Hamburg. HSV kann es gegen Rostock selbst schaffen, bräuchte aber bei einem Ausrutscher Hilfe aus Paderborn. Entscheidet am Ende ein Urlaubstrip?
Felix Magath hatte schon vor Wochen eine Vorahnung. „Das war mein Gefühl von Anfang an. Je näher man dahin kommt, desto deutlicher wird diese Partie“, sagte der Trainer von Hertha BSC nach der 1:2-Niederlage am Wochenende gegen den 1. FSV Mainz 05. Und spätestens nach dem überraschenden 2:2 des VfB Stuttgart beim Meister FC Bayern München hat sich die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet HSV-Ikone Magath in der Relegation auf seine Hamburger treffen könnte, noch einmal erhöht. Verlieren die Berliner am kommenden Sonnabend bei Borussia Dortmund und gewinnt Stuttgart gleichzeitig zu Hause gegen den 1. FC Köln, muss Magath nachsitzen.
Während es Hertha aber noch aus eigener Kraft schaffen kann, die Relegation zu vermeiden, will der HSV mit aller Macht dabei sein, wenn am 19. und 23. Mai der letzte Platz für die Teilnahme an der kommenden Bundesliga-Saison ausgespielt wird. Die Rechnung ist ganz einfach: Holt der punktgleiche Verfolger Darmstadt 98 am Sonntag (15.30 Uhr) im Parallelspiel gegen den SC Paderborn nicht mehr Punkte als der HSV bei Hansa Rostock, wäre Hamburg sicher in der Relegation dabei.
Mit einer Niederlage von Werder Bremen gegen Jahn Regensburg, die bei einem gleichzeitigen Sieg des HSV sogar den direkten Aufstieg bedeuten würde, rechnet im Volkspark nahezu niemand. Stattdessen gehen die Blicke der HSV-Fans in dieser Woche nach Darmstadt, Paderborn und Rostock. Wie bereiten sich die Clubs auf das Fernduell am Sonntag vor? Wie ist die Stimmung bei den Vereinen, die den Saisonausgang des HSV noch beeinflussen können? Das Abendblatt hat sich umgehört.
Verhindert Rostock den HSV-Aufstieg?
Hansa Rostock: In Rostock regierte am Montag die Ruhe vor dem (Ostsee-)Sturm. Trainer Jens Härtel gab seinen Profis nach dem höhepunktarmen 0:0 beim Tabellenletzten Ingolstadt, dem vierten Remis in Folge, frei. Ab diesem Dienstag gilt dann noch einmal die volle Konzentration auf das letzte Heimspiel, in dem man großen Spaß daran hätte, dem HSV kräftig in die Aufstiegssuppe zu spucken. Während Trainer Härtel in Ingolstadt gleich ein halbes Dutzend Ergänzungsspieler (darunter der vom HSV ausgeliehene Robin Meißner) belohnen wollte und ihnen die Chance gab, sich noch einmal zu zeigen, soll gegen den HSV wieder der erste Anzug aus dem Schrank geholt werden.
Die Stammkräfte Nico Neidhart, John Verhoek, Lukas Fröde und Simon Rhein sollen am Sonntag ebenso wieder dabei sein wie der ehemalige Hamburger Bentley Baxter Bahn. Bei Calogero Rizzuto und Hanno Behrens (beide angeschlagen) ist eine Rückkehr in die Startelf noch offen. Ebenfalls noch offen ist, welche Abgänge vor dem Spiel verabschiedet werden. Auch die Zukunft von HSV-Leihgabe Meißner, der gegen seinen Bald-wieder-Arbeitgeber nicht zum Einsatz kommen soll, bleibt ungeklärt.
Nur ein Abschied ist schon jetzt klar: Stadionsprecher Klaus-Jürgen Strupp, in Rostock besser bekannt als Struppi, macht nach 30 Jahren am Mikro Schluss. Zu gerne würde er vor dem mit 25.000 Zuschauern ausverkauften Haus noch einen letzten Hansa-Sieg ins Mikrofon brüllen. Als er vor 15 Jahren nach seinem größten Traum gefragt wurde, antwortete Struppi: bei einem Aufstieg in die Bundesliga dabei zu sein. Dieser Traum könnte sich am Sonntag ganz theoretisch tatsächlich erfüllen – auch wenn sich das „die Stimme Hansas“ damals wahrscheinlich anders vorgestellt hatte.
HSV-Rivale Darmstadt kämpft mit den Nerven
Darmstadt 98: Die Stimmung beim Tabellenvierten war trist nach der 1:2-Niederlage am Freitag bei Fortuna Düsseldorf. Die Lilien vergaben die große Chance, aus eigener Kraft aufzusteigen. Entsprechend enttäuscht waren die Spieler. „Die Jungs weinen zum Großteil, weil sie sich einen totalen Traum erwünschen“, sagte Trainer Torsten Lieberknecht, der 2013 mit Eintracht Braunschweig schon einmal einen Sensationsaufstieg in die Bundesliga geschafft hatte.
Doch am Böllenfalltor fühlt es sich aktuell so an, als wäre die Saison bereits gelaufen. In Düsseldorf war der Überraschungsmannschaft der Saison erstmals anzumerken, dass sie mit den Nerven zu kämpfen hatte. Die Leichtigkeit der Hinrunde sei schon seit Wochen weg, sagen Beobachter. Bezeichnend ist, dass Darmstadt in der Rückrunde gegen den HSV und Schalke zwei hohe Niederlagen mit jeweils fünf Gegentoren kassierte. Am letzten Spieltag gegen Paderborn fehlt nun auch der ehemalige HSV-Profi Klaus Gjasula wegen einer Gelb-Rot-Sperre.
Mit der bisherigen Saison sind die Darmstädter trotzdem mehr als zufrieden. Viele junge Spieler wie der beim HSV ausgebildete Patrick Pfeiffer (22) haben große Entwicklungssprünge gemacht. Der 1,96 Meter große Innenverteidiger soll das Interesse mehrerer Clubs geweckt haben. Mit Lieberknecht hat Darmstadt zudem einen Trainer gefunden, der optimal zum Verein passt. Aufgegeben hat sich Darmstadt aber noch nicht. „Wir werden alles raushauen“, sagte Kapitän Fabian Holland, einer der wenigen, der schon einmal in der Bundesliga gespielt hat. Wohl wissend, dass die Hessen auch in der Relegation nur der krasse Außenseiter wären.
Hilft Paderborn dem HSV trotz Urlaubs?
SC Paderborn: Nicht nur HSV-Trainer Tim Walter belohnte seine Mannschaft nach dem Sieg gegen Hannover 96 mit zweieinhalb trainingsfreien Tagen. Genauso machte es Lukas Kwasniok, der Chefcoach des SC Paderborn. Mehr noch: Nach dem 2:0-Erfolg im letzten Heimspiel gegen den SV Sandhausen stimmte Kwasniok dem Wunsch der Mannschaft zu, einen Kurztrip zu unternehmen. Schon vorige Woche hatten „Abschlach!“-Sänger „Muchel“ und seine Kollegen im Fanpodcast „HSV – meine Frau“ darüber gemutmaßt, dass die Paderborner noch vor dem letzten Spieltag eine feuchtfröhliche Mannschaftsfahrt auf eine spanische Ferieninsel planen.
Auch Kwasniok selbst ist mit seinem Trainerteam auf Tour. Eine professionelle Vorbereitung auf den letzten Spieltag sieht sicherlich anders aus. Kwasniok, der am Dienstagnachmittag aber schon wieder in Paderborn zum Training bittet, hat allerdings versprochen, in Darmstadt am Sonntag alles zu geben. „Wir werden toll performen“, sagte Kwasniok. Die Paderborner haben sich zum Ziel gesetzt, inoffizieller Auswärtsmeister der Liga zu werden. Zudem wollen die Ostwestfalen unbedingt vor dem FC Heidenheim landen, um auch in der TV-Tabelle am Ende vor den Schwaben zu stehen. Für die Paderborner wäre das ein elementarer Einnahmen-Unterschied von 400.000 Euro. Und Grund genug, sich aktuell mit dem Bierkonsum noch etwas zurückzuhalten.