Der 19-Jährige gab beim 1:0-Sieg gegen Eintracht Braunschweig sein Startelf-Debüt bei den Profis: Warum er zwei Nächte hintereinander kaum geschlafen hat, verrät er dem Abendblatt.
Hamburg. Am Vormittag nach dem hart erkämpften, aber insgesamt verdienten 1:0-Erfolg über Eintracht Braunschweig stand für die Stammspieler des FC St. Pauli eine lockere Radtour durch das Niendorfer Gehege auf dem Programm. Seite an Seite rollten Okan Kurt, 19, und Andrej Startsev, 20, vom Trainingsgelände an der Kollaustraße, Seite an Seite kamen sie rund eine Stunde später wieder zurück. „Wir spielen seit der U17 hier bei St. Pauli zusammen“, erzählte Okan Kurt später.
Am Abend zuvor hatten die beiden auch wieder gemeinsam gespielt, und doch war es für sie eine ganz besondere Premiere. In der Zweitliga-Mannschaft des FC St. Pauli hatten sie ihr Startelf-Debüt gegeben, für den rechten Außenverteidiger Startsev war es sogar der erste Einsatz in einem Profifußballspiel überhaupt.
„Ich habe in der Nacht vor dem Spiel, als ich schon wusste, dass ich von Beginn an spielen darf, nicht viel geschlafen. Und in der Nacht danach auch nicht“, verriet Okan Kurt, nachdem er sich im Anschluss an das Ausradeln noch ein wenig im Kraftraum des Trainingszentrums betätigt hatte. Seine Aufregung vor dem Match war ebenso verständlich wie die Aufgewühltheit danach.
„Es war ein wunderschönes Erlebnis, zum ersten Mal als Startelf-Spieler ins Millerntor-Stadion einzulaufen und dann das Spiel auch noch zu gewinnen“, schwärmte Okan Kurt. Der Jubel nach dem am Ende entscheidenden 1:0-Führungstreffer durch Innenverteidiger Lasse Sobiech, das Zittern in der scheinbar endlosen Nachspielzeit, die Erleichterung beim Abpfiff, der Gang zu den auf den Tribünen wartenden Fans – all das mussten Okan Kurt und Andrej Startsev erst einmal verarbeiten. „Erst als ich dann irgendwann zu Hause war, habe ich einigermaßen realisiert, was passiert ist“, sagte Kurt.
Mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder Sedat wohnt der Mittelfeldspieler im Stadtteil Horn, hat im vergangenen Jahr sein Abitur bestanden und konzentriert sich seither auf den Fußball. „So gesehen hatte für mich das Abitur nach zwölf Schuljahren natürlich einen Vorteil“, sagte er angesichts der aktuellen politischen Diskussion um das „Turbo-Abitur“.
„Jetzt bin ich schon im 13. Jahr hier“
Immer wieder hatte Okan Kurt schon am Dienstagabend gesagt, dass für ihn ein Traum in Erfüllung gegangen sei. Was ein wenig vielleicht banal klingen mag, hatte für ihn einen ganz besonderen Grund. Schon im Alter von sieben Jahren war er vom SC Concordia aus Wandsbek zum FC St. Pauli gewechselt. „Mein Vater ist St.-Pauli-Fan, deshalb wollte er, dass ich auch für den Club spiele. Jetzt bin ich schon im 13. Jahr hier“, erzählte Kurt.
Der quirlige, nur 1,74 Meter große Okan Kurt durchlief nicht nur alle Jugendmannschaften des FC St. Pauli und fieberte regelmäßig mit seinen jeweiligen Teamkollegen auf der Tribüne des Millerntor-Stadions mit, er war auch Einlaufkind, als die Kiezkicker im April 2006 im Halbfinale des DFB-Pokals gegen den FC Bayern München (0:3) spielten. Gut acht Jahre später hatte Okan Kurt nun selbst ein Kind an der Hand, als er auf den Rasen lief.
Für St. Paulis Trainer Thomas Meggle und seine Reputation war es durchaus ein Risiko gewesen, in einem so immens wichtigen Heimspiel, in dem ohnehin schon acht potenzielle Stammspieler wegen Verletzungen und Krankheit nicht zur Verfügung standen, auch noch auf etwas erfahrenere Spieler wie Tom Trybull, Lennart Thy oder Sebastian Maier in der Anfangsformation zu verzichten und auf die Debütanten Kurt und Startsev zu setzen.
Am Sonntag steht das Auswärtsspiel in Frankfurt an
Doch Meggle kennt die beiden aus zahlreichen Spielen der U23-Mannschaft, deren Cheftrainer er vorher war. „Ich wusste bei beiden, was ich von ihnen erwarten kann. Und genau das haben sie auch erfüllt. Es ging in diesem Spiel darum, die entscheidenden Zweikämpfe zu gewinnen, die Wege der Gegner mitzugehen und in der Box vor dem Tor keine Schüsse zuzulassen“, sagte er am Dienstag. Und da er ein Anhänger davon sei, Spieler auf der jeweils gelernten Position einzusetzen, sei es eben auch gar kein so großes Wagnis gewesen, lieber auf den in der U23-Mannschaft bewährten Rechtsverteidiger Andrej Startsev zu setzen als auf einen etablierteren Akteur des Profikaders, der aber keine Erfahrung in dieser Rolle besitzt.
Es wird für Trainer und Spieler des FC St. Pauli kaum Zeit bleiben, den Sieg über Braunschweig, mit dem sich die Kiezkicker von einem Abstiegsplatz entfernten, zu genießen. Schon am Sonntag (13.30 Uhr) steht mit dem Auswärtsspiel beim FSV Frankfurt die nächste Aufgabe an. Noch ist fraglich, ob einer der verletzten oder erkrankten Spieler in den Kader zurückkehren kann. Okan Kurt und Andrej Startsev hingegen sind bereit zur nächsten St.-Pauli-Premiere, zu einem Startelf-Einsatz in einem Auswärtsspiel der Zweiten Liga. „Ich werde mich weiter über jede Minute freuen“, sagt Kurt.