Bad Häring. Nach der Endlosdebatte um seine angezweifelte Identität macht der HSV-Profi etwas Verrücktes: Der Fußballer redet über Fußball.
Wer in diesen Tagen Bakery Jatta im HSV-Trainingslager in Tirol beobachtet, der sieht einen fröhlichen, aufgeschlossenen und ziemlich offenen 22-Jährigen. Der Profi albert mit seinen Kollegen, streckt dem Fotografen die Zunge heraus und ist auch sonst für jeden Spaß zu haben. Dabei ist es gerade einmal 55 Tage her, dass Jattas Gemütszustand noch ein ganz anderer war. Am 2. Juli stand plötzlich die Polizei vor seiner Tür – gemeinsam mit Reportern der „Bild“-Zeitung.
Bei einer anschließenden Hausdurchsuchung wurden mehrere elektronische Geräte mitgenommen – und untersucht. Obwohl Jattas Anwalt Thomas Bliwier schon bald von einer Einstellung des Verfahrens ausging, bleibt es derzeit ein offenes Ermittlungsverfahren. Deswegen kann (und will) Jatta über das laufende Verfahren auch öffentlich nicht sprechen. Was er aber kann (und will), ist, auf der sonnigen Terrasse im Mannschaftshotel Das Sieben über eine Sache sprechen, über die er fast noch nie gesprochen hat.
Hamburger Abendblatt: Herr Jatta, eine total verrückte Idee: Lassen Sie uns doch mal über Fußball reden ...
Bakery Jatta: Sehr gerne! In den meisten Interviews wurde ich immer nur gefragt, woher ich kam und wer ich bin. Meine Flucht, all das. Aber zum Thema Fußball wollten bislang die wenigsten etwas von mir wissen.
In diesen sieben Tagen in Bad Häring soll es ja ohnehin um nichts anderes als um Fußball gehen. Ist ein Trainingslager Segen oder Fluch für Sie?
Jatta: Beides. Ich genieße es, mich für eine Woche voll auf Fußball zu konzentrieren. Zu Fuß zum Platz, zwei Einheiten am Tag, dazu zwei Testspiele. Aber zu Hause muss ich keine Rücksicht auf einen Zimmerkollegen nehmen. (lacht)
Mit wem teilen Sie hier Ihr Zimmer?
Jatta: Mit Khaled Narey. Mit ihm duelliere ich mich abends auch gerne an der Playstation, wobei Khaled dummerweise meistens gewinnt.
Bakery Jatta: Wenn ich den Trainer nicht verstehe, frage ich meine deutschen Kollegen
Neu-Trainer Daniel Thioune soll dafür sorgen, dass Sie und Khaled Narey auch in der analogen Welt mehr gewinnen. Es fällt auf, dass er sehr viel und sehr laut auf dem Platz redet. Verstehen Sie alles, was er vorgibt?
Jatta: Das meiste. Mir hilft es, dass er so klare Ansagen macht. Wenn ich mal etwas nicht so richtig verstehe, dann frage ich einfach meine deutschen Kollegen.
Können Sie nach den wenigen Wochen Thiounes Fußballphilosophie schon in wenigen Sätzen beschreiben?
Jatta: In den vergangenen beiden Wochen hat er einen großen Fokus auf das Pressing gelegt. Er will, dass wir den Ball jagen, wenn wir ihn mal verloren haben. Mir kommt das sehr entgegen. Die Balleroberung ist eine meiner größten Stärken.
Unter Thiounes Vorgängern wechselten Sie immer zwischen linkem Außenstürmer und rechtem Außenstürmer. Haben Sie eigentlich eine Präferenz?
Jatta: Ich habe tatsächlich fifty-fifty auf den beiden Seiten gespielt. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, dann würde ich die linke Seite bevorzugen. Aber ich bin auch nicht böse, wenn ich rechts spielen soll. (lacht)
Reiner Ballbesitzfußball ist Thioune nicht so wichtig
Thioune ist bereits Ihr siebter HSV-Trainer. Was macht er anders als seine Vorgänger?
Jatta: Jeder Trainer hat seine eigene Art und Weise. Reiner Ballbesitzfußball ist ihm nicht so wichtig wie vielleicht manch anderem. Was neben Fußball auffällt: Er ist sehr offen und kommunikativ. Er redet viel – und er fragt auch gerne nach.
Im Schatten der Berge: HSV-Trainingslager in Bad Häring
Ihnen wurde ein besonders enges Verhältnis zu Dieter Hecking nachgesagt. Haben Sie noch immer Kontakt?
Jatta: Als er gegangen ist, habe ich ihm eine Nachricht geschrieben und mich für die gemeinsame Zeit bedankt. Aber seitdem hatten wir keinen Kontakt.
Am Montag nach dem ersten Training hat sich Thiounes Co-Trainer Merlin Polzin mit einem iPad mit Ihnen und Jonas David hingesetzt und Trainingsinhalte nachbereitet. Was hat er Ihnen gesagt?
Jatta: Ihm waren einige Szenen wichtig, die er uns noch mal zeigen wollte. Aus dem Testspiel gegen Randers. Merlin macht das öfter. Ihm geht es auch darum, die richtigen Akzente zu setzen.
Wie Videoanalysen Jatta helfen
Manche behaupten, dass Sie einer der Spieler seien, die sich in den vergangenen Jahren einerseits am meisten entwickelt haben, die aber andererseits noch das größte Entwicklungspotenzial haben. In welchem Stadium sehen Sie sich selbst?
Jatta: Schwere Frage. Ich habe schon das Gefühl, dass ich seit meiner Ankunft in Hamburg jeden Tag sehr viel dazugelernt habe. Und ich lerne noch immer. Aber ich kann nicht vorhersagen, wo das mal enden soll.
Wie lernen Sie dazu?
Jatta: Natürlich in erster Linie im Training. Aber ich schätze auch sehr die Zusammenschnitte unserer Videoanalysten, die sie jedem von uns nach den Spielen schicken. Diese Sequenzen helfen dabei, besser zu werden.
Gibt es Dinge, die Sie sich bei anderen Spielern abgucken?
Jatta: Klar. Ich schaue mir auch gerne Fußballvideos bei YouTube an. Ich vergleiche mich und meine Skills gerne mit den Topspielern, die auf meiner Position spielen.
Haben Sie so auch das Champions-League-Finale am Sonntag zwischen Bayern und Paris geschaut?
Jatta: Ich habe das Spiel zu Hause geguckt und es auch als Fan genossen. Aber natürlich schaue ich bei den Jungs auf meiner Position genau hin. Wie genau macht das Coman? Wie setzt er seine Geschwindigkeit ein? Auf solche Dinge achte ich natürlich.
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Sind Sie ein Alles-Gucker?
Jatta: Absolut. Ich habe fast alle Champions-League- und Europa-League-Spiele in den vergangenen Wochen gesehen. Egal ob Bayern gegen Barcelona oder ManU gegen Sevilla. Von Fußball kann ich nie genug bekommen.
Vorbild Mario Götze
Sie wurden in der vergangenen Saison auch häufiger bei der U 21 als Zuschauer gesehen. Warum schauen Sie sogar in der Regionalliga noch vorbei?
Jatta: Weil ich Spaß daran habe. Ich habe meine HSV-Karriere dort gestartet, und ich gehe noch immer gerne zu den Spielen, um die Jungs zu sehen und einfach nur Fußball zu schauen.
Wer waren Ihre Fußballvorbilder als Kind?
Jatta: Wie alle mag auch ich Neymar und Messi. Aber vor allem war ich ein Fan von Mario Götze. Sein Tor im WM-Finale habe ich in Gambia gesehen – und werde ich wohl nie vergessen. Wobei ich gestehen muss, dass ich damals noch gar kein Deutschland-Fan war. Eigentlich habe ich Spanien die Daumen gedrückt, dann Brasilien. Doch dann hat Brasilien 1:7 gegen euch verloren. Dann kam das Finale – und Götze …
Haben Sie einen fußballerischen Traum?
Jatta: Ich will so gut werden, wie es nur geht – und mit dem HSV zurück in die Bundesliga.
Klappt es denn in diesem Jahr?
Jatta: Wie eingangs gesagt: Ich spreche sehr gerne über Fußball. Aber konkret darüber sollten wir nicht zu viel im Vorhinein reden, sondern hart arbeiten und einfach machen.