Hamburg. Diskussion um richtigen Umgang mit den HSV-Spielen entfacht. Warum die taktischen Fehler gegen Bochum zugleich Hoffnung schüren.

Am Montagmorgen bekam Daniel Thioune zum ersten Mal mit voller Wucht zu spüren, welche Begleiterscheinungen der Trainerjob beim HSV mit sich bringen kann. „Alles echt schlecht“, lautete die Schlagzeile der „Bild“-Zeitung nach dem zweifellos schlechten Heimspiel gegen den VfL Bochum (1:3). „Grusel-Rückfall im Volkspark“, titelte die „Mopo“, und der „Kicker“ schrieb: „Klare Anzeichen für eine Krise“ – garniert mit gruseligen Noten für fast zwei Drittel der Mannschaft (eine 6, dreimal eine 5,5 und dreimal eine 5). Noten, die kaum noch Spielraum für noch schlechtere Auftritte übrig ließen.

Die Sorge, dass der HSV nach zwei verpassten Aufstiegen auch im dritten Anlauf scheitern könnte, scheint groß. Und so schwebte am Tag nach der ersten Saisonniederlage und dem dritten sieglosen Spiel in Folge die alles und entscheidende Frage über dem Volkspark: War das Bochum-Spiel nur ein Ausrutscher oder ist beim HSV ein negativer Trend erkennbar?

„Die Tendenz ist aufgrund der Ergebnisse nicht gut“, gestand Sportdirektor Michael Mutzel, der sich aber entschieden gegen das Herbeireden einer Krise wehrt. „Wir wissen die Situation gut aufzuarbeiten und lassen uns jetzt nicht von unserem Weg abbringen.“

HSV-Taktik von Thioune diesmal anfällig

Zu diesem Weg gehöre zwangsläufig auch mal eine Niederlage. Über das Wie wird nun aber diskutiert, da der Matchplan des HSV in vielen Bereichen Schwächen offenbarte. So wurde die defensive Dreierkette von den hoch anlaufenden Bochumern vor arge Probleme gestellt. Statt sich spielerisch zu befreien, waren immer wieder lange Bälle von Torhüter Sven Ulreich die Antwort auf das Pressing der Gäste.

Hinzu kam, dass das sonst so spielstarke Hamburger Mittelfeldzentrum – bestehend aus Aaron Hunt (Passquote 69 Prozent), Jeremy Dudziak (71 Prozent) und Amadou Onana (66 Prozent) – einen rabenschwarzen Tag erwischte. Die fehlende Ballsicherheit sei einer der „Schlüssel des Spiels“ gewesen, analysierte Mutzel. War Bochum also nur ein Ausrutscher?

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HSV ist überzeugt von der Bochum-Taktik

„Wir haben den Gegner durch eigene Fehler stark gemacht“, resümierte Mutzel nach der Videoanalyse, die länger als gewohnt dauerte. Dabei sei herausgekommen, dass die gewählte Taktik eigentlich gut gewesen sei. Auch auf das erwartbare Bochumer Pressing sei im Vorfeld hingewiesen und es seien Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt worden. Einzig an der Umsetzung haperte es.

„Bochum hat uns die Grenzen aufgezeigt“, sagte Thioune, der ebenfalls keinen Trend aus den vergangenen drei Spielen ableiten wollte. „Die ganzen Bochumer Chancen resultierten aus krassen Abspielfehlern“, ergänzte Mutzel.

Die Bilder der HSV-Pleite gegen Bochum:

HSV bekommt vom VfL Bochum die Grenzen aufgezeigt

Ratlosigkeit war den HSV-Spielern nach der ersten Saisonniederlage anzumerken.
Ratlosigkeit war den HSV-Spielern nach der ersten Saisonniederlage anzumerken. © Getty Images | Martin Rose
HSV-Torwart Sven Ulreich (l.) foult den früheren Hamburger Robert Tesche elfmeterreif …
HSV-Torwart Sven Ulreich (l.) foult den früheren Hamburger Robert Tesche elfmeterreif … © WITTERS | Valeria Witters
... und wird beim fälligen Strafstoß von Bochums Robert Zulj verladen – 0:1.
... und wird beim fälligen Strafstoß von Bochums Robert Zulj verladen – 0:1. © Getty Images | Martin Rose
Aaron Hunt (r.) wird von Bochums MAxim Leitsch im Strafraum gefoult – Elfmeter für den HSV.
Aaron Hunt (r.) wird von Bochums MAxim Leitsch im Strafraum gefoult – Elfmeter für den HSV. © WITTERS | Valeria Witters
HSV-Stürmer Simon Terodde lässt sich die Chance zu seinem neunten Saisontor nicht entgehen und trifft zum zwischenzeitlichen 1:1.
HSV-Stürmer Simon Terodde lässt sich die Chance zu seinem neunten Saisontor nicht entgehen und trifft zum zwischenzeitlichen 1:1. © WITTERS | Valeria Witters
Danny Blum (l.) feiert mit SImon Zoller sein Traumtor zum 1:2.
Danny Blum (l.) feiert mit SImon Zoller sein Traumtor zum 1:2. © dpa | Martin Rose
Bochums Raman Chibsah (2. v. r.) trifft artistisch zum 1:3 – die Entscheidung.
Bochums Raman Chibsah (2. v. r.) trifft artistisch zum 1:3 – die Entscheidung. © dpa | Christian Charisius
HSV-Angreifer Manuel Wintzheimer (r.) spielte vergangene Saison noch mit dem früheren Hamburger Robert Tesche für den VfL Bochum.
HSV-Angreifer Manuel Wintzheimer (r.) spielte vergangene Saison noch mit dem früheren Hamburger Robert Tesche für den VfL Bochum. © Getty Images | Martin Rose
HSV-Angreifer Bakery Jatta (r., gegen Bochums Gerrit Holtmann) fühlte sich auf ungewohnter Position sichtlich unwohl.
HSV-Angreifer Bakery Jatta (r., gegen Bochums Gerrit Holtmann) fühlte sich auf ungewohnter Position sichtlich unwohl. © Getty Images | Martin Rose
Bochums Cristian Gamboa (l.) kommt vor HSV-Kapitän Tim Leibold zum Kopfball.
Bochums Cristian Gamboa (l.) kommt vor HSV-Kapitän Tim Leibold zum Kopfball. © dpa | Christian Charisius
HSV-Verteidiger Toni Leistner (r.) springt höher als Bochums Simon Zoller.
HSV-Verteidiger Toni Leistner (r.) springt höher als Bochums Simon Zoller. © WITTERS | Valeria Witters
HSV-Stürmer Simon Terodde (u.) gerät im Zweikampf mit Bochums Cristian Gamboa aus der Balance.
HSV-Stürmer Simon Terodde (u.) gerät im Zweikampf mit Bochums Cristian Gamboa aus der Balance. © WITTERS | Valeria Witters
HSV-Physiotherapeut Andreas Thum (l.) und Mannschaftsarzt Götz Welsch bringen den verletzten Jeremy Dudziak vom Platz. Der Spielmacher war zuvor böse am Knöchel getroffen worden.
HSV-Physiotherapeut Andreas Thum (l.) und Mannschaftsarzt Götz Welsch bringen den verletzten Jeremy Dudziak vom Platz. Der Spielmacher war zuvor böse am Knöchel getroffen worden. © WITTERS | Valeria Witters
HSV-Torjäger Simon Terodde (r., gegen Bochums Maxim Leitsch) traf auch gegen seinen früheren Club VfL.
HSV-Torjäger Simon Terodde (r., gegen Bochums Maxim Leitsch) traf auch gegen seinen früheren Club VfL. © dpa | Christian Charisius
HSV-Spielmacher Jeremy Dudziak (r.) zwingt Bochums Armel Bella-Kotchap zu einem Hechtsprung.
HSV-Spielmacher Jeremy Dudziak (r.) zwingt Bochums Armel Bella-Kotchap zu einem Hechtsprung. © WITTERS | Valeria Witters
Bochums Armel Bella-Kotchap (r.) kann HSV-Angreifer Manuel Wintzheimer nur mit unerlaubten Mitteln halten.
Bochums Armel Bella-Kotchap (r.) kann HSV-Angreifer Manuel Wintzheimer nur mit unerlaubten Mitteln halten. © WITTERS | Valeria Witters
Hamburgs Amadou Onana (l.) im Zweikampf mit Bochums Robert Zulj vom VfL Bochum.
Hamburgs Amadou Onana (l.) im Zweikampf mit Bochums Robert Zulj vom VfL Bochum. © dpa | Christian Charisius
Bochums Anthony Losilla (l.) hält sich HSV-Verteidiger Moritz Heyer vom Leib.
Bochums Anthony Losilla (l.) hält sich HSV-Verteidiger Moritz Heyer vom Leib. © WITTERS | Valeria Witters
Robert Zulj (r., im Zweikampf mit HSV-Routinier Aaron Hunt) brachte den VfL Bochum in Führung.
Robert Zulj (r., im Zweikampf mit HSV-Routinier Aaron Hunt) brachte den VfL Bochum in Führung. © WITTERS | ValeriaWitters
Bochums Torwart Manuel Riemann (l.) im Dialog mit Schiedsrichter Tobias Reichel aus Stuttgart.
Bochums Torwart Manuel Riemann (l.) im Dialog mit Schiedsrichter Tobias Reichel aus Stuttgart. © WITTERS | Valeria Witters
Bochums Danny Blum (M.) fährt gegen HSV-Kapitän Tim Leibold das Bein aus.
Bochums Danny Blum (M.) fährt gegen HSV-Kapitän Tim Leibold das Bein aus. © WITTERS | Valeria Witters
Toni Leistner (l.) und Amadou Onana vom HSV bringen Bochums Danilo Soares (u.) aus dem Gleichgewicht.
Toni Leistner (l.) und Amadou Onana vom HSV bringen Bochums Danilo Soares (u.) aus dem Gleichgewicht. © WITTERS | Valeria Witters
HSV-Kapitän Tim Leibold (l.) bestaunt den Kopfball von Bochums Anthony Losilla.
HSV-Kapitän Tim Leibold (l.) bestaunt den Kopfball von Bochums Anthony Losilla. © dpa | Christian Charisius
Man kennt und schätzt sich: HSV-Trainer Daniel Thioune (l.) und sein Bochumer Amtskollege Thomas Reis.
Man kennt und schätzt sich: HSV-Trainer Daniel Thioune (l.) und sein Bochumer Amtskollege Thomas Reis. © dpa | Christian Charisius
Vor dem Anpfiff wurden die Spielbälle im Volksparkstadion desinfiziert.
Vor dem Anpfiff wurden die Spielbälle im Volksparkstadion desinfiziert. © WITTERS | Valeria Witters
Die Ränge im Volksparkstadion mussten wegen der aktuellen Corona-Einschränkungen wieder leer bleiben.
Die Ränge im Volksparkstadion mussten wegen der aktuellen Corona-Einschränkungen wieder leer bleiben. © Getty Images | Martin Rose
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Solche groben Fehler sind dem HSV im bisherigen Saisonverlauf noch nicht unterlaufen. Dennoch tat sich der Club nach dem geglückten Start mit fünf Siegen in Serie bereits beim bislang letzten Erfolg vor exakt einem Monat am 24. Oktober gegen Würzburg (3:1) zumindest eine Halbzeit lang schwer. Es folgten zwei durchwachsene Auftritte gegen St. Pauli (2:2) und in Kiel (1:1) und nun das verdiente 1:3 gegen Bochum. Ist hier ein negativer Trend erkennbar?

„Es war nicht alles schlecht in diesen drei Spielen“, sagte Mutzel, der kurz daran erinnerte, dass der HSV noch immer Tabellenführer der 2. Bundesliga ist, und schließlich fortführte: „Gegen Bochum war relativ viel schlecht.“

Thioune liegt bei HSV-Wechseln daneben

Schlecht oder zumindest wirkungslos waren auch die vier Wechsel von Trainer Thioune unmittelbar nach dem Ausgleichstor von Simon Terodde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich zweifellos gleich mehrere Spieler um eine Auswechslung beworben. Doch mit der ersten erfolgreichen Aktion schien ein Ruck durch die Mannschaft zu gehen. Torschütze Terodde schnappte sich den Ball und rannte zur Mittellinie, um den Schwung mitzunehmen. Doch dieser wurde dem Team durch den Vierfachwechsel, der eher Unruhe ins Spiel brachte, genommen.

Eine Ansicht, die Mutzel nur bedingt teilt. „Ich fand die vier Wechsel gut, weil sie von den Leistungen her angebracht waren. Es ist hinterher immer leicht zu sagen, dass es nicht funktioniert hat, aber es war absolut angemessen“, sagte der Sportdirektor.

Klar ist aber auch, dass Thiounes Wechsel in allen drei sieglosen Spielen verpufften. „Es waren keine guten Entscheidungen. Ich halte den Kopf dafür hin“, räumte der Coach nach dem Bochum-Spiel ein. Die missglückten Wechsel alleine am Trainer festzumachen, wäre jedoch vermessen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass manche Reservisten seit Wochen kaum gute Leistungen anbieten – weder im Training noch im Spiel. Eine Entwicklung, die Mutzel als Momentaufnahme einstuft. „Wir haben richtig gute Spieler auf der Bank.“

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Einige der Reservisten werden in den nächsten Spielen am Sonntag in Heidenheim, gegen Hannover (5. Dezember) und in Darmstadt (12. Dezember) voraussichtlich eine neue Bewährungschance erhalten. Denn so sehr HSV-Coach Thioune nun in der Öffentlichkeit für seine taktischen Fehlgriffe gegen Bochum kritisiert wird, in genau dieser Variabilität liegt auch die Stärke des 46-Jährigen.

Denn jene Kreativität in der Vorbereitung auf den Gegner führte vor dem Bochum-Spiel zu 17 Punkten und einer ungeschlagenen Bilanz. Aus dieser Erkenntnis schöpft auch Mutzel seinen Mut für die kommenden Aufgaben. „Es wird noch öfter passieren, dass ein Plan nicht so gut aufgeht. Trotzdem weiß ich, dass uns eine Idee einfallen wird, wie wir die Heidenheimer knacken werden.“

Mit einem Sieg beim Dritten der vergangenen Saison könnte sich das Bochum-Spiel als Ausrutscher erweisen. Ansonsten wäre es wohl doch ein Trend.