Hamburg/Dortmund. Patrick Owomoyela wäre für den Club seiner Heimatstadt beinahe doch noch in der Bundesliga aufgelaufen. Bald Praktikant unter Thioune?
Wenn Daniel Thioune sich an seine gemeinsame Zeit mit Patrick Owomoyela beim VfL Osnabrück erinnert, denkt er zuerst an den 25. August 2001. Erste Runde im DFB-Pokal. Der damalige Regionalligist Osnabrück empfing den damaligen Bundesligisten Hansa Rostock. Trotz eines verschossenen Elfmeters von Kapitän Thioune schaffte der VfL die große Überraschung und gewann mit 2:1. Auch, weil der vom Lüneburger SK gekommene Owomoyela an der Bremer Brücke ein überragendes Spiel machte und zwei Tore vorbereitete. „Das ganze Stadion hat ihn gefeiert“, erzählt Thioune. „Wegen seiner Frisur haben alle Shaggy gerufen.“
Es war nicht nur der Tag, an dem Owomoyela in Osnabrück aufgrund seiner Ähnlichkeit zum jamaikanischen Reggae-Sänger einen neuen Spitznamen bekam, sondern auch die Zeit, in der eine enge Freundschaft zwischen Thioune und Owomoyela entstand. 20 Jahre später sitzt „Owo“, wie ihn heute seine Freunde nennen, in seinem neu gebauten Haus in Dortmund und schaltet sich in den Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ ein. Eine Woche vor dem Spiel des HSV gegen Osnabrück spricht Owomoyela über seine ganz besondere Verbindung zum heutigen HSV-Trainer, der vor einem halben Jahr aus Osnabrück nach Hamburg gekommen ist – in die Heimatstadt von Owomoyela.
Thioune machte Owomoyela zum Patenonkel
„Daniel hat mich damals in Osnabrück an die Hand genommen. Ich war 21 Jahre alt und habe das erste Mal von zu Hause weg gewohnt. Er hat mir im Privaten geholfen und mir natürlich auch bei der Abendgestaltung ein wenig unter die Achseln gegriffen. So hat sich eine Freundschaft entwickelt“, sagt Owomoyela, der sich noch heute regelmäßig mit Thioune und seiner Familie trifft. Denn der 41-Jährige wurde nicht nur ein guter Kumpel seines Osnabrücker Mitspielers, sondern auch der Patenonkel von Daniel Thiounes Sohn Joshua, den er seitdem regelmäßig trifft. „Auch Joshua hat mich auf meinen weiteren Stationen immer mal wieder besucht. Er durfte zum Beispiel mal in den Katakomben in Dortmund beim Champions-League-Spiel gegen den FC Barcelona dabei sein“, erinnert sich der Patenonkel.
Denn während Thioune die 20 Jahre nach ihrer gemeinsamen Saison fast ausschließlich in Osnabrück verbrachte, startete Owomoyela nach seinem ersten Jahr an der Bremer Brücke eine große Karriere. Bei Arminia Bielefeld wurde der Rechtsverteidiger 2004 zum Nationalspieler. Er machte elf Länderspiele für Deutschland, spielte mit Werder Bremen in der Champions League und wurde mit Borussia Dortmund unter Jürgen Klopp 2011 und 2012 Deutscher Meister, ehe er seine Karriere 2014 beim HSV II unter Trainer Rodolfo Cardoso in der Regionalliga Nord ausklingen ließ.
HSV: Warum es Owomoyela nicht zu den Profis schaffte
Was kaum jemand weiß: Im September 2013 wäre Owomoyela beinahe zu den HSV-Profis gewechselt, als es in Dortmund nicht mehr weiterging. „Thorsten Fink war Trainer, und ich hatte einen Termin für die kommende Woche bei Manager Oliver Kreuzer im Büro, um meinen Profivertrag zu unterzeichnen“, erzählt Owomoyela. „Dann ist der HSV in Dortmund mit 2:6 komplett unter die Räder gekommen, Fink wurde entlassen, und unter Bert van Marwijk wurde wieder alles auf null gestellt. Das war es dann für mich bei den HSV-Profis.“
Stattdessen ging es im Winter zu den HSV-Amateuren. Obwohl Owomoyela in Stellingen nur unweit des Volksparkstadions aufwuchs, war er in der Jugend nie ein Thema beim HSV. Stattdessen spielte er bei Grün-Weiß Eimsbüttel und Stellingen 88. Auch als Basketballer hätte er Karriere machen können, doch am Ende wurde es der Fußball, und Owomoyela startete mit Mitte 20 als Profi durch.
HSV: Wird Owomoyela Thiounes Praktikant?
Heute arbeitet der gebürtige Hamburger als Markenbotschafter für Borussia Dortmund, als TV-Kommentator und Fußball-Experte. Doch auch als Trainer könnte er wie schon als Spieler eine Spätstarter-Laufbahn einschlagen. Während sich bei Kumpel Thioune schon früh andeutete, dass er als Trainer arbeiten könnte, probierte sich Owomoyela auf vielen Ebenen aus. Mittlerweile kann er sich aber gut vorstellen, als Trainer zu arbeiten. Seine A-Lizenz hat er bereits gemacht. Ein Praktikum bei HSV-Coach Thioune würde ihm gefallen.
„Früher dachte ich immer, dass das Trainerdasein nichts für mich ist. In den vergangenen Jahren hat sich meine Denke ein wenig verändert. Aktuell ist das ein großes Thema bei mir“, sagt Owomoyela, der im vergangenen Halbjahr schon bei der A-Jugend des BVB hospitierte. „Jetzt bin ich in alle Richtungen offen. Wenn irgendwann mal jemand kommt und mir anbietet, als Co-Trainer zu arbeiten oder eine U-Mannschaft zu übernehmen, würde ich mich damit beschäftigen.“
Owomoyela lobt die neue HSV-Struktur
Am kommenden Montag wird er sich natürlich anschauen, wie sein Freund Daniel Thioune gegen seine alte Liebe Osnabrück versucht, die Tabellenspitze zu behaupten. „Seit Daniel Trainer in Hamburg ist, gucke ich sehr viel genauer beim HSV zu. Natürlich überprüfe ich, ob man seine Handschrift schon erkennen kann.“ Und Owomoyela erkennt sie. „Das Spiel des HSV ist sehr strukturiert. Die Mannschaft spielt offensiven Ballbesitzfußball. Das bekommt er gut hin. Der Zwei-Punkte-Schnitt spricht für sich. Wichtig ist ja beim HSV, dass man gute Ergebnisse einfährt und schnell zurück in die Bundesliga kommt. Sonst wird es in Hamburg sehr, sehr windig. Da ist er aber auf einem guten Weg.“
Owomoyela warnte Thioune vor "Haifischbecken" HSV
Dass Thioune nach zwischenzeitlich fünf sieglosen Spielen mit drei Niederlagen in Folge in die Kritik geraten war, hat Owomoyela nicht wirklich überrascht. Auch wenn er nie für die HSV-Profis spielte, kennt er die Eigenheiten im Volkspark. „Ich habe Daniel vorher auch gesagt, dass der HSV ein Haifischbecken ist. Wenn man das aber weiß, dann kann man sich darauf einstellen. Und nun ist Daniel dabei, sich und der Mannschaft die Krone des Aufstiegs auch noch draufzusetzen. Er muss nur so weitermarschieren bis zum Sommer.“
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Bis dahin werden die beiden regelmäßig in Kontakt bleiben. Und sich immer wieder an die Geschichte erinnern, wie sie damals in Osnabrück eigenhändig versucht haben, Owomoyela eine neue Frisur zu verpassen. „Daniel hat mir mal geholfen, als ich mir meine Haare glätten wollte. Dummerweise haben wir das Zeug zu lange in den Haaren gelassen. Es war extrem aggressiv. Meine Kopfhaut hat dann gebrannt, und ich war kurz davor, meine Haarpracht zu verlieren.“ Doch Owomoyela und Thioune hatten Glück. „Shaggy“ behielt seine Haare. Noch heute lachen sie über die Geschichte, die dazu beigetragen hat, dass ihre Freundschaft bis heute gehalten hat.
Den ganzen Podcast „HSV – wir müssen reden“ von Patrick Owomoyela mit Gastauftritten von Sebastian Kehl, Otto Addo, König Boris (Fettes Brot), Rodolfo Cardoso und Mathias Hain hören Sie kostenfrei auf abendblatt.de/hsv-podcast und allen gängigen Podcastkanälen.