Hamburg. Das Spiel am Sonntag gegen Rostock sollte zum Fußball-Fest werden. Doch das Nordderby steht ganz im Zeichen der Vereinslegende.
Tim Walter war es anzusehen, wie schwer es ihm fiel, nach dem Tod von HSV-Legende Uwe Seeler über den Zweitliga-Alltag zu sprechen. Mit feuchten Augen sprach der 46 Jahre alte Cheftrainer vor dem Heimspiel am Sonntag (13.30 Uhr, Sky und Liveticker auf abendblatt.de) gegen Hansa Rostock zunächst Seelers Ehefrau Ilka und der Familie sein Mitgefühl aus. "Ich habe so etwas noch nie erlebt. Es ist extrem schwer. Wir haben gestern den größten HSVer aller Zeiten verloren.", sagte Walter.
HSV will Uwe Seelers Tugenden weiterleben
In den vergangenen beiden Tagen war der Tod des Hamburger Ehrenbürgers auch Thema in der Kabine. Auch wenn die Profis zu jung sind, um sich an den Spieler Seeler zu erinnern, sie wissen genau, welche Bedeutung der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft für den Verein und die Stadt hatte. "Wir haben ihn alle nicht kennenlernen dürfen. Es macht mich traurig, dass ich ihn nicht kennenlernen durfte", sagte Walter.
Bei der Erinnerung an die NDR-Reportage über Seelers Leben wurde der HSV-Trainer immer emotionaler. "Es war einfach schön, wie er mit seiner Frau umgegangen ist und mit seiner Geschichte. Das war so normal. Was mir hängen geblieben ist, dass Uwe gesagt hat, dass er die großen Entscheidungen trifft und Ilka die kleinen. Und Ilka entscheidet aber, was eine große und was eine kleine Entscheidung ist. Das war einfach so herrlich", sagte Walter mit zittriger Stimme. Auch ein kleines Lächeln kehrte in diesem Moment zurück in sein Gesicht.
Walter: "Werden Seelers Erbe nie gerecht werden"
Uwe Seeler hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es sein großer Traum war, seinen geliebten HSV wieder in der Bundesliga zu sehen. Beim Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC war Seeler letztmals im Stadion. "Wir werden es nicht schaffen, seinem Erbe gerecht zu werden: Das werden wir niemals schaffen. Die Jungs wissen, was Uwe für ein Spieler war, in welchem Licht er auf der ganzen Welt gesehen wurde. Es wird sicher nicht leicht, aber unsere Fans und die ganze Stadt werden uns unterstützen", sagte Walter mit Blick auf das Rostock-Spiel.
Gemeinsam mit der Mannschaft hat Walter besprochen, dass Seeler ein Vorbild für die Kultur innerhalb der Mannschaft sein muss. "Ich glaube, die Tugenden, die Uwe verkörpert hat, dafür stehen wir ja auch. Das habe ich versucht, der Mannschaft zu erklären und zu zeigen. Respekt voreinander haben, immer alles geben, Energie reinlegen, freundlich sein, Spaß haben. Dafür steht der neue HSV. Die Tugenden hat uns Uwe Seeler über Jahrzehnte beigebracht. Die wollen wir neu aufleben lassen und verkörpern. Wir wollen ihn dadurch ein Stück weit aufleben lassen", sagte Walter.
Walter und Kapitän Schonlau legten Blumen nieder
Bereits am Vormittag hatten Walter und Kapitän Sebastian Schonlau gemeinsam mit Horst Hrubesch (71) sowie Bernd Wehmeyer (70) Blumen und einen Vereinsschal am "Uwe-Seeler-Fuß" vor dem Volksparkstadion nieder, und hielten einen Moment inne.
Anschließend sprachen die langjährigen Weggefährten Wehmeyer und Hrubesch über "Uns Uwe", teilten dabei Anekdoten und ihre Trauer. "Hätte man ihn nicht gehabt, hätte man ihn erfinden müssen: Als Typ, als Mensch, als Familienvater; er war einmalig", erklärte Hrubesch, der vor allem bei einer Geschichte schmunzeln musste. "Ich kann mich gut erinnern, als ich in Hamburg angefangen habe. Als ich zum zweiten oder dritten Training kam, stand auf einmal so ein Kleiner neben mir. Klar wusste ich, dass das Uwe ist. Aber ich wusste nicht, dass man mit 40 Jahren noch so hoch springen kann"", sagte das ehemalige Kopfball-Ungeheuer des HSV.
Weitere Texte zum Tod von Uwe Seeler:
- HSV-Investor Kühne: "Beim Uwe-Seeler-Stadion wäre ich dabei"
- Uwe Seeler flogen die Herzen zu: Er tat es für die Menschen
- "Kaiser" Franz Beckenbauer weint um seinen ältesten Freund
Gerade zu Beginn seiner Zeit in Hamburg wurde Hrubesch immer wieder mit dem besten Torjäger der Vereinsgeschichte verglichen. "Ich hab ihm viel zu verdanken: Er war derjenige, der mir, als ich hier in Hamburg angefangen habe, immer wieder gesagt hat: 'Mach Dir keine Gedanken. Auch wenn dich alle immer mit mir vergleichen – du schaffst das schon, du kriegst das schon hin", sagte Hrubesch und fügte an: "Er hat mich immer wieder unterstützt, und ich bin ihm einfach dankbar, dass ich diese Freundschaft über die Jahre gehabt habe."
Wehmeyer adelt verstorbenen Seeler für dessen Bodenständigkeit
Ähnlich emotional blickte auch Wehmeyer auf seine Zeit mit Uwe Seeler zurück. "Er steht für so viele Tugenden, war immer bodenständig, trotz seiner Erfolge, trotz seiner Popularität. Ob großer Konzern oder kleiner Schuster: Uwe hat sie alle gleich behandelt. Es war eine Ehre, für den Verein spielen zu dürfen, für den der große Uwe Seeler gespielt hatte", sagte Wehmeyer, der beim HSV als Spieler, Manager und Teammanager aktiv war.
Uwe Seeler – das Leben eines Vorbilds in Bildern
Tod von Uwe Seeler: HSV schaltet digitale Traueranzeige
Derweil laufen die Planungen, wie der HSV seine Vereinslegende am Sonntag im Volksparkstadion ehren will, auf Hochtouren. Die Spieler werden mit Trauerflor auflaufen, zudem wird es eine Schweigeminute und ein großes Uwe-Seeler-Banner geben. Bereits seit Freitagmittag ist auf den über 200 digitalen Werbetafeln des Betreibers Ströer eine Traueranzeige im gesamten Stadtgebiet geschaltet.