Rachid Azzouzi ist seit einem Jahr Sportdirektor beim FC St. Pauli. Jetzt hat der 42-Jährige in Absprache mit Trainer Michael Frontzeck ein neues Team aus vielen jungen Talenten zusammengestellt.

Hamburg. Plötzlich stand er oben auf der Terrasse des noch im Bau befindlichen Gebäudes und betrachtete das sportliche Treiben auf dem Rasenplatz an der Kollaustraße. Rachid Azzouzi, der Sportdirektor des FC St. Pauli, wirkte in diesem Moment so, als wäre er rundum zufrieden mit dem, was er dort unten sah. Tatsächlich ist es „seine“ Mannschaft, die seit Mitte der Woche die ersten Trainingseinheiten für die neue Saison in der Zweiten Fußball-Bundesliga absolviert.

Im Gegensatz zum Vorjahr, als Azzouzi kurzfristig für den entlassenen Sportchef Helmut Schulte angeheuert wurde und nur noch in einer Art Notoperation kurzfristig Spieler verpflichten konnte, war diesmal alles anders. Jetzt hat der FC St. Pauli eine Mannschaft, die Azzouzi mit Bedacht und in Absprache mit Cheftrainer Michael Frontzeck zusammenstellen konnte. „Es sind alles Wunschspieler, die wir geholt haben“, sagt er. Und weiß natürlich, dass er sich nun auch am Erfolg oder Misserfolg wird messen lassen müssen.

St. Pauli kann nicht mit Geld locken

Dabei ist es keineswegs so, dass Azzouzi mit Geldscheinen wedeln konnte, um die von ihm auserkorenen Profis an Land zu ziehen. „Wir sind sicher nicht das Armenhaus der Liga, aber gehören vom Etat her auch nicht zu den Top-Teams wie Köln, Düsseldorf oder Kaiserslautern“, sagt er. Daher ist es für ihn schon ein kleiner Triumph, wenn Stürmer John Verhoek berichtet, dass er sich gegen den 1. FC Kaiserslautern und für St. Pauli entschieden habe, obwohl er bei den Pfälzern mehr Geld hätte verdienen können. „Die Gespräche mit Azzouzi und Frontzeck haben mich überzeugt. Außerdem ist Hamburg eine tolle Stadt und der FC St. Pauli ein besonderer Verein“, sagte Verhoek, und es klingt nicht nach auswendig gelernten Floskeln.

Insgesamt acht neue Spieler hat Azzouzi für die kommende Saison verpflichtet, neun haben den Verein – zum Teil schweren Herzens – verlassen, darunter bekanntlich auch die Publikumslieblinge Florian Bruns und Marius Ebbers sowie Torjäger Daniel Ginczek (18 Saisontreffer). Hier musste der stets freundlich wirkende Azzouzi auch einmal seine harte, unnachgiebige Seite zeigen. Es wäre sicher der bequemere Weg gewesen, Bruns und Ebbers noch einen Vertrag für ein weiteres Jahr zu geben. Aber das hätte nicht seiner Idealvorstellung für ein Team entsprochen, das mittelfristig auch einmal wieder den Bundesliga-Aufstieg schaffen kann.

Der interne Konkurrenzkampf ist groß

Aus den derzeit 23 zur Verfügung stehenden Spielern muss Trainer Frontzeck nun bis zum Saisonstart eine schlagkräftige Stammformation basteln. Jede Position ist mindestens doppelt besetzt. Hinzu kommt, dass etliche Spieler flexibel einsetzbar sind. Ob nun die neu dazugeholten oder aber die bisher schon dem Kader zugehörigen Spieler Kandidaten für die Startaufstellung sind, lässt Einkäufer Azzouzi offen. „Alle Neuzugänge müssen sich beweisen und zeigen, dass sie besser sind als die anderen. Keiner von ihnen ist von vornherein gesetzt. Aber es gibt auch keine Erbhöfe für diejenigen, die hier schon länger dabei sind“, sagt er, und es scheint, als freue er sich auf den internen Kampf um die Plätze. „Konkurrenz fördert die Trainingsintensität und damit auch die Qualität“, sagt denn auch Trainer Frontzeck, der inständig darauf hofft, dass seine Truppe diesmal von zahlreichen und langwierigen Verletzungen verschont bleibt. In der vergangenen Saison lautete die Devise viel zu häufig: „Wer gesund ist, der spielt auch.“

Azzouzi hat es vor allen Dingen geschafft, neue Spieler für Problempositionen zu bekommen. Dazu zählte in der vergangenen Saison vor allem auch die rechte Abwehrseite, auf der sich abwechselnd verschiedene Akteure versuchten, ohne jedoch hundertprozentig zu überzeugen. Jetzt soll dort in erster Linie der von der SpVgg Greuther Fürth geholte Bernd Nehrig für Stabilität sorgen. „Der Bernd ist eine Maschine“, lobt ihn dessen bisheriger Kollege Gerald Asamoah, der bis zum Ende der Saison 2010/2011 beim FC St. Pauli unter Vertrag stand.

St. Pauli setzt auf charakterstarke Spieler

Laut Azzouzi war der Ex-Nationalspieler Asamoah der einzige St. Pauli-Akteur der vergangenen Jahre, dem er den Begriff Star zubilligen würde. „Unser Verein ist nicht bekannt dafür, dass er sich über Stars definiert. Das Allerwichtigste ist der Zusammenhalt. Nur als Gemeinschaft können wir den nächsten Schritt machen. Und unter mir als Sportdirektor wird auch kein Star kommen“, sagt Azzouzi.

Gleichzeitig ist er gemeinsam mit einigen etablierten Spielern wie Kapitän Fabian Boll ein Wächter darüber, dass sich auch kein Spieler wie ein Möchtegern-Star benimmt und Allüren an den Tag legt. Auch danach hat Azzouzi die neuen Spieler ausgesucht. „Es sind alles saubere Jungs“, beschreibt das Trainer Frontzeck jetzt auf seine Art.

Rein sportlich betrachtet darf sich aus den überwiegend jungen Zugängen trotzdem ein Star entwickeln, der dem Verein entweder direkt auf dem Spielfeld hilft, oder beim Verkauf mit einer hohen Ablösesumme. Denn in diesem, von Azzouzi zusammengestellten Kader, gehören – bis auf Leihgabe Michael Gregoritsch (mit Kaufoption) – alle Spieler dem FC St. Pauli. Auch deshalb kann der Sportdirektor so zufrieden von der Terrasse auf den Trainingsplatz blicken.