Hamburg. Fortuna-Stürmer Rouwen Hennings über seine Zeit in Hamburg und den größten HSV-Wahnsinn, den er leidvoll miterleben musste.

Fortuna Düsseldorfs Rouwen Hennings hatte es sich im Arbeitszimmer in seinem Haus im Süden von Duisburg bequem gemacht, als ihn das Abendblatt zum (Verbal-)Duell vor dem (Spitzen-)Duell bat. An diesem Dienstag (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) empfängt Düsseldorf den HSV. Das Topspiel des 18. Spieltags ist nicht nur das Duell zwischen dem Vierten und dem Tabellenführer, der derzeit formstärksten Teams der Zweiten Liga und der größten Aufstiegsfavoriten. Für Hennings ist es vor allem auch ein Duell seines jetzigen gegen seinen ersten Proficlub.

„Beim HSV fing ja alles an“, sagt der 33-Jährige, der gut 50 Kilometer nördlich vom Volkspark in Bad Oldesloe geboren und aufgewachsen ist. Seit mehr als vier Jahren spielt Hennings mittlerweile tief im Westen in Düsseldorf und ist nach 49 Toren in 135 Spielen laut Sohn Noah sogar eine „lebende Fortuna-Legende“. Doch sobald man auf Hamburg und den Volkspark zu sprechen kommt, wird schnell deutlich, dass der HSV für Hennings noch immer ein „ganz besonderer Club“ ist.

Rouwen Hennings: Wie alles beim HSV begann

Hennings‘ HSV-Zeitreise beginnt 1999, als der Vater eines Freundes den zwölfjährigen Überflieger des VfL Oldesloe beim HSV angepriesen hatte. „Damals wollte ich aber noch mit meinen Kumpels zusammenspielen“, erinnert sich der Torjäger, der erst ein Jahr später nicht mehr Nein sagen konnte.

In der C-Jugend pendelte Hennings täglich aus Bad Oldesloe nach Norderstedt, zog als B-Jugendlicher ins HSV-Internat und galt als A-Jugendlicher als eines der größten Talente des Nordens. Seine ersten Tore im Herrenbereich schoss er beim 4:1-Sieg der Amateure des HSV gegen Bayer Leverkusen II mit René Adler im Tor. Doch wie so viele Talente schaffte auch Hennings zum Start seiner Karriere den Durchbruch erst, als er den HSV verließ. „Beim HSV war ich immer ein Jugendspieler, das Talent. Da habe ich mir schon gedacht, dass es schade war, dass ich nie so richtig eine Chance bekommen habe“, sagt Hennings heute.

Hennings über St. Paulis legendären Fettclub

In Hamburg sollte Hennings‘ Karriere trotzdem so richtig in Schwung kommen – allerdings nicht beim HSV, sondern beim Stadtrivalen. „Bei St. Pauli konnte ich aktiv mitgestalten“, sagt der frühere Kiezkicker, der trotz aller Aktivität beim FC St. Pauli schnell zum Mitglied des legendären Fettclubs wurde. „Unser Motto hieß damals: Fett schießt Tore“, erinnert sich Hennings lachend im HSV-Podcast.

Der Hintergrund: St. Paulis damaliger Athletiktrainer Pedro Gonzalez hatte alle Profis mit einem Fettanteil von mehr als zwölf Prozent zu Extra-Einheiten verdonnert. Da aber mit Hennings, Torjäger Marius Ebbers, Toptalent Max Kruse, Führungsspieler Matthias Lehmann und Flügelflitzer Deniz Naki ausgerechnet die treffsichersten Profis in den Fettclub mussten, hatte Gonzalez bald keine Argumente mehr.

Heute, rund zehn Jahre später, hat Hennings einen Fettanteil von elf Prozent – und gehört noch immer zu den treffsichersten Stürmern der Zweiten Liga. In Düsseldorf führt er nach 15 Bundesligatreffern in der vergangenen Spielzeit auch in diesem Jahr wieder die interne Rangliste mit sechs Saisontoren an. Und der dreifache Familienvater hat schon nachgewiesen, dass er durchaus auch gegen seinen HSV treffen kann. Für den Karlsruher SC traf Hennings 2015 im Relegationshinspiel aus spitzem Winkel zur 1:0-Führung. Der HSV-Torhüter damals: Erneut René Adler. „René schien mir wohl zu liegen“, witzelt Hennings.

Hennings erinnert sich an Relegation gegen HSV

Doch das Scherzen vergeht dem mittlerweile 33 Jahre alte Fußballer schnell, wenn er noch einmal an die Relegation 2015 zurückdenkt. „Es ist wahnsinnig bitter gewesen“, sagt Hennings, wenn er auf Marcelo Diaz‘ Last-Minute-Rettung angesprochen wird. „Der HSV hat es in den Jahren davor nicht gut gemacht und in den Jahren danach auch nicht. Es wäre nicht wirklich schlimm gewesen, wenn der HSV schon in dem Jahr abgestiegen wäre.“

Das Ende dieser Geschichte ist hinlänglich bekannt: „Tomorrow, my friend“, Verlängerung und der wohl emotionalste HSV-Sieg seit 1983 auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite die große Depression. „Als ich in der Kabine saß, die Schuhe ausgezogen hatte, kamen die Tränen“, gibt Hennings fünf Jahre später zu. „Unser damaliger Pressesprecher hat mich dann in den Arm genommen. Das war einfach ein sehr emotionaler Moment.“

Hennings wäre fast zum HSV gewechselt

Was heute kaum einer weiß: Drei Jahre später hätte nicht viel gefehlt, dass Hennings trotz dieses traumatischen Erlebnisses zurück zu seinem Jugendverein gewechselt wäre. Als der HSV im Sommer 2018 dann doch abstieg, hatte Ex-Sportvorstand Ralf Becker mal nachgefragt, ob ein Wechsel zum HSV möglich wäre. Doch Hennings blieb in Düsseldorf, spielte ein Jahr später die beste Saison seines Lebens – und will nun auch nach der Karriere zunächst im Westen bleiben. „Wenn beim Alter eine drei vorne steht, dann macht man sich ja schon einige Gedanken. Und bei mir steht schon ziemlich lange eine drei vorne“, sagt der zweitälteste Fortune.

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An diesem Dienstagabend will Hennings aber vor allem den Tabellenführer alt aussehen lassen. „Es ist ein echtes Spitzenspiel. Wir sind jetzt in Schlagdistanz“, sagt der Schleswig-Holsteiner, der nach drei Aufstiegen mit St. Pauli, Burnley und Düsseldorf im Sommer gerne Aufstieg Nummer vier feiern würde. „Von mir aus auch sehr gerne mit dem HSV zusammen“, sagt er – und verabschiedet sich. Er müsse jetzt die Kinder ins Bett bringen. „Also, bis Dienstagabend im Stadion.“

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