Hamburg. Der Stürmer ist die Hoffnung des HSV gegen St. Pauli. Er spricht über seine erfolgreiche Derbyhistorie und seinen ersten eigenen Song.

Simon Terodde kommt am Dienstag in Trainingsklamotten zum Interviewtermin mit dem Abendblatt. Der HSV-Stürmer entschuldigt sich gleich zu Beginn, dass er ganze vier Minuten zu spät kommt. „Tut mir leid, ich musste mir noch eine lange Hose überziehen“, sagt der 32-Jährige und nimmt auf der Westtribüne im Volksparkstadion Platz. Das Gespräch findet draußen unter Einhaltung aller Hygieneregeln statt. Der HSV will wenige Tage vor dem 104. Stadtduell gegen den FC St. Pauli am Freitag (18.30 Uhr/Sky) kein Risiko eingehen. Terodde blickt in das weite Rund der Arena und bedauert, dass das Derby – Stand jetzt – nur vor 1000 Zuschauern stattfindet. Seiner Vorfreude tut das aber keinen Abbruch. Der Mittelstürmer hat beim HSV einen Traumstart gefeiert. Fünf Spiele, fünf Siege, sechs Tore, drei Doppelpacks. Und nun hat der Torjäger sogar noch seinen ersten eigenen Song.

Hamburger Abendblatt: Herr Terodde, haben Sie schon mal von Daweed gehört?

Simon Terodde: Seit dem Wochenende. Mir wurde das Lied am Sonnabend nach dem Spiel gegen Würzburg von Freunden zugespielt.

Zur Erklärung: Daweed ist ein Rapper aus Hamburg, der erst am Freitag den Song „Tormaschine Terodde“ veröffentlicht hat. Er rappt unter anderem vom Doppelpack-King Terodde. Das war noch vor Ihren zwei Toren gegen Würzburg ..

Terodde: Das hat ja ganz gut gepasst (lacht). Coole Sache. Ein eigener Song ist ja nicht selbstverständlich für einen Fußballer und auch für mich das erste Mal. Deutschrap höre ich sowieso ganz gerne. Mir gefällt das Lied. Und meinen Freunden auch. Das ist etwas, was man sich bestimmt auch später gerne noch einmal anhört.

Wir wollen mit Ihnen vor Ihrem ersten Stadtduell mit dem HSV gegen St. Pauli am Freitag über Derbys sprechen. Sie sind ein echter Derby-Experte, oder?

Terodde: Ich habe schon ein paar Derbys gespielt und kriege natürlich mit, dass es auch in Hamburg vor dem Stadtderby immer nur ein Thema gibt. Aber Derby-Experte? So würde ich mich nicht unbedingt bezeichnen.

Ihre Bescheidenheit ehrt Sie. Wir haben gleich drei große Derbys gefunden, in denen Sie entscheidende Tore gemacht haben. Mit Union Berlin gegen Hertha BSC im ausverkauften Olympiastadion. Mit Stuttgart im Baden-Württemberg-Derby in Karlsruhe. Und mit dem 1. FC Köln im rheinischen Derby gegen Mönchengladbach.

Terodde: Okay, so gesehen stimmt das. Solche Spiele erträumt man sich natürlich als Fußballer. Vor allem so ein Spiel wie in Köln. Es war das erste nach meiner Rückkehr in der Winterpause. Wir hatten als Tabellenletzter sechs Punkte Rückstand. Für Gladbach ging es um die Champions League. Ich mache in der Nachspielzeit mit dem Schlusspfiff das 2:1. Das war ein Tor, das ich mir bei YouTube noch häufig angeschaut habe.

Ihr persönlich größter Derby-Moment?

Terodde: Definitiv. Mein Tor im Berliner Olympiastadion mit Union gegen Hertha war auch ein besonderer Moment. Aber Köln war noch emotionaler. Die Fans hatten uns schon vor dem Spiel darauf hingewiesen, wie wichtig das Derby für sie ist und dass sie nicht mit schlechter Laune zur Arbeit gehen wollen. Da sind schon besondere Worte gefallen.

Können Sie verraten, welche?

Terodde: Sie haben uns zum Beispiel gesagt, dass es egal ist, wenn wir absteigen, solange wir das Derby gewinnen. Das war schon eine besondere Motivation für uns.

Beim HSV haben die Ultras vor einigen Jahren vor dem Derby sogar eine Kabinenansprache gehalten. War das in Köln auch so?

Terodde: So ähnlich. Es sind Vertreter aus vier Fangruppen ins Stadion gekommen, und wir haben uns mit der Mannschaft ausgetauscht. Die Fans haben ihre Sicht geschildert. Für uns hatte das einen positiven Effekt. Der Derbysieg hat dann der ganzen Stadt einen Schub gegeben. Ich habe auch viele Köln-Fans in der Familie.

Ihre Frau Laura zum Beispiel?

Terodde: Meine Frau kommt aus Leverkusen, daher sicher nicht (lacht). Aber in meinem erweiterten Familienkreis. Ich bin in Rhede bei Bocholt aufgewachsen im Westmünsterland. In der Region gibt es viele Köln- und Gladbach-Fans. Aber auch das Derby Dortmund gegen Schalke war in meinem Heimatkreis Borken immer ein großes Thema.

Ihr Vater ist aber Bayern-Fan, richtig?

Terodde: Richtig. Das ist er auch immer noch. Er hat mich damals häufiger mit ins Olympiastadion genommen, wenn wir unsere Familie in der Nähe besucht haben. Ich war als Kind mit meinem Vater auch oft in der Grotenburg in Krefeld oder im Schalker Parkstadion, wenn die Bayern kamen.

An welche Derbys Ihrer Fußballanfänge erinnern Sie sich noch zurück?

Terodde: In meiner Gegend rund um Bocholt war gefühlt jedes Spiel ein Derby. Meine Freunde von damals, die jetzt in der Kreisliga spielen, fahren zu Auswärtsspielen nur fünf Minuten. Da spielen Arbeitskollegen oder Freunde gegen­einander. Da ist richtig was los. Man muss sich als Zuschauer auch mal die Ohren zuhalten.

Sie besuchen Kreisliga-Spiele?

Terodde: Na klar. Vor allem die Derbys, zum Beispiel SV Krechting, mein erster Verein, gegen Rhede. Da herrscht eine Rivalität in der Kreisliga wie der Bundesliga.

Spüren Sie denn schon Derbystimmung in Hamburg?

Terodde: In der Stadt noch nicht so sehr. Leider sind Stand jetzt ja auch nur wenige Fans dabei. Wenn ich aber mit unseren Jungs spreche, die in der vergangenen Saison dabei waren, ist das Derby schon ein großes Thema. Sie haben beide Spiele gegen St. Pauli verloren. Das Rückspiel habe ich selbst am Fernseher gesehen. Das ging richtig gut los. Das 0:1 fiel aus dem Nichts. Das Spiel hat gezeigt, dass ein Derby eine ganz eigene Dynamik hat. So eine Partie erwarte ich am Freitag auch. Ein Stadtderby hat einfach eine besondere Brisanz. Man will als Spieler einfach, dass die Fans am Montag glücklich zur Arbeit gehen.

Daniel Thioune hat das Derby nach dem Würzburg-Spiel im Kreis schon angesprochen. Was hat er gesagt? „Jetzt holen wir uns den Derbysieg“?

Terodde: Das hat er nicht gesagt. Aber er hat den Fokus direkt auf das Derby gelegt. Für den ganzen Club ist das ein sehr wichtiges Spiel.

Nach dem Würzburg-Spiel meinte Thioune, für ihn als Trainer sei das Derby nur ein Elf-gegen-Elf. Für Sie auch?

Terodde: Dem Trainer widerspricht man nicht (lacht). Aber er hat ja recht. Es wird ein enges Spiel. In so einem Derby gibt es auch keinen Favoriten. Das hat man beim letzten Mal gesehen.

Können Sie sich an andere Hamburg-Derbys erinnern?

Terodde: Natürlich an das 4:0 des HSV auf St. Pauli. Wir waren ja mit Köln der direkte Aufstiegskonkurrent. Lasogga hat zwei Tore gemacht. Ich saß zu Hause und habe nach dem 3:0 den Fernseher ausgemacht. Zu dem Zeitpunkt war ich sicher, dass Köln und der HSV aufsteigen.

Sie kennen Pierre-Michel Lasogga gut. Hat er Ihnen schon gesagt, wie man beim HSV zum Derbyhelden wird?

Terodde: Nein. Es geht ja in dem Spiel nicht um mich. Lasso und ich haben immer mal wieder Kontakt. Er ist ein guter Junge, der das Herz am rechten Fleck hat. Und er ist ein Spielertyp, dem ich immer gerne zugeschaut habe. Ich habe nicht verstanden, warum er zu Beginn der Zweiten Liga beim HSV oft auf der Bank saß. Er ist ein klassischer Torjäger.

Über Lasogga hat Daweed auch mal einen Song geschrieben. Hören Sie persönlich gerne Fußball-Lieder?

Terodde: Ich surfe schon gerne mal im Netz rum und schaue zum Beispiel nach Liverpool-Songs. In dieser Hinsicht bin ich schon fußballverrückt.

Waren Sie mal beim Merseyside-Derby Liverpool gegen Everton?

Terodde: Nein, aber die Anfield Road steht noch auf meiner Liste. Und der Boxing Day. Wo ich unbedingt mal hinmöchte, ist das Old Firm in Glasgow. Rangers gegen Celtic. Ein guter Freund war da mal, und er sagte, die Stimmung sei unfassbar. Das werde ich definitiv noch machen. Ich gucke aber gar nicht so viel internationalen Fußball. Meistens schaue ich deutschen Fußball. Auch Dritte Liga. Da gibt es auch spannende Derbys.

Haben Sie einen Lieblingsstürmer?

Terodde: Ich fand Mario Gomez immer gut. Der hat damals schon in Stuttgart in meiner Comunio-Mannschaft gut gepunktet (lacht). Aber auch Roy Makaay. Der war auch ein Ein-Kontakt-Stürmer und stand immer richtig. Robert Lewandowski gucke ich mir natürlich auch gerne an. Ich mag Mannschaften, die noch mit einem echten Mittelstürmer spielen. International ist der Neuner ja wieder mehr im Kommen.

Welcher Stürmer spielt denn heute in Ihrer Managerelf? Simon Terodde?

Terodde: Ich spiele heute nicht mehr. Aber an Mario Gomez hatte ich immer festgehalten, auch in Krisenzeiten. Einem Stürmer muss man Vertrauen schenken (lacht).

Sie halten mit 124 Toren den neuen Zweitligarekord. Können Sie sich eigentlich an jedes einzelne Tor erinnern?

Terodde: Das ist eine gute Frage, es sind ja schon ein paar zusammengekommen. Wenn Sie mir jetzt einen Videozusammenschnitt zeigen würden, wären alle Tore wieder präsent. Und jedes einzelne Tor ist für mich auch etwas Besonderes. Die habe ich im Kopf auch alle irgendwo abgespeichert. Das eine oder andere, das vielleicht nicht so wichtig war, fällt in der Erinnerung aber etwas blasser aus.

In Stuttgart haben Sie mal gesagt, dass Sie die Erwartungshaltung nach Toren am Anfang auch belastet hat.

Terodde: Ja, das war in meinem ersten Jahr, als ich aus Bochum kam. Da hat mir gefühlt jeder Fan gesagt, du machst jetzt wieder 25 Tore. Den Rucksack habe ich schon gespürt, weil es der erste richtig große Traditionsclub für mich war. Am Ende hat es gut geklappt mit den Toren.

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Es wurden wieder 25, und am Ende stiegen Sie auf.

Terodde: Genau. Diese Erfahrung hat mir später auch in Köln geholfen und hilft mir jetzt auch in Hamburg. Heute weiß ich zudem noch mehr um meine Stärken.

Vor drei Jahren sagten Sie in Stuttgart vor dem Aufstieg auch, Ihr Karriereziel sei es, einfach mal in der Bundesliga zu spielen. Das haben Sie wenig später geschafft. Was haben Sie jetzt noch für Ziele? Mit dem HSV aufsteigen und sich in der Bundesliga noch einmal durchsetzen?

Terodde: Ich habe auch in Köln eine wichtige Rolle in der Bundesliga gespielt. Meine Quote ist auch in der ersten Liga nicht so schlecht. Wenn ich in einer Mannschaft spiele, die oft in die Box kommt, passe ich da super rein. Das will ich auch in Hamburg weiter zeigen. Mein Fokus liegt jetzt auf dem Derby – und das wollen wir gewinnen.