Hamburg. Verlängert der Offensivspieler im Volkspark noch einmal seinen Vertrag? In Kürze kommt es zum entscheidenden Treffen.

Vor neun Monaten hatte Jan-Michel Deutsch eine Idee. Der Sänger der HSV-Band Abschlach!, besser bekannt als Muchel, wollte zusammen mit seinen Kollegen des Podcasts „HSV – meine Frau“ eine Folge mit Sonny Kittel aufnehmen. Dass der Mittelfeldspieler des HSV zuvor seit zwei Jahren kein öffentliches Interview mehr gegeben hatte, war Muchel gar nicht bewusst. Über einen Kollegen nahm er Kontakt zu Kittel auf – und bekam tatsächlich eine Zusage. Eine Stunde und fünf Minuten sprach der HSV-Profi über sich und sein Leben und zeigte sich von einer Seite, die man so noch nicht kannte.

„Sonny ist ein feiner Kerl, der das Herz am rechten Fleck trägt“, sagt Muchel neun Monate später. Der Nichtaufstieg des HSV ist seit drei Tagen besiegelt und die Enttäuschung beim HSV-Fan noch immer groß. Trotz des Tores von Kittel im Relegationsrückspiel gegen den VfB Stuttgart zum frühen 1:0 hat es mal wieder nicht gereicht. Auf den Rängen sangen die Anhänger noch während der Zweiten Halbzeit das HSV-Lied „Mein Hamburg lieb ich sehr“ von Muchel und seiner Band.

Sonny Kittel lehnte Gespräche über Verlängerung mit HSV ab

Drei Tage später steckt der HSV bereits mitten in der Planung für die kommende Zweitligasaison. Und eine der entscheidenden Fragen im Volkspark lautet: Bleibt Kittel doch noch beim HSV oder nicht? Der Vertrag des 30-Jährigen läuft am 30. Juni aus. Zwischenzeitlich sah es im Laufe der Rückrunde so aus, als ob es keine gemeinsame Zukunft mehr geben werde. Kittel selbst hatte Gespräche über eine Vertragsverlängerung abgelehnt.

Nach acht Scorerpunkten in den letzten elf Pflichtspielen der Saison (sechs Tore, zwei Vorlagen) hat sich die Lage aber wieder verändert. Eine Verlängerung scheint von beiden Seiten doch wieder möglich zu sein. Auf die Frage, ob er beim HSV bleibt, sagte Kittel nach dem Rückspiel gegen Stuttgart bei Sky: „Das weiß ich noch nicht. Gesprochen haben wir noch nicht. Mal schauen was draus wird.“

Nach Abendblatt-Informationen wird sich Sportvorstand Jonas Boldt in Kürze mit Kittels Berater Alen Augustincic zusammensetzen. Der HSV ist nicht abgeneigt, den früheren Frankfurter noch länger an sich zu binden. Insbesondere Boldt hat den Techniker über all seine vier Jahre immer wieder gestützt. Der Manager war es, der Kittel im Sommer 2019 ablösefrei aus Ingolstadt holte. Was kaum jemand wusste: Nach vier schweren Knieverletzungen fiel Kittel beim HSV zunächst durch den Medizincheck. Boldt war es, der trotzdem auf einen Transfer drängte. Und zumindest die Zahlen sprechen für sich. Kittel war seitdem fast nie verletzt. In vier Jahren brachte er es in 140 Pflichtspielen für den HSV auf 76 Scorerpunkte (36 Tore/40 Vorlagen). Eine eindrucksvolle Quote. Und trotzdem scheiden sich an Kittel immer wieder die Geister.

Kittel kann sich vorstellen, beim HSV zu verlängern

„In den vergangenen Wochen haben die HSV-Fans wieder gemerkt, was sie an Sonny haben“, sagt Abschlach!-Sänger Muchel, der in Sandhausen dabei war, als sowohl er selbst als auch Kittel für einen Moment glaubten, dass der Aufstieg geschafft sei. Wer den HSV-Spieler in diesem Moment jubeln sah, der konnte sich davon überzeugen, wie viel ein Aufstieg dem Offensivspieler bedeuten würde. „Jeder der mich kennt, der weiß, dass ich mich wohlfühle in Hamburg“, sagte Kittel nun bei Sky. Ob er Lust habe, weiterhin für den HSV zu spielen? „Auf jeden Fall.“

In der Winterpause sah das noch anders aus. Kittel wollte nach Saudi-Arabien wechseln. Natürlich spielte das lukrative finanzielle Angebot die Hauptrolle. Doch Boldt legte sein Wechsel-Veto ein. Kittel wirkte beleidigt und ließ sich im Training hängen. Selbst Trainer Tim Walter, sein wohl größter Unterstützer, verzichtete wochenlang auf den torgefährlichen Profi. Bei den Fans kam Kittels Einstellung nicht gut an. Während die Mannschaft nach den Siegen mit den Anhängern feierte, zeigte Kittel keinen Ausdruck von Freude. „Sonny ist sehr sensibel. Er lässt Kritik zu nah an sich ran“, sagt Muchel, der Kittel etwas genauer kennenlernen durfte. „Er hat sich ein Schutzschild aufgebaut.“

Mit Kittels Leistungssteigerung im zweiten Teil der Rückrunde drehte sich auch bei den Anhängern wieder die Stimmung. „Einen Kittel in der Form der vergangenen Wochen wünscht sich doch jeder Fan in seine Mannschaft“, sagt auch Muchel. „Ich würde mich freuen, wenn Sonny beim HSV bleibt.“

Der Ball liegt bei Kittel und seinem Berater

Entscheidend wird in den Gesprächen sein, wie Kittel seine Rolle innerhalb des Teams definiert. In den vergangenen Monaten soll er sich über fehlende Wertschätzung beklagt haben. Das sieht man beim HSV anders. Boldt will nicht nur von Kittel ein klares Commitment. Der Ball liegt also bei Kittel und dessen Berater. Das gilt genauso für Stürmer Robert Glatzel, dem Angebote anderer Clubs vorliegen sollen.

Verabschiedet wurde Kittel beim HSV jedenfalls noch nicht. Am Dienstag postete er auf seiner Instagram-Seite ein Foto seines Tores gegen Stuttgart und schrieb dazu: „Danke an jeden, der gestern im Stadion war, für diese weltklasse Atmosphäre und Unterstützung.“ Nach dem Spiel lief er mit seiner dreijährigen Tochter auf dem Arm durch die Stadionkatakomben. „Sonny ist ein sehr familiärer Typ. Seine Familie ist extrem wichtig für ihn“, sagt Muchel.

Große Analyse um Walter und Boldt: Warum reichte es nicht?

Glatzel, Reis und Kittel: Welche Achsen verlassen den HSV?

Geht Leistungsträger von Bord? HSV-Profi reagiert emotional

Nun muss Kittel entscheiden, ob er auch künftig ein Teil der HSV-Familie bleiben will. „Wenn er wechselt, dann kann ich mir nur das Ausland vorstellen. Ich bin gespannt“, sagt HSV- und Kittel-Unterstützer Muchel, der in der kommenden Saison wieder vor der Nordtribüne singen wird. Sein Tipp: „Ich glaube, dass auch Sonny dann noch dabei ist.“