Hamburg. Der Sportvorstand nutzt den Trainingsauftakt und erklärt, dass beim HSV kein Weg an ihm vorbeiführt. Über die Saisonvorbereitung.
Jonas Boldt war am späten Montagmittag im Volkspark ein gefragter Mann. Zunächst stand der baumlange Sportvorstand des HSV der eigenen Medienabteilung während des ersten Trainings der Saison Rede und Antwort, ehe er sich wenig später mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt vor den fünf Kamerateams aufbaute. Dann ließ sich Boldt auch noch im Halbkreis von den rund 20 Medienvertretern ohne Kamera befragen, ehe er die wichtigste Frage des Tages einem der rund 80 Fans beantwortete, der ihm einen Filzstift für ein Autogramm entgegenhielt. „Jonas, seid ihr gut drauf?“, fragte der Anhänger. „Und ob“, antwortete Boldt. „Endlich rollt der Ball wieder.“
Etwas mehr als anderthalb Stunden ließ Cheftrainer Tim Walter die Bälle wieder rollen, machte ein Spielchen mit wechselnden Teams und ließ zum Ende des ersten Trainings unter Gejohle den Lattenkönig des HSV ausspielen. „So schön die freie Zeit war, so schön ist es, wieder bei der Mannschaft zu sein“, sagte Walter nach der Einheit im clubeigenen HSV-TV. Er habe aus der Enttäuschung des verpassten Aufstiegs und der verlorenen Relegation gegen Berlin „viel Energie gezogen.“
Boldt über Mutzels neue HSV-Rolle
Voller Energie präsentierten sich neben den beiden Neuzugängen Filip Bilbija (ablösefrei vom FC Ingolstadt) und Torhüter Matheo Raab (ablösefrei vom 1. FC Kaiserslautern) auch das Quartett der Leihprofis (Xavier Amaechi, Aaron Opoku, Robin Meißner und Ogechika Heil) und vor allem Boldt selbst. „Ich bin und war immer der Alleinverantwortliche“, sagte der 40-Jährige mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein.
„Die Aufteilung, was Transfers angeht, ist nach wie vor identisch“, antwortete Boldt auf Nachfragen, ob sich durch die Degradierung von Sportdirektor Michael Mutzel in den vergangenen Wochen auch etwas für ihn selbst geändert habe. „Ich habe mich ja schon einmal dazu sehr deutlich geäußert“, so Boldt. „Es gab eigentlich nur eine einzige Änderung: dass Michael Mutzel nicht mehr eng bei der Mannschaft dabei ist.“
HSV-Machtkampf: Boldt äußert sich
Er dagegen sei momentan noch intensiver in die Gespräche mit Beratern, Spielern und Vereinsvertretern involviert, „weil wir einige Baustellen haben“. Nach Abendblatt-Informationen gibt es mit Dresdens variablem Flügelstürmer Ransford-Yeboah Königsdörffer (20) eine Einigung, allerdings liegen die beiden Clubs noch bei der Ablöse auseinander. Ähnlich verhält es sich mit Wunschspieler László Bénes von Borussia Mönchengladbach.
Sollte es zudem noch weitere Nachfragen geben, werde er diese am Mittwochabend (ab 18 Uhr) auf der Mitgliederversammlung beantworten. „Ich glaube, ich weiß, was ich zu sagen habe.“
Einen Bericht des Sportvorstands wird es natürlich genauso geben wie einen Bericht vom Vorstandskollegen Thomas Wüstefeld. „Ich habe festgestellt, dass es immer ein paar nicht so positive Nachrichten gibt, wenn man nicht aufsteigt“, beantwortete Boldt die Frage nach dem Innenleben der mutmaßlich zerstrittenen Führung.
Boldts Zeitplan für Walters neuen HSV-Vertrag
„Alles weitere registriere ich und beeinflusst meine Arbeit im Sport nicht.“ Es folgte eine weitere Nachfrage zur Atmosphäre auf der Geschäftsstelle – und eine weitere Antwort im Ungefähren: „Man hat schon gemerkt, dass einiges nach draußen sickert. Wenn Veränderungen anstehen, dann ist klar, dass darüber diskutiert wird. Mein Fokus liegt auf dem Sport“, so Boldt – und noch mal deutlich: „Da bin ich der Alleinverantwortliche.“
Und obwohl am Montagmittag lediglich 22 Spieler – darunter fünf Torhüter und mit Linksverteidiger Bent Andresen (19) und den Mittelfeldspielern Maximilan Großer (20) und Jonah Fabisch (20) drei Eigengewächse – sich beim ersten öffentlichen Training nach der Corona-Pandemie präsentierten, will der Sport-Alleinverantwortliche in diesem Sommer auf den obligatorischen Radikalumbruch verzichten. „In erster Linie gibt es in diesem Jahr keinen ganz so großen Umbruch“, so Boldt. „In der vergangenen Saison ist vieles in die richtige Richtung gelaufen.“
Hauptverantwortlicher (neben seiner Person) sei hierfür Trainer Tim Walter, mit dem Boldt möglichst noch in diesem Sommer verlängern will. „Wir werden die Gespräche in den nächsten Tagen intensivieren. Der Fokus liegt erst einmal auf der bestmöglichen Mannschaft. Aber die Bereitschaft, dass wir dann auch weiter mit dem Trainer arbeiten, die ist groß.“ Über konkrete Vertragsinhalte habe man zwar noch nicht gesprochen. Aber: „Klar ist, dass wir nicht in die Saison starten wollen und dann irgendwann eine Diskussion haben. Wenn eine Bereitschaft da ist – und die ist da –, dann müssen wir es auch nicht künstlich in die Länge ziehen.“
- HSV sucht Linksaußen: Dompé konkurriert mit Sahiti
- Dank Vuskovic-Connection? Neuer Linksaußen im Visier
- Benes im Anflug – Johansson vor Vertragsauflösung
Auch Boldt vor Verlängerung beim HSV
Gleiches gelte im Übrigen auch für seine eigene Vertragsverlängerung, die Aufsichtsratschef Marcell Jansen vor Kurzem in Aussicht gestellte hatte. „Ich habe einen guten Austausch mit dem Aufsichtsrat“, sagte Boldt, der allerdings auch zugab, „immer wieder kontroverse Diskussionen mit den Räten“ gehabt zu haben. „Es gehört dazu, dass man dann auch mal in nicht so guten Phasen etwas holprig nach außen kommuniziert.“
Am Feinschliff wird in den kommenden Tagen weitergearbeitet. Kommunikativ (auf der Mitgliederversammlung) und sportlich (auf dem Platz). Trainer Walter hat bis zur Abreise des Trainingslagers am Sonnabend sieben Einheiten in vier Tagen angesetzt. „Wir starten mit einem positiven Gefühl“, sagte Boldt. „Und mit großer Euphorie. Es ist schön, dass wir wieder über Fußball reden.“
Kapitän Sebastian Schonlau fehlte beim Auftakt aufgrund einer Fußverletzung.