Hamburg. Corona trifft auch den HSV hart: Zum zehnten Mal in Folge schreibt der Club rote Zahlen. Vorstand Wettstein sucht nach Lösungen.

Es dürfte eher Zufall gewesen sein, dass sich Frank Wettstein einen Freitag, den 13., ausgesucht hatte, um die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres zu veröffentlichen. Viel schiefgehen konnte aber ohnehin nicht mehr, schließlich hatte der Finanzvorstand des HSV die Bekanntgabe des Jahresergebnisses seit Tagen vorbereitet. Und die Zahlen, die der Club am Freitagnachmittag um 16 Uhr veröffentlichte, fielen auch besser aus als angesichts der seit März anhaltenden Corona-Krise zu befürchten waren.

Wettstein vermeldete per 30. Juni 2020 ein Bilanzminus von 6,7 Millionen Euro. Ursprünglich hatte der HSV mit einem Fehlbetrag wie im Geschäftsjahr zuvor kalkuliert, als ein Minus von acht Millionen Euro stand. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie sei der HSV dem Ziel „einer nachhaltigen schwarzen Null sehr nahe gewesen“, sagte Wettstein zu den neuen Zahlen.

Warum der HSV Millionen Minus macht

Letztlich aber steht für den HSV zum zehnten Mal nacheinander ein negatives Jahresergebnis. Die Gründe sind leicht erklärt: Durch die fehlenden Einnahmen aus fünf Heimspielen brach der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 24,1 Prozent auf 95,7 Millionen Euro ein. 1,5 Millionen Euro Umsatz entgingen dem HSV pro Geisterspiel.

Auch wenn durch Kurzarbeit, Gehaltsverzicht und eingesparte (Aufstiegs-)Prämien die Personalausgaben kurzfristig um 3,7 Millionen Euro reduziert werden konnten, schätzt Wettstein die Corona-bedingten Verluste auf mehr als sechs Millionen Euro – und damit in etwa die Höhe des Fehlbetrags. Insgesamt sanken die Erlöse aus dem Spielbetrieb um 11,3 Millionen Euro.

„Und dennoch sollten wir zufrieden sein, dass die Saison – wenngleich ohne Zuschauer – bis zum 30. Juni 2020 zu Ende gespielt werden konnte“, sagte Wettstein. Der HSV konnte zudem seine Verbindlichkeiten von 91 auf 74 Millionen Euro reduzieren. Grund zur Zuversicht macht diese Zahl aber nicht.

HSV-Jahresabschluss 2019/2020 – die Kennzahlen

Jahresfehlbetrag

6,6 Millionen Euro(Vorjahr: 8,0 Millionen Euro).

Umsatzerlös

95,7 Millionen Euro(Vorjahr: 126,0 Millionen Euro)

EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen)

13,8 Millionen Euro(Vorjahr: 31,5 Millionen Euro)

Eigenkapital/Quote (Verhältnis zur Bilanzsumme)

34,4 Millionen Euro/25,1 Prozent(Vorjahr: 41,1 Millionen Euro/24,7 Prozent)

Netto-Finanzschulden

45,0 Millionen Euro(Vorjahr: 54,9 Millionen Euro)

Erwartete Umsatzentwicklung fürs laufende Jahr

Minus 35 Prozent(Vorjahr: minus 20 Prozent)

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HSV vor zweistelligem Millionen-Minus

Wettstein kündigt vorsorglich das nächste, womöglich größere Minus an. „Die Auswirkungen treffen uns in der laufenden Saison deutlich härter, wobei insbesondere die Unsicherheit in Bezug auf die Dauer der Pandemie-bedingten Einschränkungen eine noch größere Herausforderung darstellt.“ Für das laufende Geschäftsjahr sei bei den Umsatzerlösen ein Rückgang um weitere 35 Prozent zu erwarten. Somit dürfte das nächste Minus deutlich im zweistelligen Millionenbereich liegen. Die Folgen der Krise würden den HSV sogar „über mindestens fünf Jahre begleiten“, wiederholte Wettstein seine Prognose.

Die größten Sorgen wird die Stadt Hamburg lindern. Sie kauft dem HSV das Volkspark-Gelände für 23,5 Millionen Euro ab, der Vollzug steht aber noch aus. Diese Geld ist allerdings vorgesehen, damit der Club das Volksparkstadion für die Europameisterschaft 2024 entsprechend der Uefa-Vorgaben sanieren kann.

Wettstein kündigt für den Fall, dass nicht bald wieder Tickets für Heimspiele verkauft werden können, weitere Maßnahmen an. Die Erhöhung des Eigenkapitals wäre eine Möglichkeit – es beträgt aktuell 34,4 Millionen Euro, wird aber weiterhin schmelzen, je länger die Corona-Pandemie anhält. „Daher sind wir gut beraten, wenn wir uns weiterhin um alternative Lösungsansätze bemühen“, sagte Wettstein.

Was wird aus der Mitgliederversammlung

Durch die Begrenzung der Anteilsverkäufe auf 24,9 Prozent kann der Club aktuell nur noch 1,09 Prozent Anteile der HSV Fußball AG verkaufen. Maximal vier Millionen Euro könnte der Vorstand damit noch einnehmen. Zu wenig, um die drohenden Einnahmenverluste auszugleichen. Für einen Verkauf weiterer AG-Anteile bräuchte es eine Satzungsänderung, die von der Mitgliederversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit beschlossen werden müsste.

Aktuell ist aber zum einen nicht sicher, ob und wann die nächste Mitgliederversammlung stattfinden kann. Der Termin im Januar ist nicht zu realisieren. Zum anderen hält sich das e.V.-Präsidium um Vereinspräsident Marcell Jansen noch bedeckt, wenn es um dieses Thema geht. Klar ist nur, dass Jansen die Mitglieder rechtzeitig informieren will, wenn diese Frage zur Abstimmung gestellt wird.

Ändert der HSV zeitnah seine Rechtsform?

Dabei spielt auch die Frage nach der Rechtsform eine entscheidende Rolle. Im Hintergrund wird bereits seit eineinhalb Jahren darüber diskutiert, ob der Club die AG künftig in eine KGaA umwandeln soll. Dieses Modell, das unter anderem bei Borussia Dortmund, Werder Bremen, dem 1. FC Köln und Hertha BSC die Grundlage der Profiabteilung bildet, hat den Vorteil, dass ein Club theoretisch 100 Prozent seiner Anteile an Investoren verkaufen kann, der Mutterverein aber weiterhin ganz im Rahmen der 50+1-Regel die Mehrheit behält.

Bevor das HSV-Präsidium dieses Thema mit den Mitgliedern diskutiert, will es aber noch bis Anfang des Jahres die Entwicklung der Corona-Krise beobachten. Oberstes Ziel des HSV sei es, die Liquidität frühzeitig und dauerhaft zu sichern, „um nicht alternativlose Entscheidungen bei Mitgliedern oder Kapitalgebern einzufordern“, sagte Wettstein.

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Muss der HSV Personal abbauen?

Weil er diesen Prozess nicht beeinflussen kann, muss sich der Finanzchef auch mit den Personalkosten beschäftigen. Mit 292 festangestellten Mitarbeitern ist der HSV noch immer aufgestellt wie ein ambitionierter Bundesligist.

Sollte die Corona-Krise anhalten und der Verkauf weiterer Anteile nicht möglich sein, muss Wettstein über einen Personalabbau nachdenken. Sorgen müssten sich dann vor allem die Mitarbeiter des Nachwuchsleistungszentrums machen. Noch gibt der HSV acht Millionen Euro pro Jahr für den Nachwuchs aus.

Der beste Weg aus der Krise liegt aber weiter bei den Profis. Ein Aufstieg in die Bundesliga und der damit verbundene Sprung beim TV-Geld könnte dem HSV so manche Maßnahme ersparen.

Angaben in Euro Mio.2012/132013/142014/152015/162016/172017/182018/192019/20
Umsatzerlöse116,7121,1128,1123,0122,1133,6126,095,7
Jahresergebnis–8,4–9,8–16,9–0,2–13,4–5,8–8,0–6,7
Verbindlichkeiten99,690,789,175,1105,585,591,374,2