Hamburg. Weil der HSV abhängig von Kittel ist, lobt der Trainer seinen Spielmacher lautstark und führt ein längeres Einzelgespräch.

Am Donnerstag war für Tim Walter die Zeit reif für ein Einzelgespräch. Als das Training bereits beendet war, schnappte sich der Coach des HSV seinen Spielmacher Sonny Kittel und tauschte sich mehrere Minuten mit ihm aus.

Auch wenn Walter im Anschluss über den Gesprächsinhalt scherzte und behauptete, er hätte mit dem 29-Jährigen lediglich besprochen, dass er den nächsten Freistoß beim Heimspiel am Sonnabend gegen den SC Paderborn (13.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) auch rechts unten ins Toreck platzieren könnte, so war allen Beobachtern klar, dass die Bedeutung dieses Gesprächs weit über die nächste Standardausführung hinausging.

HSV: Wie Walter dem formschwachen Kittel hilft

Denn Kittel, der bis Mitte Februar eine bärenstarke Saison spielte, befindet sich seit mehreren Wochen im Formtief. Das Problem: Der HSV ist nur so gut wie sein Spielmacher. Und das ist aktuell eben nicht so gut.

Auch wenn Walter stets betont, wie wichtig das Kollektiv ist, so ist ihm natürlich nicht entgangen, wie abhängig seine Mannschaft von Kittels spielerischen Ideen ist. Deshalb redet der Trainer seinen Topscorer (7 Tore, 14 Vorlagen) gerade in diesen für den Mittelfeldspieler schwierigen Wochen immer wieder stark – sowohl vor den Mitspielern als auch öffentlich.

„Sonny ist ein Faktor in unserem Spiel. Egal ob er direkte Torbeteiligungen hat oder den zweiten Ball spielt“, sagt Walter, der damit insbesondere Kittels bei Gegnern gefürchtete Steckpässe („zweiter Ball“), mit denen er die Angriffe oftmals einleitet, hervorhebt: „Und das macht er ständig.“

Kittel soll den HSV führen – Walter hilft

Zu einer auffälligen Szene zwischen Walter und Kittel kam es auch in dieser Trainingswoche beim Spiel auf sechs Tore. Kittel spielte einen ansatzlosen Diagonalball und erhielt prompt das Lob seines Chefs. „Überragend, Sonny! Überragend!“, rief Walter über den gesamten Platz, wartete drei weitere Pässe ab und legte noch einmal nach: „Überragend, Sonny!“

Der HSV braucht wieder seinen „überragenden Sonny“, um im Aufstiegskampf noch ein Wörtchen mitzureden. Doch ausgerechnet in der sogenannten „Crunchtime“ taucht Kittel Jahr für Jahr ab. Um dieses Versteckspiel offensiv zu bekämpfen, sprachen die HSV-Verantwortlichen ihrem Unterschiedsspieler vor der Saison eine Führungsrolle zu.

Mit dieser fremdelte der manchmal auf dem Platz launisch wirkende Kittel zunächst, füllte sie dann aber nach seinen Regeln der Kunst aus, ehe er seit rund fünf Wochen wieder mehr mit sich selbst beschäftigt ist. In den zurückliegenden vier Pflichtspielen blieb der Offensivmann ohne Torbeteiligung.

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HSV: Walter nimmt Kittel in die Pflicht

Walter machte nun klar, dass der HSV wieder den mit Leistung führenden Kittel braucht. „Wir reden viel miteinander, er versucht sich einzubringen und die Jungs menschlich anders anzugehen. Diesbezüglich hat er extrem viel dazugelernt“, sagte der Coach, der mit seinem Spielmacher aktiv an dessen Körpersprache gearbeitet hat. „Er kann vorangehen, indem er nicht mehr so viel lamentiert, sondern einfach arbeitet.“

Kittel könne noch lauter werden und müsse positiv bleiben, fordert Walter. „Das kann er lernen.“ Vor allem Letzteres ist für den HSV-Coach entscheidend. Kittel winkt gerne mal ab, wenn eine Aktion nicht gelingt. Dann fängt er an, mit sich und dem Spiel seines Teams zu hadern, womit er oftmals in wichtigen Phasen der Partie abtaucht. Walter will dagegen – getreu seinem eigenen Credo –, dass seine Spieler selbstbewusst auftreten. „Sonny hilft uns auch, wenn er nonverbal kommuniziert. Über dieses Thema unterhalten wir uns ständig. Dafür ist er auch sehr offen und hat extrem viel dazugelernt“, sagt der Coach.

Sollte Kittels Lerneffekt mal wieder ins Stocken geraten, dürfte bald das nächste Einzelgespräch anstehen.