Das Phänomen SV Sandhausen. Der Club war sportlich abgestiegen, durfte dann nach der Insolvenz von Duisburg doch in der Liga bleiben, musste sich ein neues Team zusammensuchen und könnte am Sonnabend mit einem Sieg über den FC St. Pauli sogar auf Platz vier springen.

Hamburg. Eigentlich gibt es nur ein logisches Ergebnis, wenn an diesem Sonnabend (13 Uhr, Sky live) der SV Sandhausen auf den FC St. Pauli trifft. In acht der bisher 14 Heimspiele in der aktuellen Zweitligasaison blieb das Team aus der Kurpfalz ohne Gegentor. Und die St. Paulianer haben es immerhin in fünf ihrer 14 Auswärtsspiele geschafft, dass der Gegner keinen Treffer erzielt. Und da Sandhausen mit insgesamt gerade einmal 15 Heimtoren offensiv eher harmlos scheint, wäre ein 0:0 keine große Überraschung. Dazu passt, dass das Hinspiel Ende Oktober vergangenen Jahres auch schon torlos geendet hatte.

Als erstrebenswertes Ergebnis aber sehen die Vertreter beider Clubs ein 0:0 verständlicherweise nicht an. Sandhausens erfahrenster Zweitligaspieler, Außenverteidiger Timo Achenbach, kündigt vielmehr an: „Wir schlagen in der Offensive bei den sich bietenden Möglichkeiten eiskalt zu.“ Und St. Paulis Trainer Roland Vrabec fordert: „Wir müssen mutig und zielstrebig nach vorn spielen.“

Eine besondere Motivation beziehen die Sandhausener aus der Aussicht, mit einem Heimsieg an diesem Sonnabend am FC St. Pauli vorbeizuziehen und zumindest bis Sonntag auf Platz vier zu springen. Dies hätte zu Saisonbeginn praktisch niemand dem zu Saisonbeginn fast komplett neu formierten Team zugetraut. Der SV Sandhausen hatte vor dieser Spielzeit denkbar schlechte Voraussetzungen. Sportlich war die Mannschaft im Mai mit nur 26 Punkten als Tabellen-17. aus der Zweiten Liga abgestiegen und durfte im Nachhinein nur wegen des Lizenzentzuges für den MSV Duisburg in der Liga bleiben.

Da sich aber die meisten Spieler, 17 an der Zahl, aber schon anderweitig orientiert hatten, musste Sportdirektor Otmar Schork eine fast komplett neue Mannschaft zusammenstellen. Im vergangenen Sommer kamen denn auch 15 Zugänge, in der Winterpause noch weitere vier. Dies waren allerdings eher unbekannte Akteure, wenn man einmal von Stürmer Ranisaw Jovanovic (Duisburg) absieht. Da der Verein ganz im Gegensatz zur benachbarten TSG 1899 Hoffenheim keinen Großsponsor oder finanzstarken Investor im Rücken hat, musste Schork sich vor allem ablösefreie Profis zusammensuchen.

Während andernorts bei einem derartigen personellen Umbruch um viel Geduld gebeten werden muss, damit die bunte Kickerschar zu einer schlagkräftigen Mannschaft wird, zeichnete sich beim SV Sandhausen schon früh ab, dass die aktuelle Saison sportlich viel besser als die vorherige werden wird. Sechs Spieltage vor Schluss stehen 15 Punkte mehr zu Buche als in der gesamte vergangenen Saison. „Vor Saisonstart waren wir Abstiegskandidat Nummer eins. Auch ich hatte mich darauf eingestellt, dass wir bis zum Schluss um den Klassenverbleib werden kämpfen müssen“, sagt Sandhausens Präsident Jürgen Machmeier. „Aber in dieser Saison hat vieles zusammengepasst, bei den Nezugängen gelangen uns Glücksgriffe. Niemand konnte damit rechnen, dass Spieler aus der 3. Liga und der Regionalliga so einschlagen. Trainer Alois Schwartz hat großen Anteil und seine Philosophie auf das Team und den Verein übertragen“, sagt Machmeier weiter.

Längst hat der Erfolg andernorts für Interesse gesorgt. So soll der 47 Jahre alte Alois Schwartz bei Eintracht Frankfurt als Nachfolge-Kandidat des am Saisonende ausscheidenden Armin Veh gehandelt werden. Sandhausens Präsident Machmeier verweist in diesem Zusammenhang auf den bis 2015 laufenden Vertrag mit seinem Club. „Mir wäre es sogar am liebsten, wir würden noch zehn Jahre mit Schwartz zusammenarbeiten“, sagt er.

Nicht nur sportlich hat der SV Sandhausen in den vergangenen Monaten große Fortschritte zu verzeichnen, auch die Infrastruktur wächst. So wird das Hardtwaldstadion, das bisher lediglich 12.100 Zuschauern Platz bietet, demnächst ausgebaut. „Nach Ostern beginnt die Erweiterung der Westtribüne“, kündigt Machmeier an. An diesem Sonnabend werden rund 2500 Anhänger des FC St. Pauli auf den Rängen für Stimmung sorgen.

Eine Premiere wird der FC St. Pauli unterdessen mit Schiedsrichter Martin Thomsen aus Kleve erleben. Erstmals leitet der erst 28 Jahre alte Unparteiische ein Punktspiel der Kiezkicker. Insgesamt war er erst in sieben Partien in der Zweiten Liga im Einsatz und konnte bisher auf einen Platzverweis verzichten. Einmal war er schon in Sandhausen in Aktion. Das Spiel gegen den VfR Aalen endete 0:0.

Wegen eines grippalen Infektes fällt beim FC St. Pauli Innenverteidiger Markus Thorandt aus. Auch Fabian Boll und Bernd Nehrig stehen nicht im Kader. Die voraussichtlichen Aufstellungen:

FC St. Pauli: Tschauner – Schachten, Mohr, Gonther, Halstenberg – Rzatkowki, Trybull, Buchtmann, Kalla – Thy, Nöthe.

SV Sandhausen: Riemann – Kübler, Olajengbesi, D. Schulz, Achenbach – Linsmayer, Tüting – Stiefler, M. Zimmermann – Jovanovic, D. Blum.