Sotogrande. Verteidiger Sebastian Schonlau erklärt, wieso er in Hamburg ein anderer Kapitän ist als zuvor in Paderborn.
Kurz vor dem Beginn des Interviews wird es Sebastian Schonlau ein bisschen heiß. Nicht die bevorstehenden Fragen, sondern knapp 20 Grad Celsius und purer Sonnenschein ließen den HSV-Kapitän fast etwas ins Schwitzen kommen.
„Hier lässt es sich aushalten“, sagt Schonlau, als er über die schicke Außenanlage des „SO/Sotogrande Spa & Golf Resort“ schlendert und einen Blick auf das Mittelmeer wirft. Vor der 2:6-Testspielniederlage gegen den SC Freiburg nahm sich der 28-Jährige für das Abendblatt Zeit, um über seine Rolle als Anführer, Mannschaftsabende in den USA und Carles Puyol zu sprechen.
Hamburger Abendblatt: Herr Schonlau, Mario Vuskovic fehlt nach seinem positiven Dopingtest, Jonas David hat einen Muskelfaserriss. Wie fühlt es sich für Sie zurzeit als einziger fitter Profi-Innenverteidiger an?
Sebastian Schonlau: Natürlich hätte ich gerne beide Jungs bei mir. Jonas wird zum Glück nicht so lange fehlen, bei Mario ist es ein anderes Thema. Valon Zumberi und Luis Seifert haben jetzt die Aufgabe, sich im Training zu zeigen. Mit Moritz Heyer haben wir aber auch noch einen Spieler, der in der Innenverteidigung spielen kann. Und Jonas Meffert kann sowieso alles (lacht).
Vor dem Trainingslager haben Sie sich klar hinter Mario Vuskovic gestellt, indem Sie gesagt haben: „Mario gehört zu uns, egal, was beim Urteil rauskommen wird.“ Woher kam diese Deutlichkeit?
Ich habe mir den Satz nicht zurechtgelegt. Das ist einfach mein Gefühl und auch das Gefühl, das ich innerhalb der Mannschaft spüre. Er gehört nun mal zu uns. Es ist einfach traurig, dass er momentan nicht bei uns sein kann. Wir versuchen trotzdem, mit ihm in Kontakt zu bleiben.
Inwiefern ist es auch Ihre Aufgabe als Kapitän, mit solchen Aussagen innere Geschlossenheit zu demonstrieren?
Man redet immer viel davon, dass eine Fußballmannschaft wie eine Familie ist. Wenn man aber nur davon spricht und das nicht mit Leben füllt, hat man keinen Erfolg. Wir achten darauf, dass dieser innere Kreis nicht gestört wird. Wir wollen uns nicht negativ von außen beeinflussen lassen. Das ist aber nicht nur meine Aufgabe, sondern die der ganzen Mannschaft.
Wie hat sich dieses Mannschaftsgefühl seit Ihrem Wechsel zum HSV vor eineinhalb Jahren entwickelt?
Ich glaube, dass wir uns nicht nur auf dem Platz, sondern auch menschlich immer mehr gefunden haben. Der Großteil der Mannschaft ist jetzt seit eineinhalb Jahren hier, viele Eckpfeiler sind in der Zeit geblieben. Das war ganz wichtig. Wenn ich sehe, wie viele Fans in dieser Saison ins Stadion kommen – ganz egal, wer der Gegner ist und wann wir spielen –, tut das richtig gut. Die Stimmungslage beim HSV war schon mal deutlich schlechter. Die Fans merken auch, dass es nicht mehr so ist wie in der Vergangenheit, als einzelne Verantwortliche irgendeine Idee hatten. Hier ziehen mittlerweile alle an einem Strang.
Wie nehmen Sie als Kapitän Einfluss auf die Stimmung?
Wir machen natürlich hin und wieder unsere Mannschaftsabende, auch während der USA-Reise war der eine oder andere dabei. Wir hatten dort viele Highlights, die auch nicht unbedingt in der Zeitung landen sollten (lacht). Diese Reise hat uns als Team enorm weitergebracht. Da ging es in Gesprächen auch mal nicht nur um Fußball, sondern um alle möglichen Themen. Es tut gut, wenn man miteinander auch mal über irgendeinen Schwachsinn quatschen kann. Diese Momente muss man mitnehmen. Jeder Spieler soll sich bei uns wohlfühlen und den Freiraum bekommen, sich hier auszuleben. Bei uns muss keiner Angst haben, ausgelacht zu werden. Und wenn doch mal einer ausgelacht wird, nehmen wir ihn danach wieder in den Arm.
Mit Paderborn sind Sie 2019 schon mal in die Bundesliga aufgestiegen. Lässt sich die aktuelle Stimmung in der Mannschaft mit der Saison von damals vergleichen?
Die Stimmung war ähnlich, in Paderborn waren aber die Voraussetzungen ganz anders. Dort fällt es – bei allem Respekt – nicht so sehr ins Gewicht wie in Hamburg, wenn man mal ein Spiel verliert. Damals war es eine große Überraschung, dass wir den Aufstieg geschafft haben. In unserem Fall jetzt wäre es das nicht. Trotzdem glaube ich, dass wir ein ähnlich guter Haufen sind, wie wir es damals in Paderborn waren.
Wie haben Sie sich persönlich auch als Anführer beim HSV weiterentwickelt?
Ich bin hier ein anderer Kapitän, als ich es noch in Paderborn war. In Hamburg kannte mich anfangs keiner, wodurch ich mich ein bisschen neu erfinden konnte. Ich nehme meine Aufgaben hier auf und neben dem Platz anders wahr, spreche deutlich mehr mit den Jungs über fußballerische Themen und auch darüber hinaus. Wenn es beim Training mal nicht läuft, kann ich auch mal lauter werden, um den Jungs zu helfen. Das alles tut mir persönlich extrem gut, mir gefällt diese Verantwortung.
Was war für Sie in Paderborn anders?
In Paderborn kam ich aus der eigenen Jugend, mich kannten da alle schon seit einer halben Ewigkeit. Deshalb war es schwer, diesen Jugendspieler-Status komplett abzulegen. Natürlich hat mich mit 25 Jahren keiner mehr als Jugendspieler gesehen. Trotzdem wussten alle noch, wer der kleine Basti war. Beim HSV bin ich nicht mehr der kleine Basti, sondern der große Bascho, wenn man das so sagen will (lacht).
Welche Schlüsselmomente gab es auf diesem Weg zum großen Bascho?
Persönlich hat mir die Leihe zum SC Verl sehr gutgetan, auch wenn es damals in der Regionalliga sportlich überhaupt nicht so lief, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich habe nicht so viel gespielt, und ich war mir auch nicht sicher, ob die Karriere danach noch großartig weiter nach oben gehen würde. Ich habe aber gemerkt, wie ich in dieser Saison 2014/15 selbstbewusster geworden bin und es auch innerhalb der Mannschaft auf einmal geschafft habe, meine Meinung zu vertreten.
Welche berühmten Spieler kommen Ihnen beim Wort „Anführer“ in den Sinn?
Es gibt diese eine Szene von Puyol beim FC Barcelona, als Piqué von Real-Madrid-Fans mit einem Feuerzeug beworfen wurde und sich vor Schmerzen gekrümmt hat. Als Piqué dem Schiedsrichter das Feuerzeug zeigen wollte, hat Puyol es ihm aus der Hand gerissen und an den Spielfeldrand geworfen, weil er weiterspielen wollte. Das hat mir gut gefallen. Grundsätzlich bin ich aber Fan von Sergio Ramos. Der ist ein Anführer, wie er im Buche steht. Als Kapitän muss man vorangehen – und zwar nicht nur, wenn die Sonne scheint, sondern auch, wenn es mal regnet. Nur dann ziehen die anderen Jungs voll mit.