Die Fans der Kiezkicker machen sich bei der 0:3-Niederlage gegen Aalen für den nicht berücksichtigten Kapitän stark. St. Paulis Trainer Roland Vrabec reagiert verärgert. Diffuse Stimmung vor Spielbeginn.

Hamburg Die klarsten Worte fand St. Paulis Außenverteidiger Sebastian Schachten wenige Minuten nach dem Abpfiff. „Für eine solche Leistung können wir uns bei den Zuschauern nur entschuldigen“, sagte er, nachdem er mit seinem Team 0:3 (0:1) das vorletzte Heimspiel der Saison gegen den VfR Aalen verloren hatte.

Tatsächlich boten die St. Paulianer entgegen allen Bekundungen vor dem Spiel eine blutleere, uninspirierte Vorstellung. „Wenn jeder Spieler ein paar Prozent weniger macht als der Gegner, verliert man eben 0:3 gegen Aalen“, sagte Innenverteidiger Jan-Philipp Kalla ernüchtert. „Dabei wollten wir Vollgas geben.“ Und Schachten ergänzte: „Wir haben heute weder richtig Fußball gespielt noch richtig gekämpft.“

Schon vor dem Anpfiff hatte es reichlich Aufregung gegeben. St. Paulis Trainer Roland Vrabec hatte Urgestein Fabian Boll nicht in den Kader berufen. Dabei hatte der nominelle Kapitän der Kiezkicker in der gesamten Woche beschwerdefrei trainiert. Und vor kurzem hatte Vrabec noch gesagt: „Fabian Boll wird für uns noch wichtig werden.“

Nach einem Innenbandriss im Knie hatte sich Boll in den vergangenen Wochen und Monaten wieder herangekämpft und brannte darauf, zumindest als Einwechselspieler noch einmal ein Heimspiel zu bestreiten. Bekanntlich wird der 34-Jährige am Saisonende seine aktive Karriere beenden.

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht von der Nicht-Berücksichtigung auch unter den Fans herumgesprochen. „Wo ist Boll?“, stand auf einem Transparent auf der Gegengerade. Dort wurde auch schon vor dem Spiel eine riesige Fahne mit der 17, Fabian Bolls Rückennummer, geschwenkt. „Undank ist der Welten Lohn“, stand auf einem anderen Transparent.

Verbal drückten die Fans aus, was sie von Vrabecs Entscheidung hielten, als Stadionsprecher Rainer Wulff die Mannschaftsaufstellung vorlas. Außer bei Torwart Philipp Heerwagen skandierten die Anhänger nach jedem Vornamen laut „Boll!“ anstelle des tatsächlichen Spielernamens. Womöglich hatte Vrabec unterschätzt, wie unpopulär seine Entscheidung gegen den mit Abstand beliebtesten St.-Pauli-Spieler war. Ganz offensichtlich aber ärgerten ihn auch die Reaktionen der Fans.

Nach dem Spiel ließ er seinem Unmut freien Lauf, als er nach der brisanten Personalie gefragt wurde. „Die Frage nervt mich. Fabian Boll war monatelang verletzt. Wen soll ich denn aus dem Kader streichen. Jeder hat es verdient, dabei zu sein. Jetzt nach einem Spieler zu fragen, der nicht dabei war, ist respektlos gegenüber den Spielern, die im Kader waren“, sagte Vrabec mit deutlich erhöhter Lautstärke.

Auch die Lautsprecheranlage fällt aus

Zur diffusen Stimmung vor Spielbeginn passte denn auch, dass ausgerechnet mitten in den „Hells Bells“ die Lautsprecheranlage ihren Geist aufgab und nur noch feuerwerksähnliche Knallgeräusche von sich gab.

Die nächste Panne folgte dann schon kurz nach dem Anpfiff. Beim ersten Aalener Angriff blockte St. Paulis Markus Thorandt den Schuss von Robert Lechleiter so unglücklich ab, dass der Ball seinem Kollegen Jan-Philipp Kalla an den Körper und vorn dort zum 0:1 (3.) ins Tor sprang.

„Wir haben die Situation, die zum ersten Gegentor geführt hat, schon tausend Mal angesprochen“, sagte Trainer Vrabec sichtlich frustriert. „Danach war die Mannschaft verunsichert, weil sie nun wieder in einem Heimspiel einem Rückstand hinterherlaufen musste.“

Weil die defensiv ohnehin starken Aalener wenig zuließen, kam St. Pauli praktisch zu keiner Torchance in der ersten Halbzeit. Die Entscheidung in der Partie führte Schiedsrichter Christian Bandurski (Oberhausen) mit seiner Strafstoßentscheidung gegen St. Pauli in der 57. Minute vorzeitig herbei. Im Luftkampf im Strafraum berührten sich Schachten und Aalens Michael Klauß. Beide blieben liegen, ein klares Foul war nicht zu erkennen. Aalens Mittelfeldspieler Leandro nutzte die Chance des Strafstoßes und erzielte das 2:0 (58.).

Drei Minuten später versuchte Vrabec, noch einmal ein Akzent zu setzen, indem er Fin Bartels einwechselte. Nachdem der erfolgreichste Torschütze (sieben Saisontreffer) seines Teams in den vergangenen Wochen wegen einer Fissur der Kniescheibe gefehlt hatte, konnte er jetzt erstmals wieder als Joker mitwirken. Doch auch diese Maßnahme hatte nicht die gewünschte Wirkung. Vielmehr merkte man Bartels die fehlende Spielpraxis an.

Auf der Gegenseite demonstrierten die Aalener, die mit insgesamt 32 Saisontreffern eigentlich zu den offensiv schwächsten Teams gehören, Effektivität. Nach einer schönen Kombination in der Hamburger Spielhälfte konnte Manuel Junglas aus 18 Metern ziemlich unbedrängt flach und gezielt auf das Tor schießen. Unten links schlug der Ball zum 0:3 (68.) ein.

Am Ende stand für den FC St. Pauli eine der höchsten Niederlagen und eine der schwächsten Leistungen der vergangenen Jahre. 0:3 hatten die Kiezkicker in der Hinrunde dieser Saison auch gegen den kommenden Auswärtsgegner und als Zweitliga-Meister feststehenden 1. FC Köln verloren, dies aber nach einer ganz anderen, wesentlich stärkeren Vorstellung. „Das Spiel heute war katastrophal und beschämend“, sagte Trainer Vrabec.nde. In diesem Punkt lag er mit den Fans auf einer Linie.