Nachdem das 2:1 gegen Sandhausen seinen Job gerettet hat, deutet St. Paulis Trainer personelle Veränderungen an
Hamburg. Sonnenschein und Regenschauer begleiteten am Sonnabendnachmittag das Sommerfest des FC St. Pauli auf der Trainingsanlage an der Kollaustraße. Spieler, Trainer, die Mitglieder des Funktionsteams und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle waren mit ihren Familienangehörigen zum fröhlichen Beisammensein gekommen. Ähnlich launisch wie das Wetter, pendelnd zwischen positiven und negativen Emotionen, hatte sich nach der Übungseinheit zur Mittagszeit auch St. Paulis Cheftrainer Roland Vrabec präsentiert. Natürlich war er erleichtert, dass seine Mannschaft am Abend zuvor mit dem glücklichen2:1 gegen den SV Sandhausen den Heimfluch besiegt und den ersten Punktspielsieg im Millerntor-Stadion seit dem 3. März errungen hatte. Auf der anderen Seite aber, und dies war dann doch die überwiegende Stimmungslage, war Vrabec immer noch schwer enttäuscht und erbost über die spielerisch erneut schwache Vorstellung seines Teams.
Dies nahm Vrabec auch zum Anlass, in die Offensive zu gehen und einschneidende Maßnahmen anzukündigen. „Es ist an der Zeit, grundlegende Dinge zu verändern“, sagte der 40-Jährige. Auch wenn ihm niemand aus der Führungsriege des Clubs explizit gesagt hatte, dass die jetzt vom Ergebnis her erfolgreich gestalteten Spiele im DFBPokal bei Optik Rathenow (3:1) und gegen Sandhausen entscheidend für den Erhalt oder Verlust seines Arbeitsplatzes waren, so war er sich doch über die prekäre Situation im Klaren. „Es war ein Alles-oder-Nichts-Spiel und es ging um den Trainer. Das war schon viel Druck“, sagte er.
Jetzt, da das Thema einer vorzeitigen Trennung, das in offizieller Sprachregelung des Clubs nie eines gewesen sein soll, vorerst nicht mehr aktuell ist, will Vrabec seine nun wieder gestärkte Position offenbar nutzen, um Fehlentwicklungen innerhalb des Teams zu korrigieren. „Mir haben viele Dinge nicht gut gefallen. Es gibt Erkenntnisse, die mir schon in der vergangenen Saison aufgefallen sind und sich jetzt fortgesetzt haben“, sagte er am Sonnabend. „Ich werde grundlegende Dinge ansprechen und verändern. Wir müssen definitiv etwas ändern, denn so wie am Freitag oder zuvor gegen Aalen werden wir nicht vorankommen.“
Vrabec ließ dabei zunächst im Dunkeln, was er konkret mit den erwähnten Erkenntnissen meint und welche Maßnahmen er ergreifen will. „Bevor ich dies öffentlich mache, werde ich es mit der Mannschaft intern besprechen“, kündigte er an. Es gelte aber, sich „über alles Gedanken zu machen, über Spieler, Mentalität und das System“.
Es liegt allerdings auf der Hand, dass es noch in dieser Woche personelle Veränderungen im Profikader geben wird. Da die Mannschaft die zweite Runde des DFB-Pokals erreicht hat und neben dem Geld aus der Zentralvermarktung dank des Heimspiels gegen Borussia Dortmund eine vergleichsweise hohe Zuschauereinnahme erwarten kann, ist ein gewisser finanzieller Spielraum für einen weiteren Zugang gegeben. „Das ist eine Möglichkeit. Über einen Transfer werden wir uns intensive Gedanken machen. Es wird aber kein Schnellschuss sein“, sagte Vrabec. Das aktuelle Sommer-Transferfenster ist jedoch nur bis zum 1. September geöffnet, so dass ein gewisser Zeitdruck besteht.
Noch konkreter aber steht die Option im Raum, sich im Gegenzug von einem oder gar mehreren Spielern trotz laufenden Vertrages zu trennen. Kandidaten dafür sind Spieler, die in den jüngsten Spielen und auch schon in der Schlussphase der vergangenen Saison nicht zur Startelf oder nicht einmal zum 18-Mann-Kader für die Punktspiele gehörten, obwohl sie fit waren. Namentlich könnten dafür die Defensivakteure Bernd Nehrig und Tom Trybull, aber auch die Offensivkräfte Lennart Thy und John Verhoek infrage kommen. Nach Informationen des Abendblatts befindet sich St. Paulis Vereinsführung derzeit bereits in Gesprächen mit den Beratern der betreffenden Profis, um eine Lösung, insbesondere einen möglichen neuen Arbeitgeber zu finden. Dies dürfte allerdings bei Nehrig und Verhoek nicht so einfach sein, da beide bei St. Pauli in der Gehaltsstruktur zur Spitzengruppe zählen dürften.
Die sportlichen Probleme des FC St. Pauli liegen aber nicht allein an Spielern, die nicht erste Wahl sind. Auch die Startelf, für die sich Roland Vrabec am Freitagabend gegen Sandhausen entschieden hatte, offenbarte eklatante Schwächen. Vor allem die Tatsache, dass das Team mit seiner völlig unverhofft frühen Führung durch Christopher Nöthe (4.) nichts anzufangen wusste, viel zu passiv agierte und so Sandhausen zum Ausgleich (René Gartler/ 23.) und etlichen weiteren Großchancen einlud, war erschreckend. In der Bewertung waren sich denn auch alle einig, dass am Ende der 2:1-Sieg durch den Treffer von Lasse Sobiech in der Nachspielzeit sehr glücklich war.
„Es ist rätselhaft, dass wir nach der Führung nicht den Schwung gegen eine verunsicherte Mannschaft mitnehmen konnten“, sagte Vrabec und stellte zudem fest: „Die Trainingsleistungen werden nicht in die Spiele transportiert.“ Dennoch stehen unter dem Strich jetzt immerhin zwei Pflichtspielsiege in Folge. Und am Ende ließ Vrabec dann auch noch etwas Optimismus aufblitzen: „Vielleicht ist es jetzt genau richtig, dass wir unser nächstes Spiel als Außenseiter in Fürth bestreiten müssen.“ Wobei diese Einschätzung am Sonntagnachmittag eine kleine Korrektur erfuhr, weil die Franken mit 0:2 in Ingolstadt verloren und jetzt ebenso wie St. Pauli vier Punkte aufweisen.