Hamburg. Der Co-Trainer der U 21 des HSV gilt als Talenteflüsterer. Nun spricht er über den langen Weg der Nachwuchsförderung.

Am Dienstagabend war Christian Rahn wieder ganz in seinem Element. Volkspark, Flutlicht, Trainingsplatz. Das U-21-Regionalliga-Team des HSV traf am Abend in einem Testspiel auf den Oberligaclub TuS Dassendorf, der auch ohne Martin Harnik mit 3:1 gewann. Als Co-Trainer bei der wichtigsten Nachwuchsmannschaft des HSV mittendrin statt nur dabei: Rahn, Christian.

Der frisch ausgebildete Fußballlehrer hat sich in den vergangenen fünf Jahren beim HSV den Ruf erworben, ein echter Talenteflüsterer zu sein. Dass der 41-Jährige aber nicht nur auf dem Rasen, sondern auch am Mikrofon die richtigen Worte findet, beweist Rahn ein paar Stunden zuvor, als er zu Gast im Podcast-Studio des Abendblatts am Großen Burstah ist.

„Ich glaube, dass wir uns beim HSV in den vergangenen Jahren mit unserer Nachwuchsarbeit nicht verstecken müssen“, sagt der Coach, der in unterschiedlichen Funktionen seit 2015 wieder beim HSV arbeitet. Aktuell ist er neben seiner Funktion als Co-Trainer der U-21 auch als Individualtrainer bei der U-19 und bei der U-17 im Einsatz.

HSV: Nachwuchsförderung als Geduldsspiel

„Wir sind einer der wenigen Vereine, die zusätzlich Individual- und Techniktraining anbieten“, erklärt „Rahner“, der sich die individuelle Betreuung der Talente mit seinen früheren Mannschaftskollegen Mehdi Mahdavikia und Rodolfo Cardoso teilt. „Wir achten sehr auf die Basics“, sagt Rahn – und gibt ein Beispiel: „Das Dribbling ist ein großes Thema bei uns. Leider geht kaum einer mehr ins offensive Eins-gegen-eins.“

Nachwuchsförderung ist ein Geduldsspiel – für Trainer und Talente. „Es wäre schön, wenn der eine oder andere williger wäre. Manchmal muss man die Jungs auch zu ihrem Glück zwingen“, sagt Rahn, der aber auch Verständnis für die Youngster aufbringt. So habe er als Jugendlicher alle Freiheiten genossen. Mittags war die Schule aus, und nachmittags habe man sich auf dem Bolzplatz am Othmarscher Kirchenweg getroffen. „Heute ist der Tagesplan von oben bis unten voll.“

Beispiel Josha Vagnoman, den Rahn vor dessen Sprung zu den Profis auch individuell betreut hat: Neben vier Einheiten mit der Mannschaft habe das aktuell wahrscheinlich größte HSV-Talent auch noch zwei Individualeinheiten und zweimal Schultraining in der Kooperationsschule am Heidberg gehabt.

HSV-Talente: Erfolg spricht für sich

Zwischen 2009 und 2012 spielte Christian Rahn in Fürth.
Zwischen 2009 und 2012 spielte Christian Rahn in Fürth. © picture alliance

Der Erfolg spricht für sich. Mit Vagnoman (19) und Stephan Ambrosius (21) gibt es gleich zwei Stammkräfte bei den Profis, die ein Produkt der in der Vergangenheit oft kritisierten Nachwuchsarbeit des HSV sind. Auch Innenverteidiger Jonas David (20) durchlief ab der U-14 alle Nachwuchsteams – genau wie Aaron Opoku (21), in dieser Spielzeit an Rahns Ex-Club Jahn Regensburg verliehen.

In Sachen Nachwuchsarbeit hat sich aber vor allem ein anderer Ex-Club Rahns einen Namen in Deutschland gemacht: Die SpVgg Greuther Fürth, die am Sonnabend nächster Gegner des HSV ist. „Der Aufstieg 2012 wurde mit einer Vielzahl an Spielern aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum erreicht, welche zum Teil noch immer in der Ersten Bundesliga aktiv sind und für die Reputation des Kleeblatts als Ausbildungsverein stehen“, steht auf der eigenen Homepage nicht ohne Stolz geschrieben.

Ein Ausbildungsverein also. Eine Beschreibung, die auch Clubs wie der SC Freiburg oder Mainz 05 für sich reklamieren. „Auch der HSV ist ein Ausbildungsverein“, sagt nun Christian Rahn, der damit der bisherigen Eigenwahrnehmung des HSV krass widerspricht. So ist es gerade einmal vier Jahre her, dass Ex-HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer öffentlich sagte, dass der HSV nie ein Ausbildungsverein werden würde, weil „der Club und das mediale Umfeld zu massiv“ seien. Sein damaliges Fazit: „Ein Kindergarten werden wir nie werden können.“

Besonderes Weihnachtsgeschenk aus Fürth

Zum Kindergartenverein ist der HSV auch nach Beiersdorfers Aus als Clubboss nicht geworden. Aber: Trotz der Verpflichtungen der sogenannten „Säulenspieler“ wie Sven Ulreich, Simon Terodde (je 32), Toni Leistner und Klaus Gjasula (je 30) soll dem Nachwuchs unter Neu-Trainer Daniel Thioune tatsächlich eine Chance gegeben werden.

Neben Vagnoman, Ambrosius und David gilt das auch für Neuzugang Amadou Onana (19), der bereits als Entdeckung der Saison gilt. Und auch für Jonah Fabisch (19) und Bryan Hein (19), die auf Einsatzzeit in dieser Spielzeit hoffen.

Anhand der beiden 19-Jährigen kann man allerdings auch gut beobachten, wie schwer gezielte Nachwuchsförderung in Corona-Zeiten ist. Da beim HSV nur die Profis (und nicht die U-Mannschaften) mehrfach in der Woche getestet werden, dürfen Hein und Fabisch ausschließlich bei den Profis trainieren. Sind aber im Thioune-Team alle Spieler gesund, bleibt für beide bei manchen Übungen nur die Beobachterrolle am Platzrand. Bei der U-21 dürfen sie aus Hygienegründen trotzdem nicht mittrainieren.

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Rahn ist dennoch optimistisch, dass die beiden bis Weihnachten noch einen guten Sprung nach vorne machen. Er selbst kann sich im Übrigen auch noch an ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk aus Fürth erinnern. 2008 telefonierte er erstmals am Heiligabend mit Ex-Präsident Helmut Hack, getroffen wurde sich dann am zweiten Weihnachtstag in einem Würzburger Hotel – und dann der Vertrag unterschrieben. „Fürth ist schon speziell“, sagt Rahn, der aber am Sonnabend auf einen Sieg des Hamburger Ausbildungsvereins setzt.