Der Zweitligaklub geht neue Wege, um den Stadionbau voranzutreiben - Nasszellen in Separees.

Hamburg. Man kennt die Szene aus dem Fernsehen: Franz Beckenbauer sitzt in seinem Wohnzimmer und gibt den unmittelbar neben ihm auf das Spielfeld laufenden Kickern des FC Bayern München noch schnell die letzten Anweisungen. Der "Kaiser" ist dank seines Multimediaanschlusses mittendrin oder zumindest verblüffend nah dran am Geschehen. Was in der Werbung noch Fiktion ist, könnte im Millerntorstadion schon während der Rückrunde der nächsten Saison Wirklichkeit werden.

Der FC St. Pauli klopft in der Hamburger Wirtschaft momentan das Interesse an einer Anmietung von Logen der neuen Haupttribüne (geplante Bauzeit: Mai 2009 bis März 2010) ab. Unternehmen und potenten Privatpersonen wird telefonisch ein Angebot unterbreitet, das neben der gewohnten Nutzung der Logen an Spieltagen, für Konferenzen oder Feiern geradezu revolutionäre Optionen bietet. Präsident Corny Littmann hatte die Idee, die Separees dauerhaft gewerblich nutzen zu lassen - und darüber hinaus auch privat.

Wohnen am Millerntor! Wer möchte, kann demnach seinen Firmen- oder auch vorübergehenden Wohnsitz ins Stadion verlegen, eigenen Nassbereich, also Dusche und WC, sowie exklusiven Blick auf das Spielfeld inklusive. Weil Littmann gute Ideen gern schnell umsetzt, betreibt die Vermarktung des Klubs bereits offensives Marketing und fragte schon bei mehreren potenziellen Interessenten an.

Über exakte Preisklassen der bewohnbaren Logen wurde in den Telefonaten selten gesprochen. Das Abendblatt erfuhr: Der Kostenpunkt für den von den Mietern noch zusätzlich zu gestaltenden veredelten Rohbau variiert je nach Lage und Größe der Loge (Standardfläche 27 Quadratmeter) zwischen 40 000 und 150 000 Euro pro Saison. Zum Vergleich: Die elf allesamt verkauften Separees auf der bereits fertiggestellten Südtribüne sind mit jeweils 35 000 bis 70 000 Euro veranschlagt.

Noch sind die Pläne für die neue Haupttribüne allerdings Luftschlösser. Denn darüber, ob ab März 2010 die 18 Separees und der Rest der Tribüne (darunter ein hoher Anteil an Business-Seats) genutzt werden können, entscheiden andere. Bereits im Sommer 2008 waren Abriss und Neubau an der Finanzierung gescheitert. Der Verein hatte keinen Geldgeber gefunden, der die benötigten 13 bis 14 Millionen Euro (inklusive einer Million Mindereinnahmen im Ticketing während der Umbauphase) bereitstellt. Die positive Tendenz, die die Verantwortlichen um Littmann und Geschäftsführer Michael Meeske bei den Gesprächen mit einem Kreditinstitut ausgemacht hatten, brachte letztlich nicht das erwünschte Ergebnis. Im Zuge der bevorstehenden Banken-Krise wurde die Entscheidung über eine Kreditvergabe ausgesetzt. "Bis zum Beginn der Rückrunde wollen wir bezüglich der Finanzierung Klarheit haben", beschreibt Meeske nun den neuen Zeitplan.

Aktuell befinden sich die Vereinsvertreter in Gesprächen mit drei potenziellen Geldgebern, darunter sowohl Banken als auch private Investoren. Dabei soll auch das Interesse der potenziellen Neukunden genutzt werden. Am Ende der Verkaufsgespräche erfragen die Mitarbeiter der St. Pauli Vermarktung stets, ob die zukünftigen Logenbesitzer einen "Letter of Intent", also eine Miet-Absichtserklärung, abgeben würden. Im besten Fall, einer Komplettbuchung seines Angebots, könnte der Klub damit schon knapp zwei Millionen Euro Jahreseinnahme vorweisen.

Und die Resonanz auf die erst vor wenigen Tagen angelaufene Aktion ist positiv. Einige Absichtserklärungen liegen bereits vor, und es ist nicht auszuschließen, dass sich so mancher schon unter seiner eigenen Dusche am Millerntor sieht.