HSV-Ikone liefert sich beim Abendblatt-Empfang ein Zwiegespräch mit Bürgermeister Tschentscher – und spricht dabei nicht nur über Fußball.
Felix Magath (70) war beim Neujahrsempfang des Abendblatts einer der am meisten fotografierten Gäste, erst recht als sich Peter Tschentscher (57) zu ihm an den Stehtisch gesellte. „Was hat Bayern München besser gemacht als der HSV?“, fragte der Bürgermeister den Europapokalsieger der Landesmeister von 1983 und damaligen Siegtorschützen in Athen zum 1:0 gegen Juventus Turin.
Felix Magath: Über Erfolg entscheiden Personen, nicht Strukturen
„Die Bayern hatten einen Manager (Uli Hoeneß, die Red.), der den Verein mit allen Mitteln, mit aller Macht, mit all seinem Ehrgeiz nach ganz oben führen wollte. Der HSV dagegen hatte in den Achtzigerjahren einen Manager (Günter Netzer, die Red.), der den Verein unbedingt verlassen wollte. Es sind nicht die Strukturen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden, es sind immer die Personen“, sagte Magath.
Tschentscher und Magath waren sich einig, dass Hamburg wieder einen Verein in der Fußball-Bundesliga braucht, fürs Image, für die Standortpolitik, fürs Stadtmarketing, „aber vor allem als Vorbild und Motivation für die Jugend“. Magath konnte Tschentscher jedoch Hoffnung machen: „Der HSV und der FC St. Pauli werden aufsteigen. St. Pauli war die beste Mannschaft in der Hinrunde, der HSV hat die besten Spieler.“
Felix Magath: Hamburg ist schöner, München ist sicherer
Auch Themen wie Sicherheit und Sauberkeit, Hauptbahnhof und Polizeipräsenz in der Stadt kamen zwischen beiden zur Sprache, Tschentscher überraschte Magath dabei mit Ansichten und Einsichten. „Ich bin erstaunt über seine für einen Politiker ungewöhnlichen Aussagen. Er wirkt auf mich authentisch. Den könnte ich wählen“, sagte Magath. Geht aber nicht.
Magath ist mit seiner Familie seit 2004 in München gemeldet, sein Bekenntnis zu Hamburg bleibt dennoch ungebrochen: „Die schönste Stadt Deutschlands.“ München sei ihm zu eng, obwohl er sich dort subjektiv sicherer fühle als in Hamburg.
"Franz Beckenbauer wird sehr viel Unrecht getan"
Die Welt des Fußballs wurde schließlich auch gestreift. Zum Tod von Franz Beckenbauer, mit dem er 1980 bis 1982 beim HSV zusammenspielte, mit dem er unter ihm als Teamchef 1986 in Mexiko Vizeweltmeister wurde, sagte Magath: „Wir hatten Kontakt, haben unregelmäßig miteinander telefoniert. Ich wusste, dass er krank war, sein Tod kam für mich jedoch überraschend." Dann wird Magath richtig sauer: "Wer weiß, was Franz für das Ansehen des deutschen Fußballs und der Bundesrepublik Deutschland weltweit geleistet hat, dann ist es für mich ein schlechter Witz, wie seine Rolle bei der WM-Vergabe 2006 nachträglich ins Zwielicht gezogen wird.“
Da seien ganz andere Herren anzuprangern, die ihn vorgeschoben haben, „die sich später einen schlanken Fuß gemacht und sich hinter Beckenbauer versteckt haben“. Es müsse zudem doch jedem klar gewesen sein, dass bei einer offensichtlich korrupten Organisation wie den Weltfußballverband Fifa, „du mit sachlichen Argumenten allein nie den Zuschlag für eine WM erhältst“. Franz Beckenbauer, sagt Magath, sei einer der anständigsten, ehrlichsten und aufrichtigsten Menschen gewesen, „die ich kennengelernt habe“.
Leverkusen müsse jetzt mit dem Druck zurechtkommen
Um die Frage, wer in dieser Saison deutscher Meister wird, kam Magath beim Abendblatt-Empfang natürlich nicht herum. „Bayer Leverkusen war bisher die beste Mannschaft. In der Rückrunde stellt sich aber die Frage: Hält das Team dem Druck stand, denn erstmals hat es etwas zu verlieren, nämlich die Tabellenführung. Die Bayern kennen diese Situation bestens, sie gehört zu ihrer DNA. Wenn Trainer Xabi Alonso es schaffen sollte, mit Leverkusen Meister zu werden, ist er für mich ein ganz Großer.“
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Dass die Münchener in der vergangenen Spielzeit nur mit viel Glück den Titel holten, sei der Winter-WM 2022 in Katar geschuldet. „Die Bayern mussten von den Bundesligaclubs die meisten Spieler abstellen. Die Deutschen kamen früh zurück, die Franzosen spät. Das war schon eine spezielle Herausforderung. In der Rückrunde war die Mannschaft einfach nicht fit.“
Felix Magath: HSV und St. Pauli haben mehr Substanz als Holstein Kiel
Zurück in die Zweite Liga. Tabellenführer Holstein Kiel habe Erstaunliches geleistet, „doch bei allem Respekt und Anerkennung der Erfolge, mir fehlt ein bisschen der Glaube, dass sie bis zum Ende oben bleiben werden“, sagt Magath. St. Pauli und der HSV dürften letztlich mehr Substanz zu bieten haben.
Sollte der HSV für den Aufstieg seine Taktik ändern? Magath muss bei dieser Frage schmunzeln. In seiner Antwort steckt viel Ironie: „Wenn ich das richtig verstehe, macht beim HSV jetzt der Vorstand die Taktik. Das finde ich innovativ und ein hoch spannendes Experiment.“ Er hoffe, dass es gut gehe. Denn der HSV liegt Magath immer noch am Herzen.