Hamburg. Der Club ist unzufrieden mit der Einstellung mancher Reservisten. Im Winter bahnen sich deshalb gleich mehrere Transfers an.

Anfang der Woche hatte Daniel Thioune eine spezielle Begegnung im Volkspark. Nach dem Training wurde der HSV-Trainer von einem Vater mit seinem kleinen Jungen angesprochen. Laut Thiounes Erinnerungen bescheinigte der Mann dem Club eine ordentliche Entwicklung, „aber wir würden uns trotzdem über Ergebnisse freuen – gerade der Junge“. Dieser Satz, den der Coach als „positive Kritik“ wahrnahm, habe ihm und der Mannschaft nach fünf sieglosen Spielen in Folge neuen Antrieb gegeben. „Wir brauchen wieder Siege“, sagt Thioune.

Um die Negativserie zu beenden, will der 46-Jährige am Sonnabend bei Darmstadt 98 (13 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) weniger rotieren als im bisherigen Saisonverlauf – zumindest auf den Schlüsselpositionen. Denn es scheint, als hätte Thioune nach zehn Spieltagen seine Achse, die er zuletzt vermisst hatte, gefunden. „Unsere Achse, die wir uns vor der Saison vorgestellt haben, mit Sven Ulreich, Toni Leistner, Klaus Gjasula und Simon Terodde­ kommt jetzt so langsam in den Flow“, sagt Thioune, der kein Geheimnis daraus macht, dass es zuletzt gerade die Führungsspieler waren, die schwächelten. „Vielleicht muss man nicht nur mit den jungen Spielern Geduld haben, sondern auch mit den älteren.“

HSV: Ersatzspieler sorgen eher für Unruhe

Auf die Probe gestellt wird die Geduld des HSV dagegen weiter bei einigen Reservisten. Denn die personellen Wechsel, die Thioune in den vergangenen Wochen durchführte, brachten nur selten den vom Trainer erhofften Impuls. Zu Beginn der Saison zeichnete sich noch ein anderes Bild. In Paderborn (4:3) wurde Siegtorschütze Aaron Hunt eingewechselt. Gegen Würzburg (3:1) wurde der Rückstand dank der taktischen Umstellung zur Pause sowie der Hereinnahme von Amadou Onana gedreht. Und im Derby gegen St. Pauli kam Jeremy Du­dziak, Vorlagengeber zum 2:2, ebenfalls von der Bank.

Doch seitdem fruchten Thiounes personelle Veränderungen während des Spiels nicht mehr. Negativer Höhepunkt war der Vierfach-Wechsel gegen den VfL Bochum (1:3) beim Stand von 1:1.

Manche Einwechselspieler sorgten sogar eher für Unruhe und Lethargie auf dem Platz, anstatt das Spiel positiv zu beeinflussen. Eine Beobachtung, die der Club nicht alleine auf die Wechselentscheidungen des Trainers, sondern vielmehr auf die teilweise unmotivierten Leistungen einiger Reservisten zurückführt. Ein Einstellungsproblem, das der HSV bereits seit dem Testspiel vor rund einem Monat gegen den dänischen Zweitligisten Viborg FF (1:3) ausgemacht hat.

Lukas Hinterseer (l.) und David Kinsombi sind sportlich außen vor beim HSV. Folgt ein Wechsel im Winter?
Lukas Hinterseer (l.) und David Kinsombi sind sportlich außen vor beim HSV. Folgt ein Wechsel im Winter? © imago/Oliver Ruhnke

Gemeint sind vor allem Lukas Hinterseer (29 Minuten Spielzeit in dieser Saison), Gideon Jung (227) und David Kinsombi (63), der vor eineinhalb Jahren noch als Königstransfer für drei Millionen Euro verpflichtet worden war, nun aber seit drei Spielen auf einen Einsatz wartet. „Er steht ein bisschen hinten an“, räumt Thioune ein, der seinem Spieler aber weiterhin Potenzial bescheinigt. Die Frage ist nur, ob und wann Kinsombi dieses Potenzial beim HSV abruft.

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Der sportlichen Führung des Clubs ist es ein Rätsel, warum einige Reservisten weder im Training noch nach ihren Einwechslungen Druck auf die Etablierten ausüben – gerade in einer Phase, in der die Stammkräfte schwächeln. Hinzu kommt, dass Thioune stets die Breite seines Kaders gelobt und an jedem Wochenende seine Aufstellung verändert hat. Teilweise auch überraschend, um die Spannung bis zum Spieltag hochzuhalten. So lautete zumindest der Plan.

HSV führt kritische Einzelgespräche mit Reservisten

Ist der Kader zwar breit genug, aber qualitativ nicht ausreichend für den Aufstieg? „Wir haben richtig gute Spieler auf der Bank“, sagte Sportdirektor Michael Mutzel zuletzt. „Ich habe Vertrauen in den Kader und in die Breite“, ergänzte Thioune am Donnerstag. Hinter den Kulissen wird das Thema deutlich kritischer betrachtet. Intern ist so mancher Reservist bereits kritisiert worden – sowohl in Einzelgesprächen als auch vor der Mannschaft. Die allgemeine Forderung: Die Angesprochenen sollen bereits im Training um mehr Einsatzzeit kämpfen. „Die zweite Reihe muss wieder mehr Druck ausüben. Ich erwarte, dass man für seine Chance brennt“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt jüngst nach der Niederlage gegen Hannover 96 (0:1).

Sollten insbesondere Hinterseer (29), Kinsombi (24) und Jung (26) nicht bereit sein, um ihre Chance zu kämpfen, gilt ein Abgang im Winter als wahrscheinlich – sofern sich ein interessierter Verein findet. Etwas anders stellt sich die Situation bei den Talenten Xavier Amaechi (19) und Jonas David (20) dar, deren Einstellung positiv gesehen wird. Dennoch sollen beide verliehen werden, um mehr Spielpraxis zu erhalten. Im Gegenzug will der HSV im Winter selber auf dem Transfermarkt aktiv werden, um seinen Kader zu verstärken. Dabei soll der Fokus auf Spieler gerichtet werden, die das Team verbessern. Eine These, die auf einige Reservisten nicht zutrifft.