Hamburg. Vor dem Duell seiner Ex-Clubs Köln und HSV spricht Huub Stevens über das Pokalspiel (18.30 Uhr), die Rolle der Torhüter und rosa Einhörner.

Am Montagvormittag war Huub Stevens beschäftigt. Training. Nicht auf dem Fußballplatz mit einer Mannschaft. Sondern im Kraftraum ganz allein. Auf der Huub-Agenda stand die Muskulatur rund um seine Knie, die vor ein paar Monaten operiert wurden. „Es klappt schon ganz gut“, sagt der 68-Jährige, als er erstmals in seinem Leben über Zoom mit dem Abendblatt verbunden ist und während der Aufnahme für den Podcast HSV – wir müssen reden überrascht zum gleichen Urteil über die Verbindung kommt: „Es klappt!“

Stevens: Das unterscheidet Köln vom HSV

Anlass für das digitale Treffen mit der Trainerlegende ist natürlich das Duell seiner beiden Ex-Clubs Köln und HSV, die sich an diesem Dienstagabend (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) im Pokal gegenüberstehen. „Das ist ein Spiel, das man nicht verpassen will. Köln gegen den HSV – das muss man sich anschauen“, sagt Stevens, der in der Saison 2004/05 mit dem FC in die Bundesliga aufstieg und 2007 den HSV nach Europa führte. „Man kann die beiden Clubs gut miteinander vergleichen – in Köln werden nur schönere Lieder gesungen“, sagt Stevens. „Der einzige Unterschied zwischen dem HSV und Köln ist der Karneval. Den Jeck muss man in Kölle schon mitnehmen.“

Dass sich ausgerechnet der „Knurrer von Kerkrade“ als Karnevalist outet, überrascht. Als FC-Trainer 2004 sei er als Bauer gegangen, dazu trug Stevens einen Pullover mit dem köll’schen Motto: „Jeck es jeil“. „Das gehört in Köln dazu, das kann man als Trainer auch den Spielern nicht nehmen“, sagt Stevens, der auch begeistert von Kölns aktuellem Trainer Steffen Baumgart und dessen rosa Einhorn-Karnevalskostüm ist. „In Köln muss man einfach mitmachen.“

Huub Stevens (68) war in der Saison 2004/05 Trainer in Köln und von 2007 bis 2008 Coach beim HSV.
Huub Stevens (68) war in der Saison 2004/05 Trainer in Köln und von 2007 bis 2008 Coach beim HSV. © imago / Jan Huebner

HSV wollte Köln-Coach Baumgart

Was Stevens nicht wusste: Im vergangenen Sommer stand das rosa Einhorn bereits kurz vor einem Ritt nach Hamburg. „Wir hatten gute Gespräche mit mehreren Trainern, auch mit Steffen Baumgart“, gibt Jonas Boldt im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger zu. Natürlich sei es immer attraktiver, in der Bundesliga Trainer zu sein als in der Zweiten Liga. Aber: „Ich halte ihn für einen sehr guten Trainer.“

Das Ende vom Lied ist bekannt: Baumgart unterschrieb beim FC, der HSV verpflichtete Tim Walter – und Ex-Coach Stevens hält beide Kollegen für eine gute Wahl. Gespannt ist er allerdings, ob Baumgart und Walter es schaffen, in der Rückrunde mit dem typischen FC-und-HSV-Druck klarzukommen.

„Mit dem Druck muss man umgehen können. Als Trainer muss man den Spielern den Druck nehmen“, sagt Schalkes Jahrhunderttrainer, dem der Druck der Traditionsclubs nach eigener Aussage nie etwas ausgemacht hätte: „Ich habe mich immer vor die Spieler gestellt, weil ich mit dem Druck umgehen konnte.“

Stevens: Walters Floskel ist Blödsinn

Trotz des Abrutschens aus den Aufstiegsrängen glaubt Stevens, dass der HSV am Dienstag besser als der FC mit dem Thema Druck umgehen wird. Der Ex-Coach legt sich sogar fest: „Ich denke, dass es nach 90 Minuten 1:1 steht und der HSV 2:1 nach Verlängerung gewinnt. So muss man dieses Spiel auch angehen: Man hat immer eine Chance.“

Weitere HSV-Berichte:

Daran glaubt auch HSV-Kollege Walter, der sich vor dem Duell des Zweit- gegen den Erstligisten trotzdem gewohnt selbstbewusst gibt. „Wir wollen es möglichst schnell machen, aber es kann natürlich auch etwas länger dauern“, sagte Walter, der vor der Partie noch nicht verraten wollte, ob er im Hinblick auf das Derby am Freitag gegen den FC St. Pauli rotieren lassen will.

Laut Stevens ist die typische Trainer-Floskel, dass man sich nur auf das nächste Spiel konzentrieren muss, Blödsinn. Als Fußballlehrer würde man beide Spiele in dieser Woche im Paket im Hinterkopf haben: „Das musst du tun, das geht gar nicht anders“, sagt der Holländer. „Angeschlagene Spieler werden eher geschont, um nicht eine noch schlimmere Verletzung zu riskieren.“

Stevens: „Dann ist der Torwart der Arsch“

Ob beim HSV beispielsweise Bakery Jatta, der nach seiner Corona-Erkrankung von Beginn an in Dresden gefehlt hat, in Köln wieder in die Startelf zurückkehrt, ließ Walter offen. Festgelegt hat er nur, dass Torhüter Daniel Heuer Fernandes wie schon beim Elfmeterkrimi in der vergangenen Pokalrunde gegen Nürnberg (5:3 n.E.) gerne wieder zum Pokalhelden werden darf.

Und obwohl ein erneutes Elfmeterschießen natürlich möglich wäre, wurde das Schießen vom Punkt am Montag nicht noch einmal explizit im Abschlusstraining einstudiert. „Man kann keine Elfmeter trainieren“, glaubt auch Stevens, der als Trainer immer ein gewisses Faible für Strafstöße gehabt hatte. So sei er jeden Morgen noch vor 8 Uhr am Trainingsgelände seiner Clubs gewesen, um in seinen persönlichen Statistik-Unterlagen aus den Spielen des Vorabends sämtliche Elfmeterschützen zu vermerken.

„Meine Torhüter haben vor jedem Spiel eine Liste mit den möglichen Elfmeterschützen bekommen“, sagt Stevens, der immer versuchte, ein besonderes Verhältnis zu seinen Stammtorhütern aufzubauen. „Die Torhüter brauchen ein Grundvertrauen des Trainers“, sagt der Ex-Coach, der daran erinnert, dass ein Stürmer vier Chancen verballern kann und beim fünften Versuch zum Helden wird. Ein Torhüter würde schon beim ersten Fehler zum Sündenbock: „Dann ist der Torwart der Arsch.“

Stevens: HSV steigt auf, St. Pauli nicht

Deutlich wird Stevens auch beim Blick auf das Derby am kommenden Freitag und das Kräfteverhältnis in der Stadt. Obwohl der HSV aktuell als Fünfter sechs Punkte Rückstand auf dem Kiezclub hat, glaubt der Niederländer nicht an einen Aufstieg St. Paulis. Seine Aufstiegsfavoriten: Werder Bremen, der HSV und Schalke 04. Seine Erklärung: „Der HSV kennt die Situation, der Club kennt den Aufstiegskampf. Bei St. Pauli ist das anders. Ich bin sehr gespannt, wie St. Pauli mit dem Druck umgeht, wenn sie in den letzten fünf oder sechs Spielen merken, dass es um alles geht ...“

Zwei Spiele in einer Woche hat Stevens schon lange nicht mehr von seinem HSV gesehen. Aber in dieser besonderen Woche werde er es sich nicht nehmen lassen, gleich zwei Couchabende einzuschieben. Ein wenig Entspannung könnten nach dem Rehatraining schließlich auch seine Knie gebrauchen. Und zu gerne würde Stevens nach den beiden HSV-Spielen gegen Köln und St. Pauli ein drittes Mal sagen: Es hat alles geklappt!

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

  • 1. FC Köln: Schwäbe – Schmitz, Kilian, Hübers, Hector – Özcan – Thielmann, Uth, Ljubicic – Modeste, Andersson.
  • HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Kittel – Jatta, Glatzel, Alidou.