Er war jahrelang spielsüchtig und geriet in die Fänge der Wettmafia. In seinem Buch berichtet Schnitzler über sein turbulentes Fußballerleben.

Hamburg. Das mausgraue T-Shirt spannt ein wenig an den Hüften, der Ansatz zum Doppelkinn ist unübersehbar. Rene Schnitzler spürt die abschätzigen Blicke und liefert hastig eine Erklärung: „Im Moment trainiere ich eher selten - und das sieht man ja auch.“

Bis September 2013 ist der 26-Jährige auf Eis gelegt, gesperrt vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). „Unsportliches Verhalten“ nannte das Gremium seinerzeit die ungeheuerlichen Vorgänge, die zu Jahresbeginn erstmals öffentlich wurden und den Ex-Profi des FC St. Pauli in die Schlagzeilen brachten.

Dass Schnitzler seit dem 18. Geburtstag nahezu täglich zockt, von Spielcasinos in illegale Spielrunden abgleitet und schließlich in die Fänge der Wettmafia gerät, hat der Rheinländer nun aufschreiben lassen. „Zockerliga“ lautet der Titel des 208 Seiten starken Buches, das am Donnerstag in Hamburg vorgestellt wurde.

Überwunden hat der ehemalige Stürmer seine Spielsucht noch nicht, aber erstmals in seinem Leben kämpft er gegen sie an. „Zu sagen, ich sei clean, wäre scheinheilig. Ich habe sicherlich den Tiefpunkt meines Lebens erreicht, aber ich befinde mich auch aktuell in einer Therapie“, berichtet Schnitzler. In seinem Buch erzählt er ausschweifend von Poker-Parties mit Prostituierten, von Machogehabe und übersteigertem Selbstbewusstsein: „Autos, Frauen und Zocken sind nun einmal die Hauptthemen junger Fußballprofis. Da bin ich kein tragischer Einzelfall.“

Dazu wird Schnitzler erst, als er sich mit dem niederländischen Wettpaten Paul Rooij einlassen muss, um seine Wettschulden in Höhe von 150.000 Euro begleichen zu können. Bei fünf Zweitligapartien des FC St. Pauli soll er dafür sorgen, dass die Hamburger verlieren. Nicht immer gelingt das, doch das Geld streicht er trotzdem ein, das Resultat sind massive Drohungen: „Die gibt es auch jetzt noch. Es ist doch klar, dass man angefeindet wird.“

Hätte man ihm helfen können? Schnitzler sagt, nur ein einziges Mal binnen zwei Jahren sei er von seinem damaligen Trainer Holger Stanislawski ins Gebet genommen worden. Dabei blieb es, die Sucht war immer stärker als die Furcht vor dem sportlichen Einbruch, der wegen zahlreicher durchzockter Hamburger Nächte die logische Konsequenz war.

„Ich weiß nicht, ob ich Hilfe wirklich angenommen hätte. Ich kam aus Mönchengladbach in die Großstadt Hamburg, da war es noch schwerer, den Versuchungen zu widerstehen. Als Jungprofi geht man eben nicht nach dem Training nach Hause und isst einen Salat“, sagt Schnitzler rückblickend.

Noch gibt sich der Angreifer, der vor seinem Wechsel nach Hamburg bei Borussia Mönchengladbach zum Bundesliga-Kader gehörte und auch zu einem Einsatz kam, optimistisch, nach seiner Sperre im Profifußball noch einmal Fuß fassen zu können. Die Erfahrungen weit prominenterer Fußball-Profis sprechen allerdings dagegen. Sowohl Kölns langjähriger Torhüter Toni Schumacher als auch Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus haben sich einst mit publizistischen Enthüllungen extrem unbeliebt gemacht im deutschen Profifußball.