Hamburg/Gelsenkirchen. Robert Glatzel, Moritz Heyer und Bakery Jatta sorgen nach Rückstand für den verdienten Auswärtssieg zum Ligaauftakt.
Tim Walter jubelte mit der HSV-Bank ausgelassen, als Schiedsrichter Timo Gerarch am Freitagabend ein letztes Mal in seine Pfeife blies und den 3:1 (0:1)-Sieg des HSV beim FC Schalke 04 besiegelte. So hatte sich der neue Hamburger Trainer seine Pflichtspielpremiere in der Zweiten Liga vorgestellt.
Dank einer deutlichen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit machten die Hamburger vor 19.770 zugelassenen Zuschauern in der Veltins-Arena den Traumstart perfekt. Die Treffer erzielten Robert Glatzel (53.), Moritz Heyer (86.) und Bakery Jatta (88.). Dabei mussten die Norddeutschen schon früh einen Gegentreffer von Ex-HSV-Stürmer Simon Terodde verdauen. "Es war nicht ganz einfach, fangen früh das Gegentor. Das ist auswärts nicht schön, aber wir haben unseren Fußball durchgezogen. Das war bemerkenswert", lobte der neue HSV-Kapitän Sebastian Schonlau.
Im Spielerkreis schnappte sich Trainer Walter nach dem Abpfiff erst einmal Jatta, den Torschützen zum 3:1, und herzte ihn ausgiebig. "Baka ist einfach ein liebenswerter Mensch. Es geht mir um den Menschen, nicht nur um den Spieler, der ein Tor schießt. Es macht einfach Spaß. Die Jungs sind allgemein aufnahmefähig, sie haben immer Bock, und das zeigen sie jeden Tag im Training. Darum macht mir die Arbeit so viel Spaß", schwärmte Walter.
Der HSV beim FC Schalke 04: Der Ticker zum Nachlesen:
Exakt 100 Duelle gab es zwischen den beiden Traditionsvereinen in der Bundesliga. Lange Jahre duellierten sich S04 und der HSV um die internationalen Plätze. Die Realität heißt aber Zweite Liga. Vor dem Spiel gab es eine Schweigeminute für die Opfer der schlimmen Flutkatastrophe im Süden und Südwesten der Republik.
Gänsehaut-Stimmung auf den Rängen - HSV beeindruckt
Mit der Ruhe war es danach aber erst einmal vorbei. Die Fans auf den Rängen sorgten für eine elektrisierende Stimmung, wie es sie seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland nicht mehr gegeben hatte. Schalke war von Beginn an die aggressivere und bessere Mannschaft.
Für den ersten gefährlichen Moment sorgte für die Schalker ein Mann, der in Hamburg bestens bekannt ist. In der fünften Minute kam Simon Terodde, der im Sommer ablösefrei vom HSV nach Gelsenkirchen gewechselt war, aus sieben Metern zum Abschluss. Sein Schuss ging aber Zentimeter am Pfosten vorbei.
Terodde schockt den HSV in der fünften Minute
Deutlich besser zielte der Torjäger zwei Minuten später, doch sein Treffer wurde zunächst wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht gegeben. Nach Überprüfung durch den Video Assistant Referee (VAR) gab Schiedsrichter Gerach aber den Treffer, weil Terodde beim Pass von Marius Bülter auf gleicher Höhe mit HSV-Mittelfeldspieler Jonas Meffert war.
Dem Gegentreffer ging ein unnötiger Ballverlust von Rechtsverteidiger Jan Gyamerah voraus, der in der gegnerischen Hälfte in die Mitte dribbelte, dort aber nach einer technisch unsauberen Annahme fair von Dominick Drexler vom Spielgerät getrennt wurde.
Da HSV-Kapitän Sebastian Schonlau sich ins Angriffsspiel eingeschaltet hatte, klafften große Lücken in der Defensive. Das Thema Restverteidigung bei Kontern war bereits in der Vorbereitung ein Thema.
Kinsombi versuchte, einen Elfmeter zu schinden
Es war ein Wirkungstreffer. Die Hamburger fanden überhaupt nicht in die Partie. Eine erste Halbchance hatte Manuel Wintzheimer in der 15. Minute, der den Ball aber in aussichtsreicher Position nicht richtig traf. Ähnlich ungeschickt wie der Abschluss war auch der Versuch von Kinsombi nach 15 Minuten, einen Elfmeter herauszuholen. Die Pfeife blieb zurecht stumm.
In der Folge kamen die Hamburger etwas besser zurecht, hatten immer wieder längere Ballbesitzphasen, aber wie über weite Strecken der Vorbereitung fehlte es an Tiefe im Offensivspiel. Die große Chance zum Ausgleich bekamen die Hamburger aber dennoch. Nach einem Foul im Strafraum von Schalke-Verteidiger Florian Flick an Kinsombi zeigte der Unparteiische in der 27. Minute auf den Punkt.
Langer hält Foulelfmeter von HSV-Stürmer Glatzel
Den fälligen Elfmeter verschoss der im Sommer von Cardiff City verpflichtete Stürmer Robert Glatzel, der an Keeper Michael Langer scheiterte. Der nächste Tiefschlag zu einem Zeitpunkt, als die Hamburger zunehmend besser agierten.
HSV fehlte es zunächst an Tiefe im Spiel
Und das Momentum der Partie wechselte wieder zunehmend auf Schalker Seite. Teroddes Sturmpartner Bülter tanzte zehn Minuten vor der Pause HSV-Talent Jonas David aus, schoss aber lediglich aus spitzem Winkel ans Außennetz. Und die Hamburger? Die hatten weiter viel Ballbesitz, aber es fehlt an Esprit. Keiner der Mittelfeldspieler war in der Lage, den Ball in die gefährlichen Räume zu spielen. Die Walter-Elf tat sich schwer gegen das gut organisierte 5-3-2-System der Schalker.
Auch über Standardsituationen entstanden zumindest auf Hamburger Seite kaum gefährliche Aktionen. In der Nachspielzeit hatte das Walter-Team noch riesiges Glück, als ein Freistoß aus dem Halbfeld von Thomas Ouwejan an Freund und Feind vorbeiflog und Daniel Heuer Fernandes im HSV-Tor zu einer Glanzparade zwang. So gingen die Hamburger mit einem 0:1 in die Pause.
Nach der Pause zeigte sich der HSV stark verbessert
Nach dem Seitenwechsel verzichtete Walter zunächst auf personelle Wechsel. Die Hamburger hatten weiterhin viel Ballbesitz, einige ganz nette Ballstafetten, aber keinerlei Zug zum gegnerischen Tor. Und so sorgte eine Standardsituation für den Ausgleich. Einen starken Freistoß von Tim Leibold hielt Langer in der 53. Minute noch sensationell, gegen den Nachschuss von Glatzel war aber auch er machtlos.
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Es war der Auftakt zu einer wilden zweiten Halbzeit. In der 55. Minute lief Schalkes Ouwejan frei auf das HSV-Tor zu, doch Heuer Fernandes reagierte überragend und vereitelte die Großchance. Und Schalke rannte weiter wütend an. Immer wieder im Mittelpunkt: Simon Terodde, der nach einer Stunde Spielzeit beinahe den Doppelpack schnürte, im letzten Moment aber an Heuer Fernandes und dem Pfosten scheiterte.
Danach nahm sich die Partie eine kleine schöpferische Pause. Beide Mannschaften lauerten auf den Fehler des anderen. Und Walter setzte in der Schlussphase auf frische Kräfte. Sonny Kittel kam nach seinem überstandenen Haarriss im Wadenbein ebenso in die Partie wie Neuzugang Mikkel Kaufmann. Und der HSV war es, der deutlich mehr für das Spiel tat. Das Schalker Publikum wurde zunehmend ruhiger und angespannter. Und das zurecht.
Trainer Walter wechselt den HSV-Sieg ein
In der 85. Minute sorgte der zuvor eingewechselte Mittelfeldspieler Moritz Heyer nach schöner Vorarbeit des ebenfalls eingewechselten Maximilian Rohr per Flachschuss für die 2:1-Führung.
Doch Schalke wehrte sich noch einmal. Innerhalb von zwei Minuten musste der an diesem Abend herausragende HSV-Keeper Heuer Fernandes gleich zweimal gegen Ouwejan und Bülter spektakulär retten (88./89.) Und praktisch im Gegenzug sorgte Jatta per schöner Direktabnahme für das 3:1. "Ferro (Daniel Heuer Fernandes, Anm. d. Red) hat viel auf den Kopf bekommen. Heute hat er bewiesen, warum er bei uns im Tor steht", lobte Trainer Walter den Top-Auftritt seines Keepers.
Der Rest? Emotionen pur über einen Traumstart, der aufgrund der starken zweiten Halbzeit hochverdient war. "Das war schon gut, was meine Jungs gemacht haben. Insgesamt war es verdient. Wir hatten die ersten zehn Minuten Schwierigkeiten, reinzukommen. Mit dem Gegentor fangen wir an, unser Spiel zu spielen, das was wir wollen. Dann verschießen wir einen Elfmeter", der die wackelige Anfangsphase auch mit den ungewohnten äußeren Umständen erklärte: "Überragend! Es macht einfach Spaß, dass wieder Menschen anfeuern. Es ist eine Freude und sensationell für alle auf dem Platz. Man war am Anfang etwas beeindruckt. Was ich einfordere, dass sie mutig sind, bereitschaft an den Tag legen und viel investieren, das habe ich heute gesehen", bilanzierte der Neu-Trainer.
- Die Aufstellungen:
- FC Schalke 04: Langer - Thiaw, Flick (56. Becker), Kaminski - Ranftl, Palsson, Ouwejan - Drexler (73. Krasniqi), Latza (31. Idrizi) - Terodde, Bülter.
- HSV: Heuer Fernandes - Gyamerah, Schonlau, David, Leibold - Meffert - Kinsombi (71. Rohr), Reis (67. Reis) - Wintzheimer (78. Kittel) - Jatta, Glatzel (78. Kaufmann).
- Schiedsrichter: Timo Gerarch (Landau)
- Tore: 1:0 (8. Minute) Terodde, 1:1 (53.) Glatzel, 2:1 (86.) Heyer, 3:1 (90.) Jatta.
- Bes. Vorkommnis: Glatzel (HSV) scheitert mit Foulelfmeter an Torwart Langer (27.)