Los Angeles. Erstmals nach zwölf Jahren schreibt der HSV wieder positive Zahlen. Doch für das Volksparkstadion fehlen weiter 20 Millionen Euro.
Die Reise nach Kalifornien begann für den HSV mit einem Highlight. Als es am Montagmorgen in Deutschland hell wurde, saß die Mannschaft an ihrem ersten Abend in Los Angeles in der Crypto.com Arena und schaute sich vor 18.040 Zuschauenden in einer Loge die NBA-Partie zwischen den Los Angeles Lakers und den Brooklyn Nets an (116:103).
Im Lauf der Woche geht es für die Hamburger auf ihrer Marketingreise noch zum Footballmatch des NFL-Teams Los Angeles Chargers gegen die Kansas City Chiefs, zum College Football, aber auch zu einer Hollywood-Tour und einer Rundfahrt durch den Hafen der Stadt der Engel.
HSV bekommt Reisezuschuss von der DFL
Beim Blick auf das Wochenprogramm müsste Eric Huwer als Verantwortlicher der HSV-Finanzen normalerweise ein paar Nachfragen stellen. Neun Tage verbringt sein Club im kalifornischen Anaheim und nächtigt dort im Luxushotel Hilton fußläufig zu Disneyland. Doch Huwer hat die Rechnung bereits abgesegnet. Weil die Reise von der Deutschen Fußball Liga (DFL) mit 100.000 Euro bezuschusst wird, fallen bei den Hamburgern keine Mehrkosten an.
Ein ausgeglichenes Ergebnis war für Huwer (38) und den HSV auch am Montag in Hamburg ein großes Thema. Dass der Club das abgelaufene Geschäftsjahr 2021/22 (Stichtag: 30. Juni 2022) erstmals seit zwölf Jahren wieder mit einer schwarzen Null abschließen würde, war bereits bekannt. Am Montag konnte der Club seine Bilanz nun sogar mit einem Jahresüberschuss veröffentlichen. Die HSV Fußball AG erwirtschaftete bei einem Umsatz von 89,0 Millionen Euro (zuvor 55,8 Millionen) einen Gewinn von 1,05 Millionen Euro. Die Erlöse aus dem Spielbetrieb beliefen sich trotz Corona-Einschränkungen auf 22,6 Millionen Euro.
HSV mit bestem Ergebnis seit zehn Jahren
„Wir sind raus aus der ökonomischen Abwärtsspirale“, sagte Huwer, der zwar seit 2014 in der Finanzabteilung des HSV arbeitet, acht Jahre später aber als COO (Chief Operating Officer, oberster Manager aller operativen Geschäfte des Unternehmens) erstmals die Zahlen präsentieren durfte. Und das gleich mit dem besten Ergebnis seit mehr als einem Jahrzehnt.
Elfmal in Folge hatte der Club am Ende des Geschäftsjahres ein Minus stehen. Zuletzt war es ein Fehlbetrag von 4,7 Millionen Euro. Gründe für das gute Ergebnis sind vor allem die ungeplanten Zusatzeinnahmen dank des Erreichens des Halbfinales im DFB-Pokal (4,0 Millionen Euro) sowie der Relegation gegen Hertha BSC, die zwar verloren wurde, hier das ausverkaufte Volksparkstadion jedoch für rund 2,5 Millionen Euro Mehreinnahmen sorgte. „Diese Jahreszahlen wurden durch die sportliche Entwicklung und der damit einhergehenden Effekte maßgeblich positiv beeinflusst“, sagte Huwer.
HSV baut Verbindlichkeiten ab und Eigenkapital auf
Neben dem Betriebsgewinn gab es weitere gute Daten. Der HSV konnte seine Schulden weiter ab- und das Eigenkapital aufbauen. Die Verbindlichkeiten verringerten sich im Vergleich zum Vorjahr von 69,4 auf 54,1 Millionen Euro. Verantwortlich dafür sind die planmäßigen Tilgungen des bis 2026 laufenden Schuldscheindarlehens, eines weiteren Darlehens sowie die erstmalige anteilige Rückzahlung der 2019 aufgesetzten Fananleihe, die ebenfalls 2026 vollständig zurückgezahlt werden muss. Mit dem Anteilskauf der AMPri Handelsgesellschaft im März dieses Jahres von Gesellschafter Thomas Böhme, der auch in Kalifornien dabei ist, gelang dem Club zudem die Erhöhung des Eigenkapitals von 31,8 auf 35 Millionen Euro.
Zum Vergleich: Die Bundesligaaufsteiger Werder Bremen (Minus 20,3 Millionen Euro) und Schalke 04 (Minus 88,8 Millionen) haben sogar negatives Eigenkapital in ihren Bilanzen stehen. Vier Jahre Zweite Liga hatten für den HSV insofern auch etwas Gutes, als dass der Club seine Ausgabenstruktur gesunden konnte. „Wir haben unsere wirtschaftliche Atmungsfähigkeit erhöht“, sagte Huwer.
HSV: Volksparkstadion sorgt für Anspannung
Ganz so rosarot, wie die wirtschaftliche Lage vom HSV in einem clubeigenen Interview mit Huwer dargestellt wird, ist sie allerdings nicht. Die notwendige Sanierung des Volksparkstadions für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland sorgt innerhalb des Clubs weiter für Anspannung.
Der HSV hatte zwar für den Verkauf des Stadiongrundstücks vor zwei Jahren 23,5 Millionen Euro von der Stadt Hamburg erhalten, um diese Mittel für die Sanierung zu verwenden. Bekanntermaßen wurde das Geld vor allem für die finanziellen Lücken genutzt, die 2020/21 die Corona-Pandemie verursachte.
HSV muss weitere Millionenkredite aufnehmen
Immerhin: Ganz aufgebraucht ist das Geld nicht, wie aus der nun veröffentlichten Bilanz hervorgeht. Die übrig gebliebenen 9,8 Millionen Euro hat der HSV bereits in den ersten Bauabschnitt für die Stadionrenovierung investiert. Damit kann die Stromversorgung im sogenannten Catwalk unter dem Dach sowie die Modernisierung des Flutlichts und der Beschallungsanlage bezahlt werden.
Für die Erneuerung der Dachmembran sowie der Sanitäranlagen, Rollstuhlparkplätze und eine neue Klimaanlage muss der HSV aber weitere Kredite von rund 20 Millionen Euro aufnehmen. Die neue Dachmembran ist eine Vorgabe des Bezirks, für die von der Uefa vorgeschriebenen Sanierungen fehlen rund zehn Millionen Euro.
HSV: Wüstefeld durchkreuzte Huwers Pläne
Vor einem Jahr hatte Huwer gemeinsam mit dem damaligen Finanzvorstand Frank Wettstein einen Plan entwickelt, woher dieses Geld kommen soll. Die beiden trafen sich im Dezember mit mehreren Privatinvestoren, die ihr Geld bereits 2016 in das Schuldscheindarlehen anlegten. Doch mit dem Wechsel von Thomas Wüstefeld vom Aufsichtsrat in den Vorstand Anfang Januar änderte sich die Lage.
Wüstefeld hatte eigene Pläne und durchleuchtete zunächst alle internen Verträge, fahndete nach Einsparmöglichkeiten. Am Ende fand Wüstefeld mit Hauptsponsor HanseMerkur zwar einen Darlehensgeber, aber nicht die notwendigen Bürgen. Auch bei der Stadt Hamburg blitzte Wüstefeld ab. Eine Woche später trat der Unternehmer zurück, nachdem er die Vorwürfe um eine falsche Verwendung seiner akademischen Titel als Doktor und Professor nicht ausräumen konnte.
Huwer wurde als Wettstein-Nachfolger aufgebaut
Die Dissertation von Huwer lässt sich dagegen schnell im Netz finden. Der passende Arbeitstitel für seine Beschäftigung beim HSV: „Der Jahresabschluss von Fußballunternehmen – Die branchenspezifische Rechnungslegung nach HGB dargestellt am Beispiel des Lizenzfußballs“. Die Arbeit wurde 2013 im Berliner Erich Schmidt Verlag veröffentlicht.
In der Ära des langjährigen Finanzvorstands Wettstein (2014 bis 2022), der den Club Anfang Januar ein halbes Jahr vor Ablauf seines Vertrags verlassen hatte, wurde Huwer seit 2014 als potenzieller Nachfolger Wettsteins aufgebaut. Eigentlich war sich der Aufsichtsrat im Dezember 2021 schon einig, dass der frühere Vorstandsassistent der Allianz AG vom Finanzdirektor zum Finanzvorstand des HSV aufsteigt, doch insbesondere Präsident Marcell Jansen setzte sich dafür ein, dass es Wüstefeld selbst macht – pro bono, wie der Club damals mitteilte.
HSV: HanseMerkur-Darlehen bleibt ein Thema
Mehr als zehn Monate später ist die kurze Vorstandsära Wüstefeld Geschichte. Viele Probleme aber sind geblieben. Wegen seiner internen Machtkämpfe hat der HSV viel Zeit verloren. Die Kreditzinsen bei Banken sind inzwischen um drei Prozent gestiegen. Zudem sind die Baukosten in den vergangenen Monaten teurer geworden. Huwer, der nach dem Wüstefeld-Aus nun wieder ein Kandidat für einen Vorstandsposten ist, sucht nach Lösungen.
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Das Darlehen der HanseMerkur ist noch immer ein Thema. Investor Klaus-Michael Kühne hatte im Rahmen seines 120-Millionen-Euro-Programms angeboten, die Kosten zu übernehmen, wenn er seine Anteile auf 39,9 Prozent erhöhen könnte. Doch die Umsetzung dieses Plans im Rahmen einer Rechtsformänderung würde zu lange dauern und bedarf zunächst die Zustimmung der Mitglieder.
Etliche Finanzierungsmodelle bereits vorbereitet
Als wahrscheinlicher gilt daher, dass der HSV neue Kreditgeber findet. Dass der Club in der Lage ist, seine Schulden zurückzuzahlen, hat er zumindest wieder bewiesen. Dem Vernehmen nach hat Huwer intern inzwischen acht bis zehn alternative Finanzierungsmodelle vorbereitet.
Für den HSV soll das positive Betriebsergebnis 2020/21 erst der Anfang gewesen sein. Auch im laufenden Geschäftsjahr steuert der Club auf einen Gewinn hin – nicht zuletzt dank der Fans, die in der Zweitligahinrunde mit einem Zuschauerschnitt von 50.627 auch den Finanzchef glücklich machten. Kalkuliert hatte Huwer vor der Saison lediglich mit 40.000.
Diese außergewöhnliche Kennzahl darf ohne Zweifel als das mit Abstand beste Ergebnis bezeichnet werden, das der HSV im vergangenen Jahrzehnt erreicht hat.