Hamburg. Vor dem drittletzten Spiel ist im Volkspark ordentlich Druck auf dem Kessel. Derweil gibt es Transfergerüchte für die kommende Saison.

Es gibt wohl nur wenige Dinge im Leben von Dieter Hecking, die den Trainer des HSV so sehr nerven wie die Frage-Antwort-Runden vor einem Spiel. Einerseits ist Hecking Vollprofi – und beantwortet natürlich jede Frage. Andererseits ist der Coach auch ein Bauchmensch – und macht aus seiner Unlust über seiner Meinung nach überflüssige Fragen kein Geheimnis. Und Heckings Unlust am Vortag vor dem Heimspiel gegen den VfL Osnabrück (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de), da gibt es wohl keine zwei Meinungen, war groß.

Auslöser war allerdings nicht der VfL, sondern der VfB. Oder besser: die zahlreichen Nachfragen zu Hamburgs Aufstiegskonkurrenten VfB Stuttgart. Bei Frage Nummer eins, ob und wie er Stuttgarts 1:2 in Karlsruhe am Sonntag verfolgt habe, antwortete Hecking noch (mehr oder weniger) charmant. Das Spiel habe ihn "relativ wenig interessiert". Er sei an der Elbe spazieren gewesen, als ein Spaziergänger ihn angesprochen und gesagt habe, dass Stuttgart in Karlsruhe verloren habe. "Das bekommt man dann doch in Hamburg mit", sagte Hecking, dessen Message klar war: Der HSV müsse sich auf sich konzentrieren.

Hecking registriert Osnabrücks "zwei Gesichter"

Bei Nachfrage Nummer zwei zum VfB wurde Hecking schon ruppiger. "Es nützt uns Nullkommanichts, uns darüber Gedanken zu machen", grummelte der Fußballlehrer, der aber erst bei Nachfrage Nummer drei die Contenance kurzzeitig verlor: "Immer diese Nachfragen nach Stuttgart. Mir ist das scheißegal. Ich sehe Heidenheim genauso in der Verlosung. Aber im Endeffekt kommt es doch nur auf uns an. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen."

Im Hinspiel erlebten Dieter Hecking und der HSV an der Bremer Brücke ein lila Wunder.
Im Hinspiel erlebten Dieter Hecking und der HSV an der Bremer Brücke ein lila Wunder. © Imago/Jan Hübner

Und die Hausaufgabe heute Abend lautet: VfL. "Osnabrück hat zwei Gesichter. Gegen Bielefeld und Stuttgart hat der VfL sehr engagiert gespielt und nicht unverdient gepunktet. Das andere Gesicht ist, dass sie in der Rückrunde insgesamt nur neun Punkte geholt haben", analysierte Hecking. "Durch die Ergebnisse der anderen Mannschaften wächst auch in Osnabrück der Druck."

Großes Lob für HSV-Chefscout Claus Costa

Während sich Hecking aber weigert, öffentlich weiter nach vorne in die Zukunft zu schauen als bis zum heutigen Abend, laufen hinter den Kulissen natürlich längst die Vorbereitungen auf das Übermorgen auf Hochtouren. Hauptverantwortlich hierfür ist kurioserweise ein ehemaliger Osnabrücker, der aber an diesem Abend im Dienst des HSV auf der Tribüne im Volksparkstadion sitzen wird: Neu-Chefscout Claus Costa.

"Die Zusammenarbeit mit Claus ist sehr eng. Das eine oder andere Planungsgespräch, um den groben Rahmen für die kommende Saison abzustecken, hatten wir schon", sagte Hecking, und lobte: "Claus ist gerade dabei, sich einen richtig guten Namen zu machen. Er hat ein großes Netzwerk, ist viel unterwegs."

Costa gibt Einblicke in die Scoutingabteilung

Am Montag feierte der neue Leiter der Scoutingabteilung seinen 36. Geburtstag – und war lediglich am Vormittag unterwegs: vom Zuhause in Othmarschen in die Redaktion des Abendblatts.

Im Podcast "HSV – wir müssen reden" gab der frühere Fußballprofi, der zwischen 2011 und 2013 an der Bremer Brücke spielte, einen Einblick in seine Abteilung, die man auch als Zukunftsressort eines Clubs bezeichnen kann. "Scouting ist ein langfristiger Prozess", sagte Ressortleiter Costa, den Sportvorstand Jonas Boldt im vergangenen Sommer aus Leverkusen mit nach Hamburg geholt hatte. "Scouting funktioniert nicht immer nur von jetzt bis gleich."

Insgesamt sieben hauptamtliche Späher hat Costa in seiner Abteilung, dazu noch zahlreiche Honorarkräfte. Sie alle haben vor allem einen Job: "Wir sind eine Art Dienstleister des Vereins", so Costa. "Wir müssen die Wünsche der Verantwortlichen erfüllen."

HSV versucht zweigleisig zu planen

HSV-Chefscout Claus Costa ist beim HSV für die Kaderplanung verantwortlich.
HSV-Chefscout Claus Costa ist beim HSV für die Kaderplanung verantwortlich. © HA | Roland Magunia

Die Erfüllung der zahlreichen Wünsche gestaltet sich momentan allerdings schwierig. "Wir haben das Problem, dass wir nicht genau wissen, in welcher Liga wir sein werden. Dementsprechend ist es nicht so einfach, sich mit potenziellen neuen Spielern zu einigen", sagte Costa. "Grundsätzlich versuchen wir möglichst zweigleisig zu planen, dass wir unsere Schattenkader so auslegen, dass wir in jedem Regal vorbereitet sind, was die Qualität und die Profile angeht, sodass wir am Ende auf alle möglichen Szenarien vorbereitet sind."

Während in der vergangenen Saison zu diesem Zeitpunkt (31. Spieltag) bereits die Zugänge von Jan Gyamerah, Jeremy Dudziak und David Kinsombi feststanden, konnten die Verantwortlichen des HSV in dieser Spielzeit bislang nur hinter dem Hoffenheimer Talent Amadou Onana (18) einen Haken machen.

HSV konzentriert sich auf den deutschen Markt

Sobald die Saison vorbei sei und die Ligagehörigkeit fest stehe, könne es laut Costa aber schnell gehen. "Wir sind in der Verantwortung, auf alles vorbereitet zu sein. Das bedeutet, dass wir für jede Position jemanden mit einem Toptalentstatus oder mit Erfahrung haben, sodass man immer eine Antwort parat hat auf alle Dinge, die im Sommer eintreten könnten", sagte Zukunftsmann Costa.

Anders als in Leverkusen, wo er und Boldt regelmäßig in Südamerika unterwegs waren, wollen sich die Verantwortlichen beim HSV auf Deutschland und Umgebung konzentrieren. "Wir sind aktuell ein Zweitligist und der südamerikanische Markt ist auch kein Selbstbedienungsladen mehr", sagte Costa. "Wir haben uns entschieden, in unseren aktuellen Kernmärkten stark zu sein und die nahe liegenden Märkte zu bearbeiten."

HSV-Interesse an Weydandt und Dorsch?

Besonders überdurchschnittliche Zweitligaspieler wie Hannovers Hendrik Weydandt und Heidenheims Niklas Dorsch sollen beim HSV hoch im Kurs stehen. Aus Kostengründen in Corona-Zeiten will der HSV vor allem auf ablösefreie Profis und Leihspieler setzen, wobei Costa betonte, dass – anders als in der laufenden Saison – in diesem Sommer nicht wieder mit einer Flut von Leihspielern zu rechnen sei.

Hinspiel soll Gideon Jung (r., hier gegen Marcos Alvarez) nach längerer Pause auch heute wieder gegen Osnabrück auflaufen.
Hinspiel soll Gideon Jung (r., hier gegen Marcos Alvarez) nach längerer Pause auch heute wieder gegen Osnabrück auflaufen. © Witters | TimGroothuis

Bevor aber das Übermorgen geklärt werden kann, gilt es zunächst das Heute zu überstehen. "Wir müssen das Spiel mit dem Vertrauen in unsere Qualität angehen", sagte Hecking, dem der zuletzt angeschlagene David Kinsombi wieder zur Verfügung steht. Über die Kadernominierungen der ebenfalls angeschlagenen Jeremy Dudziak und Jordan Beyer will er erst nach dem Anschwitzen am Vormittag im Volkspark entscheiden.

Für den Fußballlehrer schon jetzt klar ist dagegen, dass ihm die negative Stimmung rund um den HSV nicht passt. "Vom Gefühl her sind wir Rückrunden-13.", sagte Hecking, der daran erinnerte, dass der HSV in Wahrheit Rückrunden-Vierter sei. Was er nicht sagte: Abgeschlagen Letzter in der bisherigen zweiten Saisonhälfte ist: der VfL Osnabrück.