Hamburg. In der vergangenen Spielzeit scheiterte Kiel an der Pandemie. Vor dem Neustart schwankt beim HSV die Stimmungslage.

Die wichtigste Nachricht des Dienstags kam eigentlich schon am Montag. Da bestätigte das Gesundheitsamt Altona dem HSV, dass sich der zuvor an Corona erkrankte Bakery Jatta bereits nach zehn symptomfreien Tagen freitesten konnte. Noch am selben Tag machte der Flügelflitzer einen PCR-Test, dessen Ergebnis am Abend vorlag: negativ.

Um aber nach zehn Tagen in häuslicher Quarantäne auf Nummer sicher zu gehen, ließ der 23-Jährige am Dienstag in einer abschließenden Untersuchung im UKE sein Blutbild testen und ein EKG machen. Das Ergebnis diesmal: positiv. Und so stand Jatta um 14 Uhr mit der Mannschaft erstmals in diesem Jahr auf dem Trainingsplatz, um sich mit seinen Kollegen auf das Spiel bei Dynamo Dresden (Freitag/18.30 Uhr) vorzubereiten.

HSV News: Verein bisher von Corona verschont

Corona 0 – HSV 1. Auch nach knapp zwei Jahren der Pandemie weigert sich der HSV weiterhin, sich durch Corona aus den Tritt bringen zu lassen. Dies ist umso erstaunlicher, als dass vor dem Bundesliga-Rückrundenstart in der vergangenen Woche kaum ein Tag verging, an dem nicht zahlreiche neue Corona-Fälle bei den Fußballclubs öffentlich wurden. Rekordmeister Bayern machte seinem Titel alle Ehren und beanspruchte mit neun Corona-Fällen auch den inoffiziellen Omikron-Rekord für sich. Und natürlich wurde auch die Zweite Liga von der Omikron-Welle nicht verschont.

So musste Werder Bremen beispielsweise die gemeinsam geplante Reise ins Trainingslager mit dem FC St. Pauli absagen, nachdem fünf Werder-Profis kurz vor dem Abflug positiv getestet worden waren. In der Zweiten Liga mit am härtesten betroffen scheint wieder mal Holstein Kiel, das noch immer vier Ausfälle zu beklagen hat. Nachdem die Kieler bereits in der vergangenen Saison im Aufstiegsendspurt maßgeblich über Corona stolperten, wird wenige Tage vor dem Neustart der Zweiten Liga die Frage immer lauter gestellt, ob auch in dieser Spielzeit wieder Corona das Aufstiegsrennen entscheiden wird.

„Kiel ist am Ende an Corona gescheitert"

HSV-Präsident Marcell Jansen hat zu dieser Frage eine klare Meinung. „Wenn wir ehrlich sind, dann hätte es keinen verdienteren Aufsteiger als Holstein Kiel gegeben. Aber Kiel ist am Ende an Corona gescheitert. Der Mannschaft haben nach den zahlreichen Wochen in Quarantäne im Saisonendspurt verständlicherweise die nötigen Körner gefehlt. Mir tat das für Kiel wahnsinnig leid. Das war schon brutal“, sagt Jansen, der Ähnliches in diesem Jahr befürchtet: „Der Faktor Corona wird in der Rückrunde erneut eine große Bedeutung haben. Man sieht auch schon vor dem ersten Spieltag in 2022, dass die Vorbereitung der Clubs bestimmt wurde durch Corona. So mussten einige Vereine ihre Trainingslager absagen, weil sie unter vielen Corona-Erkrankungen litten.“

Die Befürchtung, dass – ähnlich wie bei den Bayern gegen Gladbach – Woche für Woche Leistungsträger ausfallen, ist groß. Erste Stimmen forderten, dass die DFL ihre Spielordnung neu zu überdenken habe, nach der Spiele nicht abgesagt werden dürfen, so lange 15 Profis gefunden werden, die sich nicht infiziert haben. Dabei zählt die DFL allerdings auch Profis dazu, die derzeit an einer anderen Verletzung laborieren oder für die Nationalmannschaft (zum Beispiel beim Afrika-Cup) abgestellt sind.

Regularien der DFL vor Corona festgelegt

„Es gibt Regularien von der DFL, welche wir annehmen und akzeptieren für den heutigen Tag. Allerdings wurden diese Regularien in einer Zeit gemacht, in der es Corona noch nicht gegeben hat. Ich kann nur anregen, dass, wenn sich alles beruhigt hat, diese Regularien noch mal überarbeitet werden“, hatte beispielsweise Jansens früherer Mitspieler Oliver Kahn in seiner Funktion als Bayernboss beim TV-Sender Dazn gesagt – und wurde am Dienstag erhört.

So gab das DFL-Präsidium am späten Nachmittag bekannt, dass man die Kommission Fußball, bei der auch HSV-Vorstand Jonas Boldt dabei ist, beauftragt habe, sich im Hinblick auf die kommende Saison mit den in der DFL-Spielordnung festgehaltenen Regelungen zur Absetzung von Begegnungen zu befassen.

Spieler infizierten sich häufig im Urlaub mit Corona

Annett Rombach von der Kanzlei Klinkert Rechtsanwälte dürfte darüber nicht wirklich erfreut sein. „Die DFL hat für die Spielorganisation im Hinblick auf Corona einen gewissen Rahmen geschaffen. Würde man diesen Rahmen jetzt auflockern, dann würde sich das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach einem fairen Wettbewerb einerseits und der Notwendigkeit, den Spielbetrieb organisatorisch innerhalb des eng getakteten Rahmenterminkalenders zu stemmen, verschärfen“, sagt die Richterin beim Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne (Cas), die auch die DFL berät. „Mein Petitum lautet daher, dass die Clubs innerhalb des von der DFL gesteckten Rahmens ihre arbeitsrechtlichen Möglichkeiten stärker ausschöpfen, wo unverbindliche Appelle an ihre Spieler nicht ausreichen.“

Rombach erinnert daran, dass sich viele der infizierten Spieler im Urlaub angesteckt hätten. „Die Clubs dürften in der aktuell angespannten Situation die Freizeitaktivitäten ihrer Spieler stärker einschränken. In Phasen eines sehr dynamischen Infektionsgeschehens, wie wir es aktuell haben, könnten beispielsweise Fernreisen untersagt werden“, sagt sie. „Der Muster-Arbeitsvertrag der DFL sieht vor, dass die Clubs auch präventive Maßnahmen zur Gesunderhaltung ihrer Spieler anordnen dürfen.“

Jansen will auf technische Innovationen setzen

Jansen will eher auf Verständnis als auf Verbote setzen. Und anders als Rombach möchte er auch die DFL stärker in die Pflicht nehmen. „Warum gibt es nach knapp zwei Jahren in der Pandemie noch immer keine flächendeckenden Anpassungen der Hygienestandards im Profifußball?“, fragt er.

„Die DFL und die Clubs müssen ja merken, dass die zu Beginn sehr gut funktionierenden Hygienekonzepte nicht mehr allein ausreichen. Es gibt längst technische Innovationen, die ermöglichen, innerhalb von 30 Minuten ein PCR-Ergebnis zu bekommen und die ganze Mannschaft und den Staff gleichzeitig zu testen. Das hat den großen Vorteil, dass Labor-Kapazitäten frei werden und die Clubs im eigenen Stadion testen können. Mit einem eigenen Drive-in-Verfahren und diesen Möglichkeiten ist die Wahrscheinlichkeit von Quarantäne ganzer Mannschaften fast ausgeschlossen. In Hamburg haben wir und andere Sportvereine sehr gute Erfahrungen mit diesem PCR-Schnelltest-System gemacht.“

„Es ist für jede Mannschaft das gleiche Risiko“

So setzt auch Aufstiegskonkurrent St. Pauli auf die Tests von Neu-HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld. „Omikron ist ein Thema für uns alle. Wir sind bisher ganz gut durchgekommen. Das Konzept an der Kollau stimmt“, sagt St. Paulis Kapitän Philipp Ziereis – und erinnert daran, dass die Corona-Thematik alle betrifft: „Es ist für jede Mannschaft in der Liga das gleiche Risiko.“

Das sieht Juristin Rombach ähnlich: „Man muss eines noch mal betonen: Für alle Clubs ist die Ausgangslage die gleiche. Jeder Club sollte bestmöglich versuchen, sich an die eigenen Hygienekonzepte zu halten.“ Der Vorteil im Vergleich zur vergangenem Saison, als zahlreiche Spiele nachgeholt wurden: Mittlerweile müssen komplette Mannschaften nur im seltensten Fall in Quarantäne. Spielabsagen dürfte es aufgrund von Corona deswegen bis zum Saisonende nur wenige geben, Ausfälle von Leistungsträgern dagegen umso mehr. So hat es im Winter den früheren Hamburger und jetzigen Schalker Simon Terodde bereits zum zweiten Mal erwischt.

HSV News: Jatta steht wieder auf dem Platz

Vor dem Neustart der 2. Liga scheint immer klarer: Wer am besten außerhalb des Platzes Corona in den Griff bekommt, der hat auch auf dem Platz die besten Chancen. Das glaubt auch Jansen: „Das Coronavirus wird auch in den nächsten Jahren nicht verschwinden, somit brauchen wir klare Strategien und die besten Möglichkeiten, die Gesundheit der Teams sowie einen fairen Wettbewerb gewährleisten zu können.“

Jatta freut sich jedenfalls, dass er am Freitag auf dem Platz dabei sein darf. Er ist der erste Hamburger Profi, der geimpft, geboostert und genesen ist. Nun will er nur noch eines: gewinnen.