Nach dem umjubelten 2:2 gegen Greuther Fürth hat St. Paulis Trainer Roland Vrabec verstanden, dass die Anhänger des Kiezclubs von ihrem Team in erster Linie Leidenschaft und Kampfeswillen erwarten.

Hamburg Es muss schon etwas Außergewöhnliches geschehen sein, wenn der Trainer einer Auswärtsmannschaft, die in der soeben zu Ende gegangenen Partie einen Sieg verspielt hat, sagt: „Es hat richtig Spaß gemacht, Teil dieses Spiels zu gewesen zu sein.“ Diese Aussage traf Frank Kramer, der Cheftrainer des Zweitliga-Tabellenzweiten SpVgg. Greuther Fürth, nach dem 2:2 am Freitagabend gegen den FC St. Pauli im Hamburger Millerntor-Stadion. „Es war eine phantastische Atmosphäre. Solche Spiele sind einfach gut für unseren Fußballsport“, sagte er weiter und war ganz offensichtlich vom gesamten Geschehen auf dem Platz und den Rängen völlig euphorisiert.

So konnte er scheinbar auch leicht verschmerzen, dass sein Team durch den Ausgleichstreffer von St. Paulis Innenverteidiger Markus Thorandt in der Schlussphase zwei Punkte verlor, die den Fürthern im Kampf um den direkten Wiederaufstieg womöglich entscheidend weitergeholfen hätten.

Ähnlich wie ihrem Trainer ging es wohl auch einigen Spielern des Gegners aus Franken. „Nach dem Abpfiff sind mindestens fünf von ihnen zu uns gekommen und haben davon geschwärmt, was hier los war. Offenbar wollen die gern bei uns spielen“, berichtete Außenverteidiger Sebastian Schachten, der selbst den Treffer zur 1:0-Führung seines Teams erzielt hatte und auch sonst in praktisch jeder seiner Aktionen von den St.-Pauli-Anhängern so sehr honorierte Leidenschaft ausstrahlte.

Es war schon bemerkenswert, wie gegensätzlich die Zuschauer innerhalb von nur sechs Tagen auf ein Unentschieden ihrer Mannschaft gegen ein spielerisch starkes Auswärtsteam reagierten. Hatte es nach dem uninspirierten 0:0 gegen Ingolstadt noch Pfiffe gegeben, die danach bekanntlich tagelang zu Diskussionen führten, so machten jetzt die St.-Pauli-Fans auf allen vier Tribünen des Stadions deutlich, dass ihnen die Vorstellung in den gut 90 vorherigen Minuten überaus gut gefallen hat.

Spätestens nach dieser Erfahrung hat St. Paulis Cheftrainer Roland Vrabec verinnerlicht, dass Kampfeswillen und Leidenschaft unabdingbare Voraussetzungen sind, um den Funken im Millerntorstadion überspringen und das eigene Team zusammen mit den Fans zu einer schwer zu bezwingen Macht werden zu lassen.

Als gut ausgebildeter Fußballlehrer der modernen Prägung hatte Vrabec in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus erfolgreich verschiedene taktische Varianten mit seinen Spielern einstudiert und dabei sehr viel Akribie an den Tag gelegt. Vor allen in der Mehrzahl der Auswärtsspiele unter seiner Regie griffen die taktischen Finessen, die Vrabec immer wieder aufs Neue ausgetüftelt hatte. Die Idee allerdings, mit einer vorwiegend defensiven, risikominimierenden Taktik ein Heimspiel wie gegen den FC Ingolstadt anzugehen, war vielen Fans schlicht nicht mehr vermittelbar – und wird es wohl auch künftig nicht sein.

Schon im Heimspiel gegen Union Berlin Anfang März hatte Vrabec auf diese taktische Ausrichtung gesetzt. Erst als diese durch den 0:1-Rückstand hinfällig geworden war und die Kiezkicker zwangsläufig mutiger und offensiver agierten, gelang die Wende und am Ende der umjubelte 2:1-Sieg.

„Wir haben fantastische Fans, die bedingungslos hinter uns stehen, wenn wir jeden Zentimeter des Rasens umpflügen“, sagt auch St. Paulis Sportdirektor Rachid Azzouzi. Die Typen für diese Spielweise, die auch alle früheren erfolgreichen Generationen von St.-Pauli-Mannschaften auszeichnete, hat – bei allen inzwischen vorhandenen technischen Fertigkeiten – auch das heutige Team. Ein Musterbeispiel dafür ist Sebastian Schachten. Aber auch Stürmer John Verhoek, die Innenverteidiger Markus Thorandt, Torschütze zum 2:2, und Sören Gonther oder auch die Mittelfeldspieler Jan-Philipp Kalla und Christopher Buchtmann gehören zu dieser Kategorie.

Im Hinblick auf die nähere und vor allem mittlere Zukunft stellte Trainer Vrabec klar: „Das Spiel gegen Fürth ist der Maßstab für die nächsten Partien. Die wollen wir jetzt genauso angehen und diese Emotionen zeigen. Fußballerisch können wir aber mehr. Auch das wollen wir bald wieder zeigen.“ Auch Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann kündigte an: „Auf lange Sicht wollen aber auch wieder besser Fußball spielen.“ Leidenschaft und spielerische Klasse wären tatsächlich ein gutes Rezept für einen Bundesliga-Aufstieg. Das aber dürfte wohl erst in der nächsten Saison ein realistisches Thema werden.