Hamburg. Der Spielmacher leidet mal wieder an einer fußballerischen Frühjahrsmüdigkeit. Ein Dilemma für das Offensivspiel der Hamburger.
Am Freitag ging es beim HSV im Volkspark ruhig zu. Trainer Tim Walter bat seine Profis zu einer leichten Trainingseinheit. Der 46-Jährige machte bei den Gymnastikübungen zu Beginn fleißig mit. Nach dem vor allem in der ersten Halbzeit katastrophalen Auftritt im Testspiel gegen Viborg FF, das mit 4:5 verloren gegangen war, hielt sich die Anstrengung vor dem Wochenende in Grenzen. Kräfte schonen für den Liga-Endspurt nach einer Partie, die mehr Fragen aufgeworfen als Antworten geliefert hatte.
Walter sieht HSV-Test als "aufschlussreich"
Der HSV-Trainer macht kein Geheimnis daraus, dass er Testspielergebnisse grundsätzlich nicht überbewertet, sondern viel mehr die Entwicklung in den Vordergrund stellt. So weit, so gut. Wenn aber eine Mannschaft, die bereits in der Liga beim 1:1 bei Fortuna Düsseldorf über weite Strecken blutleer und uninspiriert auftrat, diese schlechten Eigenschaften wenige Tage später erneut an den Tag legt, sollte es zu Denken geben. Und das tat es offenbar auch. "Es war ein sehr aufschlussreicher Test", bilanzierte Walter.
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Aufschlussreich war der Auftritt in jeglicher Hinsicht. In der desaströsen ersten Halbzeit standen beispielsweise mit Sonny Kittel (29), David Kinsombi (26) zwei Spieler auf dem Rasen, die den eigenen Anspruch haben Stamm- oder sogar Führungsspieler beim HSV zu sein.
Das erfahrene Duo fiel schon in Düsseldorf durch eine lustlos wirkende Körpersprache auf. Es folgte ein erneut schwacher Auftritt gegen Viborg. Fußballerisch, aber vor allem in Sachen Intensität, Einsatz und Bereitschaft. "Das trifft auf viele zu. Deswegen würde ich diese beiden da nicht herausheben. Da es aber schon in Düsseldorf so war, muss man sich schon Gedanken darüber machen", kritisierte Trainer Walter.
HSV ist offensiv von Kittel abhängig
Das Problem: Gerade Kittel hat auf seiner Position keine gleichwertige Konkurrenz. Anssi Suhonen (20) hat in der Jugend auf der "Zehn" gespielt, Giorgi Chakvetadze (22) soll auch seine Stärken im Zentrum haben, doch bisher konnte der Georgier ebenso wenig überzeugen wie David Kinsombi, der ebenfalls eine Alternative sein könnte. Der HSV steckt also in der Kittel-Falle.
Der 29-Jährige, der in der Hinrunde für seinen Reifeprozess und seine Führungsqualitäten von Trainer Walter immer wieder gelobt wurde, ist ohne Wenn und Aber der beste Fußballer im Team. Doch seine phlegmatisch wirkende Art scheint immer im Frühjahr durchzudringen, wenn es für den HSV in die "Crunch Time" geht. Bereits in den vergangenen Spielzeiten war Kittel in der Hinrunde deutlich besser als in der zweiten Saisonhälfte.
Bleibt die Frage: Setzt der HSV in den kommenden Wochen weiter auf Kittel, und hofft, dass der Edeltechniker sein Phlegma zeitnah ablegt, oder braucht der Rechtsfuß eine Denkpause? Letzteres könnte heikel werden. Denn bei den Hamburgern weiß man, wie sensible Kittel ist. Eine Abkehr vom bislang bedingungslosen Vertrauen könnte bedeuten, dass man den Spielmacher im Endspurt komplett verliert.
HSV-Niederlage könnte gutes Omen sein
Solche Auftritte – und wenn es nur 45 Minuten sind – kann sich der HSV im Saisonendspurt in der Zweiten Liga nicht mehr leisten. Zuletzt gab es vier sieglose Spiele in Folge, die letzten drei Partien gingen sogar verloren. Die beiden wichtigen Heimspiele gegen den SC Paderborn (2. April) und Erzgebirge Aue (5. April) werden ein Charaktertest für das Walter-Team. Mit zwei Siegen darf man zumindest wieder vom Aufstieg träumen. Gelingt das nicht, droht die Saison einfach so auszutrudeln.
Was Hoffnung gibt: Der HSV ist nach den vergangenen Länderspielpausen mit einem Sieg in den Ligabetrieb zurückkehrt. Nach dem 1:5 im Test gegen den FC Midtjylland Ende Januar folgte das grandiose 5:0 beim damaligen Tabellenführer Darmstadt 98.