Hamburg/Glasgow. HSV-Vizekapitän zeigte sich am Sonntag mit einem dicken Verband am linken Arm. Die Startelf stellt sich am Freitag fast von allein auf.

Ludovit Reis lächelte, als er am frühen Sonntagnachmittag die Bühne vor dem Volksparkstadion betrat. Es war kein gequältes Lächeln, doch den rund 2000 Fans, die am Sonntag trotz des Dauerregens zur Saisoneröffnungsfeier des HSV gekommen waren, war der Schock anzusehen.

Reis, der sich am Sonnabend bei der 1:2 (0:2)-Testspielniederlage bei den Glasgow Rangers an der Schulter verletzt hatte, warf mit der rechten Hand einen Ball ins Publikum, während sein gesamter linker Arm in einer dicken Bandage steckte, zusätzlich von einer Armschlinge stabilisiert wurde.

HSV News: Reis-Verletzung für Walter "ein Schreck"

„Es war für uns alle ein Schreck“, sagte Trainer Tim Walter am Sonntag. Der Niederländer soll an diesem Montag im UKE untersucht werden, ein MRT-Scan Aufschluss über die Ausfallzeit geben. „Wir müssen abwarten“, sagte Walter, der allerdings genau wusste, dass er Reis für den Zweitligaauftakt gegen den FC Schalke 04 am Freitagabend (20.30 Uhr) vermutlich eher nicht einplanen kann.

Es war laut im Ibrox-Stadion. Richtig laut. 46.542 Zuschauer, Wechselgesänge, dazu eine riesige Choreo der Rangers-Anhänger beeindruckten am Sonnabendnachmittag nicht nur HSV-Trainer Tim Walter („Einfach Wahnsinn“). Das Schimpfwort, das der frustrierte Reis während seiner Auswechslung in der 57. Minute in den schottischen Himmel brüllte, war dennoch gut zu verstehen.

Wie sich Reis verletzte, ist unklar

„Ich habe es selber gar nicht genau gesehen. Ludo lag auf einmal abseits des Spielgeschehens auf dem Boden“, sagte Walter über die Szene, als sein Vizekapitän plötzlich in der Mitte des Spielfelds auf dem Rücken liegenblieb und die Ärzte hektisch zu sich winkte.

Nur mit der Hilfe von Physiotherapeut Andreas Thum und Teamarzt Götz Welsch konnte der 23-Jährige den Platz verlassen, den Oberkörper stark gekrümmt, fasste er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht immer wieder an die Schulter. Auch Welsch legte immer wieder die Hand auf den Schulter-, und Schlüsselbeinbereich.

„Der Doc wusste auch noch nicht so richtig, was los ist“, sagte Torhüter Daniel Heuer Fernandes nach der Partie. „Wir brauchen Ludo am Freitag.“ Daraus dürfte allerdings nichts werden. Die wahrscheinlichste Variante ist, dass Laszlo Benes Reis ersetzen wird.

Nächster personeller Rückschlag

Es ist der nächste Rückschlag für den HSV, dem in Reis, Miro Muheim, Kapitän Sebastian Schonlau (beide Wade) sowie Rechtsverteidiger William Mikelbrencis nun vier Spieler fehlen, die gute Startelfchancen am Freitag im Volksparkstadion gehabt hätten.

Muheim trainierte am Sonntag weiter nur individuell mit dem Ball, Schonlau war gar nicht draußen. Beide haben fast die gesamte Vorbereitung verpasst. „Es hat damit zu tun, dass wir eine kurze Pause hatten und eine intensive Saison“, sagte HSV-Vorstand Jonas Boldt am Sonntag.

Insbesondere der erst 19 Jahre alte Mikelbrencis, der in der vergangenen Saison keine Rolle gespielt, in der Saisonvorbereitung nun aber überzeugt hatte, dürfte sich ärgern. Am Freitag hatte sich der Außenverteidiger im Training eine Muskelverletzung im Bereich der rechten Hüfte zugezogen. Die MRT-Untersuchung bestätigte, dass der Franzose wochenlang fehlen wird.

Heyer dürfte gegen Schalke beginnen

Gegen Schalke dürfte Trainer Walter aus Mangel an Alternativen auf die Viererkette setzen, die er im Ibrox das erste Mal in dieser Konstellation aufbot. Obwohl Rechtsfuß Moritz Heyer als Linksverteidiger in der Vorbereitung bisher nicht überzeugen konnte – in Glasgow war er zumindest ohne Schuld an den Gegentreffern – , scheint der Allrounder gesetzt. Youngster Nicolas Oliveira Kisilowski unterschrieb am Freitag zwar seinen ersten Profivertrag, spielte am Sonnabend trotz guter Vorbereitung aber nur etwa eine Viertelstunde.

Im Abwehrzentrum sind, sollte Schonlau nicht rechtzeitig fit werden, die Neuzugänge Dennis Hadzikadunic und Guilherme Ramos aller Voraussicht nach gesetzt. Bei den Rangers spielte das neue Duo erstmals zusammen.

Guilherme Ramos (l.), hier im Duell mit Abdallah Sima, gab am Sonnabend sein HSV-Debüt.
Guilherme Ramos (l.), hier im Duell mit Abdallah Sima, gab am Sonnabend sein HSV-Debüt. © WITTERS | TimGroothuis

„Wir arbeiten noch nicht lange zusammen, aber ich merke bereits, dass wir eine Verbindung haben. Wir beide versuchen, den Spielstil immer besser zu verstehen. Aber ich denke, dass wir ziemlich schnell lernen“, sagte Ramos, der gegen den 55-maligen schottischen Meister erstmals nach seinem Ende April erlittenen offenen Schlüsselbeinbruch ein Fußballspiel bestritt. „Wir sind beide mehr als bereit für Schalke. Natürlich gibt es noch Dinge zu verbessern, aber es war ein gutes Gefühl, 90 Minuten zu spielen.“

Licht und Schatten in der Abwehr

Bei der verdienten Niederlage gegen den schottischen Vizemeister überzeugten Ramos und Hadzikadunic durch Zweikampfhärte, offenbarten allerdings auch Schwächen. „Wir haben viele Sachen gesehen, die positiv waren. Wie wir dagegengehalten haben, wie wir unseren Spielaufbau mit klaren Aktionen gestaltet haben“, sagte Heuer Fernandes. „Nicht so gut war, wie die Tore fallen. Das war zu einfach und leider zu fehlerbehaftet. Dann passieren aus einem klaren Ballbesitz von uns zu einfach Tore.“

Vor dem 0:1 durch Glasgows Fashion Sakala (38.) war Ramos am eigenen Strafraum unter Pressingdruck geraten, weil er ins Dribbling gegangen war. Der kurze Rückpass zum überraschten Reis geriet dann zum Fiasko, als der Niederländer den Ball durch seine Beine laufen ließ und Sakala dazwischen spritzte. Vor dem 0:2-Elfmetertreffer (45.+1) durch Rangers-Kapitän James Tavernier war es ebenfalls Ramos, der bei einer Grätsche zu spät kam und Sakala am Bein erwischte.

Van der Brempt deutete sein Potenzial an

Auch der erst in der vergangenen Woche von RB Salzburg ausgeliehene Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt zeigte ein Debüt mit Höhen und Tiefen. „Igni hat rechts hinten viel Dampf gemacht und viele Situationen durch sein Tempo und cleveres Spiel gelöst“, lobte Heuer Fernandes.

Zur Wahrheit gehörte allerdings auch, dass mehrere gefährliche Angriffe über die Seite des 21 Jahre alten Belgiers auf das HSV-Tor zurollten. „Weil wir so das erste Mal zusammengespielt haben, hat noch ein bisschen Abstimmung gefehlt“, sagte Heuer Fernandes.

Spielt sich die zusammengewürfelte Abwehrreihe weiter ein, könnten die Neuzugänge zu Verstärkungen werden. „Die Jungs haben es gut gemacht. Man darf nicht vergessen, dass sie in den letzten Monaten alle nicht viel Spielpraxis hatten. Mit Ball sah das hinten heraus schon ordentlich aus“, sagte auch Walter. „Ich denke, man hat bei allen Dreien gesehen, was unsere Idee hinter den Verpflichtungen war. Jetzt müssen wir ihnen weiter unsere Spielphilosophie vermitteln.“

Offensiv war vor allem der zur Pause für den völlig wirkungslosen Levin Öztunali eingewechselte Jean-Luc Dompé der beste HSV-Profi, der Franzose erzielte per sehenswertem Freistoß (90.+1) den Hamburger Ehrentreffer. Zudem feierte Stürmer Andras Nemeth nach seinem im April erlittenen Knöchelbruch sein Comeback.

Angesichts des Reis-Ausfalls waren das aber nur Nebenaspekte.