Hamburg. Ohne Bremen und Schalke hoffen viele Vereine auf die Bundesliga. So wird aus der besten die ausgeglichenste 2. Liga.

Fans und Liebhaber der „besten Zweiten Liga“ müssen sich in der kommenden Spielzeit auf die eine oder andere Änderung gefasst machen. Zunächst einmal: Ohne die Aufsteiger Bremen und Schalke muss für den Superlativ „beste“ ein neues Adjektiv gefunden werden. Eine neue Saison ohne eine Änderung bei den TV-Zeiten und die anschließende Diskussion, ob das nun gut oder doof ist, kann man dem Fußballvolk natürlich auch nicht anbieten.

Deswegen haben sich die schlauen Herren (und Damen) der DFL überlegt, dass Spiele in der kommenden Saison sonnabends um 13 statt um 13.30 Uhr angepfiffen werden. Bei der Planung des Mittagessens möge man dies bitte berücksichtigen. Und drittens: Der HSV sagt ab sofort vom ersten Spieltag an, was er eigentlich will. Nämlich: aufsteigen!

Aufstieg? HSV ändert Strategie

Spoiler-Alarm: Ob das auch klappt, bleibt ungewiss. Denn auch in den vergangenen vier Jahren wollten die Hamburger aufsteigen, haben es nur selten bis nie kommuniziert. Nun sprach es Thomas Wüstefeld aus: „Wir sollten sehr schnell und sehr klar Signale senden, wo wir hinwollen“, sagte der HSV-Vorstand am Tag nach der verlorenen Relegation gegen Hertha. „Wir sind, das kann man nicht wegdiskutieren, einer der Favoriten.“

Und obwohl es in den vergangenen Wochen drunter und drüber in der HSV-Chefetage ging, sind sich beim ausgegebenen Ziel alle mal einig. Sportvorstand Jonas Boldt, Aufsichtsratschef Marcell Jansen und auch der sonst hanseatisch zurückhaltende Nachwuchschef Horst Hrubesch haben es in den vergangenen Tagen wiederholt: Der HSV will aufsteigen!

Die schlechte Nachricht: Mindestens die Hälfte der Liga will das auch – obwohl die meisten es HSV-mäßig eher nicht zugeben wollen. Kann man denn schon seriös einschätzen, welche Clubs auch wirklich um den Aufstieg mitspielen? Nein! Aber was soll’s – wir machen es trotzdem.

Aufstieg? Muss HSV mit Absteigern rechnen?

Da wären natürlich die Bundesliga-Absteiger Arminia Bielefeld und Greuther Fürth. Die einen (Bielefeld) suchen noch einen neuen Trainer, die anderen (Fürth) haben gerade einen neuen verpflichtet. Und wie es sich für echte Absteiger gehört, werden zunächst einmal beide Clubs in der Sommerpause gehörig durchgeschüttelt.

Die Arminia muss ein halbes Dutzend Stammspieler (Stefan Ortega, Amos Pieper, Joakim Nilsson, Cédric Brunner, Alessandro Schöpf, Patrick Wimmer) ersetzen, hat noch keinen neuen Profi verpflichtet und soll nun am belgischen Trainer Wouter Vrancken (KV Mechelen) interessiert sein.

Fürth ist da schon einen Schritt weiter: Neu-Coach Marc Schneider (aus Waasland-Beveren, 2. belgische Liga) startet mit seiner Mannschaft (ohne die Abgänge der Stammspieler Maximilian Bauer, Nick Viergever, Paul Seguin, Jamie Leweling) bereits am kommenden Sonntag als erster Club mit dem Training.

Bei den Kosten ist der HSV spitze

Und Fürth darf guten Gewissens von sich behaupten, dass sie auch mit kleinen Mitteln Großes erreichen können. Das hat gerade erst der neueste Wirtschaftsreport der DFL, der sämtliche Geschäftsberichte aller Proficlubs aus der Saison 2020/21 veröffentlichte, nachgewiesen.

Denn in ihrer letzten Aufstiegssaison hatten die Fürther mit 12,581 Millionen Euro den viertgeringsten Etat für die Profimannschaft aller Zweitligisten und haben es am Ende doch geschafft. Zum Vergleich: In der gleichen Spielzeit hatte der HSV mit mehr als 40 Millionen Euro den höchsten Personalaufwand aller Zweitligisten, der FC St. Pauli hatte immerhin 20,922 Millionen Euro zur Verfügung.

Dass Geld nicht zwangsläufig Tore schießt, zeigt auch ein Blick auf die Honorare der Spielerberater. Auch hier war der HSV zum Stichpunkt 30. Juni 2021 Spitzenreiter mit Ausgaben von 2,261 Millionen Euro. Und auch in dieser Kategorie hatte kaum ein Proficlub weniger Ausgaben als die Fürther mit 453.000 Euro.

Darmstadt diesmal wohl kein HSV-Rivale

Ohne große Ausgaben hat es auch Darmstadt 98 in der vergangenen Saison sehr gut gemacht, ehe den Lilien mit einem Profi-Etat von gerade einmal neun Millionen Euro im Schlussspurt dann doch die Puste ausging und man auf dem HSV-Aboplatz vier ins Ziel einlief.

Ob dem früheren HSV- und St.-Pauli-Profi Carsten Wehlmann, der seit 2018 als Sport-Verantwortlicher die Fäden in Darmstadt zieht, dieses Kunststück erneut gelingt, bleibt abzuwarten. 98 muss voraussichtlich den treffsicheren Stürmer Luca Pfeiffer (17 Saisontore), der vom FC Midtjylland ausgeliehen war, ersetzen. Bereits verloren hat der Club den Kampf um Mittelfeldmann Tim Skarke, der ablösefrei zu Union Berlin wechselt.

Was kann St. Pauli ohne Top-Duo?

Es ist der Fluch der guten Taten, der auch den FC St. Pauli ereilen dürfte. Mit Daniel-Kofi Kyereh, der unbedingt schon in diesem Sommer in die Bundesliga will, und Guido Burgstaller, der vor einem Wechsel zu Rapid Wien stehen soll, drohen die besten Offensivkräfte abhandenzukommen. Durch weitere Abgänge dürften von insgesamt 61 Saisontoren aus der vergangenen Spielzeit nur noch zwölf Saisontreffer übrig bleiben.

„Wir müssen uns ein Stück weit neu erfinden“, sagt deswegen auch St. Paulis Trainer Timo Schultz, der aber trotz aller Schwierigkeiten wieder um den Aufstieg mitspielen will: „Wir nehmen einen neuen Anlauf.“

Düsseldorf wird neuer HSV-Rivale

Diesen nimmt auch Fortuna Düsseldorf – und zwar mit kräftigem Rückenwind. Unter Ex-HSV-Trainer Daniel Thioune haben die Rheinländer von 13 Spielen nur eines – am letzten Spieltag gegen St. Pauli – verloren. Mit 24,108 Millionen Euro Personalaufwand konnte Düsseldorf bereits in der Saison 2020/21 mit den Großen mithalten – und will sich nun noch einmal verstärken.

Nachdem im vergangenen Jahr Khaled Narey vom HSV geholt wurde und der zu einem der am meisten umworbenen Spieler der Liga wurde, sind die Fortunen in diesem Sommer an Nareys Ex-HSV-Kumpel Jan Gyamerah interessiert. Eine vorsichtige und viel zu frühe Prognose: Mit Düsseldorf ist zu rechnen.

Greift Hannover mit 40 Millionen Euro an?

Ähnliches wollen auch die Macher von Hannover 96 von sich hören und lesen. Der „Kicker“ berichtete unlängst vom „Etat-Krösus“ mit einem Gesamt-Personalaufwand von 40 Millionen Euro in der kommenden Saison. Knapp die Hälfte davon soll der Profi-Etat ausmachen.

Und mit Neu-Trainer Stefan Leitl (aus Fürth) und zahlreichen Top-Zugängen (Max Besuschkow, Louis Schaub, Phil Neumann) wollen die Niedersachsen in der kommenden Spielzeit oben dabei sein, auch wenn Sportdirektor Marcus Mann relativiert: „Die Leistungsdichte wird sehr eng sein, ich erwarte viele 50:50-Spiele, in denen Kleinigkeiten den Ausschlag geben.“

Wird Heidenheim dem HSV gefährlich?

Das hoffen auch der 1. FC Nürnberg und Dauer-oben-dabei-Bleiber Heidenheim. Während die Nürnberger, die lange Zeit über ihren Verhältnissen lebten und laut DFL-Wirtschaftsreport 2020/21 sogar die schlechteste Bilanz aller Zweitligisten von minus 9,372 Millionen Euro aufwiesen, in dieser Spielzeit positiv überraschen wollen, setzen die Heidenheimer auf ihren Status als Gallier der 2. Liga.

Im ersten Corona-Jahr erwirtschaftete der Nischenclub als einer von wenigen Vereinen mit 1,462 Millionen Euro sogar ein positives Geschäftsergebnis. Das positive Eigenkapital zum Stichtag 31. Dezember 2021 von 1,926 hat man auch dem zwei Jahre zuvor für die clubinterne Rekordsumme von sechs Millionen Euro verkauften Stürmer Robert Glatzel zu verdanken.

Verliert der HSV Robert Glatzel?

Eben jener Glatzel (28), mit 22 Treffern zweitbester Zweitliga-Torschütze, soll auch in dieser Spielzeit wieder einer der HSV-Hoffnungsträger für den Aufstieg werden. Das Problem: Die Betonung liegt auf dem Wort „soll“. Denn wie zuerst die „Bild“ berichtete, hat der einstige Sechs-Millionen-Euro-Mann in diesem Sommer eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag verankert, durch die er für „nur“ zwei Millionen Euro gehen könnte.

An diesem Mittwoch kommt Glatzel aus seinem Urlaub zurück und will innerhalb von 48 Stunden entscheiden, wohin die Reise geht. An den Gerüchten um Union Berlin ist nach Abendblatt-Informationen nichts dran. Es gibt nur noch zwei Optionen: ein anderer Club in der Bundesliga. Oder ein Verbleib beim HSV mit einer klaren Zielsetzung: Aufstieg. Was auch sonst?