Hamburg. Die Toptalente der Hamburger Topclubs kämpfen kurz vor dem Stadtderby gemeinsam um einen historischen DFB-Erfolg.
Es ist noch früh in Deutschland, wenn Eric da Silva Moreira und Bilal Yalcinkaya am Dienstag um eine historische Chance kämpfen. Um 9.30 Uhr (Sky Sports News) deutscher Zeit spielen die beiden 17 Jahre jungen Hamburger Talente im Manahan Stadion der indonesischen Stadt Surakarta mit der U-17-Nationalmannschaft gegen Argentinien um das WM-Finale. Gelingt der Mannschaft von Trainer Christian Wück nach dem überraschenden 1:0 im Viertelfinale gegen Spanien der nächste Coup, stünde erstmals seit 1987 wieder eine U-Mannschaft des DFB im Endspiel einer Weltmeisterschaft.
Entsprechend groß sind auch der Stolz beim FC St. Pauli und beim HSV. Während die beiden Stadtrivalen am Freitagabend am Millerntor noch das 110. Stadtderby austragen, könnten ihre größten Talente einen Tag später Weltmeister werden – oder zumindest am Tag des Derby um Platz drei spielen.
Yalcinkaya und da Silva Moreira spielten zusammen bei St. Pauli
Rechtsverteidiger da Silva Moreira, seit 2015 in der Jugend von St. Pauli, ist unter Wück gesetzt und wurde bereits im Juni Europameister. Yalcinkaya, der einst noch zusammen mit da Silva Moreira bei St. Pauli spielte, ehe er 2017 zum HSV wechselte, hat sich seit seiner Nachnominierung immer näher an die Startelf herangespielt. Unter anderem durch sein 3:2-Siegtor im Achtelfinale gegen die USA – eine Minute nach seiner Einwechslung.
Bei den Profis der Hamburger Zweitligisten spielen die beiden Toptalente aktuell allerdings keine Rolle. Offensivspieler Yalcinkaya wurde beim Auswärtsspiel des HSV bei Holstein Kiel (2:4) vor zwei Wochen erstmals für den Kader von Tim Walter nominiert. Auf einen Einsatz wartet er bislang aber ebenso wie da Silva Moreira bei den Profis von St. Pauli. Die Gründe sind verschieden.
Nur vier Spieler spielen nicht bei Bundesligisten
Beide Clubs aber verbindet, dass sie ihre Talente langfristig halten wollen. Während der HSV und Yalcinkaya sich über eine gemeinsame Zukunft über die Saison hinaus einig sind, ist die Lage bei da Silva Moreira komplizierter. Der Schüler vom Sport-Gymnasium Alter Teichweg ist einer der herausragenden Spieler im deutschen Team bei dieser WM. Und neben Yalcinkaya, Finn Jeltsch (1. FC Nürnberg) sowie Ersatztorwart Konstantin Heide (Unterhaching) einer der wenigen Spieler im DFB-Kader, der nicht bei einem Erstligisten unter Vertrag steht.
Das schafft Aufmerksamkeit und Begehrlichkeiten bei größeren Vereinen. „Er war zuvor auch schon ein Auswahlspieler, er gehört zu den Toptalenten seines Jahrganges“, sagt St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann am Montag dem Abendblatt. „Wir haben schon die Hoffnung, dass er einer sein kann, der den nächsten Schritt in den Herrenfußball machen kann.“
Bornemann wirbt für St. Pauli als Ausbildungsverein
Das Problem für den FC St. Pauli: Der Vertrag mit da Silva Moreira endet im Sommer. Gleichzeitig sollte der Junge dann im Frühjahr sein Abitur bestanden haben, nachdem er die elfte Klasse übersprungen hat. Der Sohn einer Polin und eines Portugiesen aus Guinea-Bissau ist dann frei. Zum Stand der Gespräche und dem Aufzeigen von Zukunftsperspektiven beim Tabellenführer der Zweiten Liga sagt Bornemann nichts. Er verweist aber auf Studien aus den europäischen Topligen, mit denen auch St. Pauli argumentieren wird: „Die größte Chance und Wahrscheinlichkeit sich im Herrenbereich durchzusetzen und den Übergang aus der Jugend zu schaffen hat man mit einer möglichst langen Verweildauer im Ausbildungsverein.“
Allerdings hatte da Silva Moreira bereits im Sommer eine Anfrage des VfB Stuttgart sowie ein konkretes Angebot des 1. FC Union mit einem Ablöseangebot von rund einer Million Euro vorliegen, das er gerne annehmen wollte. St. Pauli lehnte aber ab. Und das Toptalent, das noch beim Trainingsstart zu Saisonbeginn mit den Profis auflief, tauchte lange Zeit ab.
In den ersten sechs Spielen der U-19-Bundesliga stand er nicht im Kader, erst Ende September tauchte er dort wieder auf. Beim Profitraining war er noch nicht wieder. Warum? „Dass Spieler, die mit 15, 16 Jahren auf sich aufmerksam machen, in den Fokus auch von internationalen Scouts geraten, ist inzwischen völlig normal“, sagt Bornemann, „entscheidend ist, wie geht man damit um, nicht nur der Verein, sondern auch das Umfeld des Spielers.“
Bevor da Silva Moreira vor acht Jahren aus der Jugend des SC Victoria zum FC St. Pauli wechselte, hatte auch der HSV den Außenverteidiger auf dem Zettel. Da war er aber schon zu spät dran. Die beiden Hamburger Proficlubs befinden sich in einem ständigen Wettbewerb um die größten Talente im norddeutschen Raum. Immer wieder kommt es dabei auch zu Seitenwechseln, wie bei Yalcinkaya oder auch HSV-Nachwuchsprofi Tom Sanne (19), der vor zwei Jahren von St. Pauli zum Stadtrivalen ging.
Das Werben der Bundesligisten geht immer früher los
Das größte Problem der beiden Clubs ist aber mittlerweile nicht die Konkurrenz in der eigenen Stadt, sondern die großen Clubs aus der Bundesliga, die immer früher versuchen, die besten Talente mit finanziellen Mitteln zu locken. So verlor der HSV mit Leo Garcia (Borussia Dortmund), David Leal Costa (VfL Wolfsburg) oder Bilal Damala (RB Leipzig) allein in der vergangenen Saison drei seiner größten Nachwuchshoffnungen an zahlungskräftige Bundesligisten.
Umso schwieriger ist es für Clubs wie St. Pauli oder den HSV, in den wichtigsten deutschen U-Mannschaften vertreten zu sein. Dass beide nun bei der U-17-WM in einem Halbfinale dabei sind, ist für die Hamburger Vereine Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist es eine Auszeichnung für die Jugendarbeit, andererseits werden weitere Topclubs auf die Spieler aufmerksam. Die Tribünen sind auch beim U-17-Turnier in Indonesien voll von Scouts und Spielerberatern.
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Auch diese Jagd auf Talente war einer der Gründe, warum sich der FC St. Pauli entschieden hat, in Zukunft am Nachwuchsleistungszentrum nicht mehr mit Beratern zusammenzuarbeiten. „Eine hohe Fluktuation der Vereine im Übergang zum Herrenbereich verhindert das Durchsetzen“, sagt Bornemann, „unsere Empfehlung ist immer, das Handeln danach auszurichten.“ Das gelte natürlich auch für Eric da Silva Moreira. „Unsere Idee ist, Eric lange in seiner Entwicklung zu begleiten“, sagt Bornemann.
Am Dienstag kämpfen da Silva Moreira und Yalcinkaya zunächst Seite an Seite für den größten Erfolg in der jüngeren Geschichte des deutschen Nachwuchsfußballs. Möglicherweise sehen sich die beiden 17-Jährigen dann beim Rückspiel zwischen dem HSV und St. Pauli im Volksparkstadion wieder, wenn sie auch bei den Profis eine größere Rolle spielen. Womöglich dann sogar im Duell der Weltmeister.