Sieg, sondern noch mehr mit der Art und Weise, wie dieser erkämpft und auch herausgespielt wurde, ausgesendet hat, stimmt hoffnungsvoll. Nichts mehr war zu sehen vom angsterfüllten Abwehrgebolze nur sechs Tage zuvor beim 0:1 gegen Darmstadt 98. „Obwohl die Platzverhältnisse nicht gerade Weltklasse waren, haben wir wirklich guten Fußball gespielt“, lobte auch Trainer Lienen sein Team nach dem Spiel. „So eine erste Halbzeit habe ich in meiner Karriere noch nicht oft erlebt. Die Jungs sind mutig und mit einer breiten Brust auf den Platz gegangen. Sie haben Aalen in die Rolle gedrängt, in der wir nicht sein wollten. Schon zur Halbzeit hätte es 3:1 stehen können. Allerdings haben wir in der Schlussphase ein wenig die Ordnung und Kontrolle verloren.“

Rzatkowski: „Lienen hat uns gutgeredet“


Das so lange vermisste Vertrauen der St.-Pauli-Spieler in ihre, grundsätzlich vorhandenen, eigenen Fähigkeiten war ganz offenbar bereits in der halben Stunde vor dem Anpfiff wieder zum Leben erweckt worden. „Die Atmosphäre im Stadion war schon beim Warmmachen überragend. So etwas habe ich, glaube ich, noch nie erlebt“, sagte Innenverteidiger Lasse Sobiech und beschrieb damit die offenkundige Aufbruchstimmung, die die Fans auf die Mannschaft übertrugen. Dies mag nicht zuletzt damit zusammengehangen haben, dass Trainer Ewald Lienen rund eine Viertelstunde vor dem Anstoß zu seinem ersten Heimspiel als St.-Pauli-Trainer wie angekündigt die Fans auf der Südtribüne und der Gegengeraden begrüßt und gestenreich auf das Spiel eingestimmt hatte.

Kurzzeitig schien sich die Serie von unglücklichen Umständen, die den FC St. Pauli neben vielen selbst verschuldeten Fehlern in die sportliche Bredouille gebracht hatten, fortzusetzen. Lennart Thy (14.) traf mit einem Kopfball nur die Latte, Dennis Daube (22.) mit einem guten Distanzschuss nur den linken Pfosten. „Wir haben uns diesmal auch davon nicht unterkriegen lassen“, sagte später Mittelfeldspieler Marc Rzatkowski und dachte dabei an vergleichbare Situationen, in denen er und seine Kollegen in dieser Saison nach Rückschlägen den Kopf hängen ließen und sich dem Schicksal ergaben. „Der Trainer hat uns gutgeredet“, verriet der quirlige Rzatkowski. Und so fielen doch die Treffer für St. Pauli durch John Verhoek (35.), Oliver Barth (49./Eigentor) und Lennart Thy (81.), ehe Fabio Kaufmann (83.) Aalen mit seinem Tor noch einmal hoffen ließ.

Bemerkenswert war, dass Lienen nicht nur erneut dem unter seinen Vorgängern Thomas Meggle und Roland Vrabec kaum eingesetzten Bernd Nehrig im defensiven Mittelfeld Vertrauen schenkte, sondern für diesen, nachdem er angeschlagen war, auch noch Tom Trybull einwechselte, der zuvor praktisch gar keine Rolle mehr gespielt hatte. Trybull bedankte sich mit einem schönen Zuspiel zu Thys Treffer.

Doch trotz der positiven Ansätze und der Einbindung von fast aussortierten Spielern bleibt es aller Voraussicht beim Plan, den Kader in der Winterpause zu verstärken. Den größten Bedarf sieht Lienen im zentralen Mittelfeld. „Unser Ziel ist, dass neue Spieler schon am 5. Januar zum Trainingsauftakt bei uns sind“, sagte der Trainer. Dies ist die erste große Herausforderung für den neuen Sportchef Thomas Meggle.