Hamburg. Nach dem Ex-Nationalspieler blieb kein HSV-Keeper länger als eine Saison die Nummer eins. Das will Neuzugang Marko Johansson ändern.
Am späten Mittwochabend hatte Marko Johansson eine Verabredung. Mit seinem aufgeklappten Laptop. Via Livestream schaute sich der 22 Jahre alte Neu-Hamburger das Qualifikationsspiel zur Champions League von Ex-Club Malmö FF gegen den bulgarischen Meister Ludogorez Rasgrad an. „Natürlich drücke ich die Daumen“, sagt Johansson, als er morgens sein viertes HSV-Training hinter sich gebracht hat.
Mit den Daumen und natürlich auch mit dem Rest seiner Hände möchte er in den kommenden Jahren nun in Hamburg für Furore sorgen. „Ich will besser werden und ich will auch die anderen Torhüter bei uns pushen, damit sie besser werden“, sagt er. Zunächst einmal wolle sich der Keeper adaptieren, dann werde man weiter sehen, ob er bereit sei für den Kampf um die Nummer eins im HSV-Tor. „Das wird die Zukunft zeigen.“
HSV plant mit Johansson als Nummer eins
Glaubt man den HSV-Verantwortlichen, dann soll dem jungen Schweden mit serbischen Wurzeln („Ich bin zu 100 Prozent Schwede und zu 100 Prozent Serbe) diese Zukunft gehören. Johansson wurde nicht als klassischer Vertreter von Daniel Heuer Fernandes geholt, sondern als potenzielle Nummer eins. „Wir haben einen Torwart gesucht, der entwicklungsfähig ist und zugleich auch schon Erfahrungen gesammelt hat“, sagte Sportdirektor Michael Mutzel, der Johansson perspektivisch viel zutraut.
Das Problem an der Geschichte: Johansson ist nicht der erste Torhüter, dem eine große HSV-Zukunft vorausgesagt wurde. Tatsächlich hat es seit René Adler keinen Hamburger Keeper mehr gegeben, der in zwei aufeinanderfolgenden Spielzeiten den Status als Nummer eins behalten konnte. Eine Beobachtung, die selbst Adler so noch nicht aufgefallen war.
HSV-Torhüter: René Adler beleuchtet Problem
Der frühere Torhüter sitzt am letzten Abend seines Ibiza-Urlaubs in seinem Feriendomizil und spricht leise. Söhnchen Casper (2) soll nicht aufwachen. „Torhüter sind oft Führungsspieler und Teil einer Führungsachse“, sagt der ehemalige Nationaltorhüter, der die ewige Torwart-Rotation im Volkspark nach seiner HSV-Zeit nur aus der Ferne beobachtet hat.
„Ein großes Problem ist es, wenn die Verantwortlichen, die einen Torhüter XY geholt haben, jedes Jahr ausgetauscht werden. Dann kann man auch auf der wichtigen Position im Tor keine Konstanz schaffen“, sagt Adler.
HSV tauscht regelmäßig Torhüter um Torhüter
Wer die fehlende Konstanz beim HSV verstehen will, der muss das ewige Hin und Her im HSV-Tor verstehen. So wurde Adler-Nachfolger Christian Mathenia von Ex-Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer geholt. Für 800.000 Euro aus Darmstadt. Und mit großen Vorschusslorbeeren. Ein Jahr später war es dann Sportchef Jens Todt, der im Tor Handlungsbedarf sah. Es kam Julian Pollersbeck. Für 3,5 Millionen Euro aus Kaiserslautern. Und mit großen Vorschusslorbeeren.
In der Saison darauf war es Sportvorstand Ralf Becker, der sich – kurz vor seiner Entlassung – für einen neuen Torhüter starkmachte. Es kam Heuer Fernandes. Für 1,3 Millionen Euro aus Darmstadt. Und mit großen Vorschusslorbeeren. In der vergangenen Saison war es schließlich Becker-Nachfolger Jonas Boldt, der im Tor Handlungsbedarf sah. Sven Ulreich wurde geholt. Von Bayern München. Und mit großen Vorschusslorbeeren. Und nun also Johansson. Geholt von Mutzel. Für 600.000 Euro aus Malmö. Inklusive großer Vorschusslorbeeren. Natürlich.
Die HSV-Torhüterduelle:
- 21/22: Daniel Heuer Fernandes vs. Marko Johansson
- 20/21: Sven Ulreich vs. Daniel Heuer Fernandes
- 19/20: Daniel Heuer Fernandes vs. Julian Pollersbeck
- 18/19: Julian Pollersbeck vs. Tom Mickel
- 17/18: Christian Mathenia vs. Julian Pollersbeck
- 16/17: René Adler vs. Christian Mathenia
Adler über Keeper Johansson und Christensen
„Es ist normal, dass man für einen guten Torhüter auch eine entsprechende Ablöse ausgibt“, sagt Adler, der einst von Frank Arnesen ablösefrei aus Leverkusen geholt wurde. „Aber meiner Meinung nach sollte es in guten Vereinen eher die Regel als die Ausnahme sein, dass man die Nummer zwei und drei aus dem eigenen Nachwuchs entwickelt.“
Nun will sich Johansson beim HSV entwickeln. „Ihn kenne ich noch nicht. Die Schweden waren ja nicht bei der U-21-EM“, sagt Adler, der bei der U-21-EM als Ran-Experte ein genaues Auge auf die Torhüter geworfen hatte. So habe er auch den Dänen Oliver Christensen genau beobachtet, an dem ja auch der HSV Interesse gehabt haben soll. Adlers Urteil „Ein guter Keeper mit Potenzial, aber kein internationales Toptalent.“
HSV-Torhüter: René Adler übt Kritik
Von der aktuellen HSV-Nummer-eins ist Adler dagegen überzeugt. Nicht von Johansson, sondern von Heuer Fernandes. „Bei Ferro bleibe ich bei meiner Meinung: Er ist ein sehr guter Zweitligatorhüter. Ich schätze ihn“, sagt der 36-Jährige – und erlaubt sich eine kritische Anmerkung.
„Nachdenkenswert finde ich es, wenn man vor einem Jahr zu der Überzeugung kommt, dass Ferro doch nicht das Zeug zum sehr guten Zweitligatorhüter hat. Und jetzt hat er es wieder.“ Das Talent würde man nicht verlieren. „Als Club muss man sich dann schon mal die Frage stellen, warum man dieses Talent dann nicht mehr abruft.“
Ob sich auch Johansson diese Frage gestellt hat, weiß man nicht. „Der HSV ist ein großer Club“, sagt er, als er auf die Gründe für seinen Wechsel angesprochen wird. „Hier will ich den nächsten Schritt gehen.“ Um diesen Schritt zu gehen, will er am Sonntag erstmals auf der HSV-Bank Platz nehmen. Nicht in der Champions League. Sondern in der Zweiten Liga. Gegen Darmstadt.