Hamburg/Osnabrück. Nachdem HSV-Profi Ambrosius und zwei weitere Osnabrücker positiv getestet wurden, droht neue Corona-Wirklichkeit in der Liga.
Man musste schon ganz genau hinschauen, um am Montagmorgen beim HSV den Durchblick zu behalten. Ein zäher Nebel hatte sich im Volkspark pünktlich zum Wochenstart festgesetzt – und ließ nur erahnen, wer sich da in ein paar Metern Entfernung auf dem Trainingsplatz tummelte. Eine extra aus Dänemark angereiste Familie kniff die Augen zusammen, um nacheinander die HSV-Fußballer zu erspähen. Doch so angestrengt die fünfköpfige Familie auch suchte, zwei Profis konnte sie einfach nicht finden: Stephan Ambrosius und Manuel Wintzheimer.
Die Erklärung in einem Wort, das Potenzial zum Unwort des Jahres 2020 hat: Quarantäne. Der eine (Ambrosius) musste in Quarantäne, weil er in der vergangenen Woche beim U-21-Nationalteam corona-positiv getestet worden war. Der andere (Wintzheimer) durfte noch nicht wieder aus der Quarantäne, weil er noch nicht zum zweiten Mal in Folge negativ getestet wurde. Wintzheimer war eine von drei Kontaktpersonen der Kategorie eins von Ambrosius. Gestern folgte nun also der nächste Abstrich – und sobald ein negatives Ergebnis vorliegt, darf zumindest der Stürmer wieder am Mannschaftstraining teilnehmen.
Corona-Lage der Liga bleibt diffus
So weit, so gut, so unklar. Denn die Corona-Lage der Liga bleibt mindestens so diffus wie der dichte Nebel über dem Volkspark am Montag. So sollen Paul Jaeckel und David Raum, die bei der U-21-Nationalmannschaft ebenfalls als direkte Kontaktpersonen von Ambrosius ausgemacht wurden und am Wochenende mit Greuther Fürth gegen den HSV spielen wollen, genau wie Wintzheimer zeitnahe wieder mittrainieren dürfen.
Auf Nachfrage des Abendblatts heißt es aus Fürth, dass noch finale Gespräche geführt werden müssten. In Osnabrück dagegen, wo es am Wochenende zwei weitere Corona-Fälle gegeben hat, sollen sämtliche Kontaktpersonen der Kategorie eins 14 Tage in Quarantäne bleiben.
Da fällt es nicht nur der dänischen Familie zunehmend schwieriger, hier noch den Durchblick zu behalten. „Das wird auch immer mehr werden“, sagt HSV-Trainer Daniel Thioune, der von einer neuen Corona-Wirklichkeit im Profifußball ausgeht. „Für mich ist das nicht überraschend. In der vergangenen Saison hatten wir beim VfL auch schon drei Spieler vorsorglich in Quarantäne, weil sie Kontaktpersonen waren“, sagt Thioune, der sein freies Wochenende ebenfalls in Osnabrück verbrachte.
Mitten in der zweiten Corona-Welle dürften viele Partien verschoben werden
Tatsächlich mutet es im Nachhinein fast schon wie ein kleines Wunder an, dass in der vergangenen Saison lediglich drei Spiele von Dynamo Dresden ausgefallen waren und nachgeholt werden mussten. Nun, mitten in der zweiten Corona-Welle, dürften sehr viele mehr Partien verschoben werden. Als Erstes betroffen war bereits der HSV, dessen Heimspiel gegen Erzgebirge Aue verlegt werden musste.
Ein PCR-Test ergab zunächst zwei positive Testungen bei den Auern, die sich erst nach einer weiteren Testung als negativ herausstellten. Sei’s drum. Die unmittelbaren Folgen für den HSV: Die Hamburger haben nun drei Spiele in acht Tagen, wobei die zwei Heimspiele (gegen Aue und Würzburg) aufgrund der hohen Inzidenzwerte von mehr als 35 Fällen pro 100.000 Einwohner ohne Publikum stattfinden dürften.
„Man muss einfach lernen, damit umzugehen“, sagt Thioune. „Nun spielen wir nächste Woche dreimal in einer Woche. Aber das mussten in der vergangenen Saison auch schon Teams.“ Seine Prognose: „Es wird alle treffen. Wir sind ja gut aufgestellt. Noch bekommen wir jede Woche elf Mann auf dem Platz ...“
Spieler des VfL Osnabrück müssen nach Corona-Kontakt in Quarantäne
Was so spaßig dahergesagt ist, könnte schon sehr bald ernste Realität werden. Im Fall von Thiounes Heimatclub VfL Osnabrück beriet am Montag sogar der städtische Krisenstab mit dem gemeinsamen Gesundheitsdienst der Stadt und des Landkreises, wie mit den VfL-Spielern verfahren wird, die Kontakt zu den positiv getesteten Profis hatten. Und anders als beim HSV müssten die Spieler, die der höchsten Kontaktstufe zugeordnet werden, 14 Tage in Quarantäne.
So lautet auch die Empfehlung des Robert Koch-Instituts. Noch ist aber nicht einmal bekannt, wie viele VfL-Profis von dieser Eingruppierung betroffen sind. Klar ist nur: Um zum Spiel gegen Darmstadt 98 am Sonntag antreten zu können, benötigt der VfL mindestens 15 einsatzfähige Spieler. 29 Fußballer umfasst der Kader; sollten durch eine Quarantänemaßnahme insgesamt – mit derzeit verletzten Spielern – 15 oder mehr Akteure ausfallen, müsste der VfL bei der Deutschen Fußball-Liga einen Antrag auf Absetzung des Spiels stellen.
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„Wir dürfen uns nicht ausschließlich mit Corona beschäftigen“, sagt Thioune mit ernster Miene, um bei der Frage, ob er sogar den Wettbewerb gefährdet sehe, sich doch wieder einen Spaß erlaubt: „Wenn die DFL jetzt abbricht, dann würde ich auf die Quotientenregel setzen.“ Demnach wäre der HSV mit sechs Punkten aus zwei Spielen erster Aufsteiger. „Damit könnte ich dann gut leben.“