Schnitzler soll für fünf Partien der Kiezkicker Geld bekommen haben. Hinweise auf tatsächliche Verschiebungen sieht der DFB aber nicht.

Hamburg. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat den ehemaligen St.-Pauli-Profi Rene Schnitzler im Zuge des Manipulationsskandals für zwei Jahre und sechs Monate gesperrt. Dies teilte der DFB am Dienstag mit.

„Schnitzler hat gegenüber dem Kontrollausschuss eingeräumt, für fünf Meisterschaftsspiele des FC St. Pauli im Zeitraum von Mai 2008 bis November 2008 Manipulationsabsprachen mit einem niederländischen Wettspieler und -vermittler getroffen und für vier dieser Spiele erhebliche Geldbeträge erhalten zu haben“, heißt es in der Pressemitteilung.

Allerdings gibt es laut der Direktion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des DFB „keine Hinweise dafür, dass von Schnitzler oder anderen Personen tatsächliche Spielmanipulationen vergenommen wurden“.

„Da hat der DFB absolut richtig reagiert und die logische Konsequenz gezogen“, sagte Teammanager Christian Bönig vom Bundesliga-Absteiger FC St. Pauli. „Wir hoffen, dass so etwas nie wieder vorkommt.“

Da Schnitzler bereits seit März vorläufig geperrt war, gilt die Sperre vom 30. März 2011 bis zum 30. September 2013. Bis zu diesem Datum darf der 26 Jahre alte Stürmer, der zuletzt für den Mönchengladbacher Kreisligisten 1. FC Bettrath gespielt hatte, auch kein Amt im DFB, den Mitgliedsverbänden, deren Vereinen und Kapitalgesellschaften ausüben.

„Bei der Strafmaßzuteilung wurde zugunsten von Schnitzler berücksichtigt, dass er an der Aufklärung von Manipulationsvorwürfen zumindest in Teilbereichen mitgewirkt hat“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Schnitzler hatte mit Enthüllungen im Stern für Aufsehen gesorgt. Er schilderte seine Verstrickungen in die Wettmafia und seine Todesangst, wenn die Spiele nicht wie gewünscht ausgingen. (sid/dpa)

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Spielsüchtiger Schnitzler erhielt mehrfach Morddrohungen


Der Fußball-Wettskandal um den Ex-St.-Pauli-Stürmer René Schnitzler wird immer mehr zur menschlichen Tragödie. Todesangst am Flughafen, Morddrohungen im Strandcafe, Geheimtreffen im Luxushotel: Der frühere Zweitliga-Profi hat mit einem umfassenden Geständnis einen erschütternden Einblick in die Abgründe des Wettskandals im Fußball gegeben. Der 25 Jahre alte Stürmer gab im Magazin Stern zu, von einem Wettpaten mehr als 100.000 Euro angenommen zu haben, um fünf Auswärtsspiele des FC St. Pauli zu verschieben. Allerdings bestreitet der Stürmer, wirklich eines der Zweitliga-Spiele im Jahr 2008 manipuliert zu haben.

Das Geständnis des vereinslosen Spielers liest sich dennoch wie ein Krimi. Unter anderem habe ein Begleiter des mutmaßlichen Wettpaten Paul R. gedroht, den spielsüchtigen Schnitzler „an einen Pfosten in der Elbe zu binden und auf die Flut zu warten“. Ein Schuldeneintreiber habe Schnitzler eine Pistole an die Schläfe gehalten; er habe in der Angst gelebt, entführt oder getötet zu werden. Spiele verschoben habe er dennoch nicht: „Ich habe Geld genommen, ja, aber ich habe nicht manipuliert“, behauptet er, „ich habe nicht einmal daran gedacht.“

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) reagierten relativ gelassen und kündigten Prüfungen an. Die Offiziellen des FC St. Pauli, für den Schnitzler bis 2009 spielte, waren dagegen tief betroffen. „Das war ein Schock. Mit so etwas hätten wir nie und nimmer gerechnet“, sagte Teammanager Christian Bönig dem SID. „Die Tatsache, dass man mit der Wettmafia in Berührung kommt, ist allein schon ein Schlag ins Gesicht. Da wird der Sport mit Füßen getreten. Unfassbar.“

Der Verein habe die Spiele, die Schnitzler manipulieren sollte, bereits überprüft. „Sie waren alle nullkommanull auffällig. Rene Schnitzler hat wohl einen Betrüger betrogen. Hätte er die fünf Spiele manipuliert, hätten wir alle verloren“, sagte Bönig und nannte ein entlastendes Beispiel. „Wir haben in Mainz (beim 2:2 am 23. November 2008, d. Red.) in der 90. Minute den Ausgleich gemacht. Das sagt doch schon alles.“ Es sei bekannt gewesen, dass Schnitzler „viel gespielt“ habe: „Ich glaube, er hat eine gewisse Suchtstruktur in sich getragen.“

Die Staatsanwaltschaft Bochum, die im größten Wettskandal der europäischen Fußball-Geschichte ermittelt, steht mit dem Verein in Kontakt. St. Pauli will laut Bönig „alles mitteilen, was wir wissen“. Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek verweigerte auf Anfrage genauso wie Schnitzlers Anwalt Rainer Pohlen eine Stellungnahme.

Paul R., der den Profi anwarb, bezahlte und schließlich bedrohte, ist in Bochum kein Unbekannter: Laut Stern-Recherchen handelt es sich um einen 51 Jahre alten Niederländer, der eine zentrale Figur des Skandals ist. Auch mit dem mutmaßlichen Drahtzieher Mario C. hatte Schnitzler Kontakt - unter anderem am Flughafen von Amsterdam, den der Spieler angeblich in Todesangst verließ.

Der Profi behauptet, in einer Zwickmühle gesteckt zu haben. Seit einem Kasino-Besuch in Aachen 2003 sei er spielsüchtig. Um seine Verluste auszugleichen, setzte er schließlich seine Karriere aufs Spiel. Am 15. Mai 2008 sei er von Paul R. in einem Hotel in Noordwijk angeworben worden; ab diesem Tag war die Spirale nicht mehr aufzuhalten. Nach und nach verzockte Schnitzler das Geld des Paten, wurde bedroht, stimmte weiteren Manipulationen zu, dann begann alles wieder von vorn. Dabei habe er, als am Anfang eine Begegnung nach Wunsch mit einer Niederlage geendet habe, gedacht: „Mein Gott, ist das einfach!“

Dann lief es nicht mehr, und der Pate machte Druck. Schnitzler erhielt weiteres Geld, um Mitspieler zu bestechen - er leugnet, wirklich etwas davon ausbezahlt zu haben. Angeblich hat er alles verspielt, teilweise im Rausch, 36 Stunden am Stück. Das Problem: Paul R. wollte nun Spieler sehen, die eingeweiht sind. Zwei Kollegen spielten das Theater für Schnitzler mit.

Dennoch wird diesem mit dem Tod gedroht. Schnitzler lässt sich „überreden“, ein Spiel in Mainz zu verschieben, doch es endet 2:2. Danach erhält Schnitzler einen Anruf eines Wettbüro-Betreibers, der auch in die Deals involviert gewesen sein soll. „Sieh zu, dass du abhaust“, sagt er, „Paul hat zwei Millionen Euro verloren.“ Am 8. Dezember wird Schnitzler von der Polizei aus dem Bett geholt, die einen Tipp bekommen hat - von Mario C.