Stuttgart. HSV vergibt beim Spitzenspiel in Stuttgart ein 2:0 – und verliert noch in allerletzter Minute mit 2:3. Hecking pokerte mit Kittel.
Hamburgs Profis konnten und wollten unmittelbar nach dem Abpfiff in Stuttgart gar nicht glauben, was sich da wenige Sekunden zuvor ereignet hatte. Nach einer herausragenden ersten Halbzeit und verdienten 2:0-Führung verspielte der HSV im zweiten Durchgang alles – und mussten fast mit der letzten Aktion des Abends das 2:3 kassieren. Adrian Fein schlug mit der Faust auf den Boden, Rick van Drongelen schüttelte mit dem Kopf und Torhüter Daniel Heuer Fernandes sank nur noch zu Boden. Doch das alles sollte nichts ändern: Im Kampf um den Aufstieg hat der HSV einen herben Dämpfer erhalten.
„Die Enttäuschung ist natürlich spürbar“, sagte Trainer Dieter Hecking, der direkt nach der Partie zunächst zu seiner Mannschaft in die Kabine geeilt war. „Ein extrem bitterer Abend! Das sind Dinge, die kann man nicht erklären.“ Tatsächlich unerklärlich: In Stuttgart verspielte der HSV die Punkte elf, zwölf und 13 nach eigener Führung. „Wir müssen die mentale Enttäuschung verarbeiten“, analysierte Hecking bei Sky.
Pohjanpalo schießt den HSV in Führung
Die erste schlechte Nachricht gab es für den Coach bereits vor dem Spiel. Mit Sonny Kittel musste Hecking auf seinen besten Torschützen verzichten. Der frisch gebackene Vater war wegen eines Infekts gar nicht erst mit nach Stuttgart gereist.
Der HSV hatte den Ausfall aber erst eine Stunde vor dem Spiel vermeldet, um Stuttgart möglichst lange im Unklaren zu lassen. Für Kittel, der zwei seiner elf Saisontore beim 6:2-Spektakel im Hinspiel erzielte hatte, kehrte Bakery Jatta zurück in die Startelf. Auch der Gambier hatte beim Spektakel im Oktober getroffen und herausragend gespielt.
Und fast wie im Hinspiel profitierte der HSV erneut von eklatanten Patzern des VfB. Den krassesten Fehler nutzte Joel Pohjanpalo, der höher als Wataru Endo stieg und den Ball mit der Stirn in die rechte Ecke (16.) wuchtete.
HSV in Stuttgart zunächst klar besser
Stuttgart präsentierte sich auch nach dem Gegentor zunächst in einer erschreckenden Verfassung. Während Hecking seine Mannschaft pausenlos nach vorne peitschte, wirkte VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo an der Seitenlinie wie paralysiert. Die Vertragsverlängerung mit dem Trainer zwei Tage zuvor hatte keinerlei Wirkung auf sein Team. Im Gegenteil. Der HSV kam noch vor der Pause zum 2:0.
Weil Pascal Stenzel nach einem verlorenen Kopfballduell gegen Timo Letschert der Ball an den ausgestreckten Arm bekam, entschied Schiedsrichter Christina Dingert auf Elfmeter. Eine harte Entscheidung, weil Letschert sich beim Kopfball leicht aufstützte. „Für mich war das kein Elfer“, sagte der frühere HSV- und Stuttgart-Profi Dennis Aogo in der Halbzeit bei Sky. Aaron Hunt war es egal. Der Kapitän verwandelte sicher zum beruhigenden Pausenstand (45.+2). Trainer Hecking sollte später von einer „extrem guten ersten Halbzeit“ sprechen.
Stuttgart gelingt das Comeback
Doch nach dem Seitenwechsel kam der VfB deutlich verbessert aufs Feld. Und gleich mit der ersten Aktion verkürzte Stuttgart. Weil Rick van Drongelen bei der Freistoßflanke von Stenzel zu Fall kam, konnte Endo fast ungehindert zum 1:2 einköpfen (47.). Und nach einer Stunde war die gute Ausgangsposition für den HSV schon wieder dahin.
Der frühere Hamburger Orel Mangala tauchte frei im Strafraum auf und ließ sich im Duell mit HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes fallen. Wieder eine strittige Szene, wieder guckte sich der Videoschiedsrichter die Szene an, wieder blieb es bei der Entscheidung. Gonzalez trat an und traf ähnlich sicher wie zuvor Hunt auf der anderen Seite in die Mitte.
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Hecking fordert eine HSV-Antwort
Die Schlussphase begann dann mit einem Freistoßkracher durch Stuttgarts Stenzel an den Pfosten (89.). Es war das lautstarke Hallo-wach-Signal in der ansonsten eher leisen Mercedes-Benz-Arena. Doch als sich die 22 Protagonisten auf dem Rasen mit einem verdienten Unentschieden abgefunden zu haben schienen, kam es ganz anders. Im letzten Angriff der Partie überlief der pfeilschnelle Gonzalez Gegenspieler Timo Letschert und flankte nach innen.
Dort lauerte Stuttgarts Castro und reagiert ebenfalls schneller als Letscherts Landsmann van Drongelen. Das Ende vom Lied: 3:2 für den VfB – und Abpfiff.
Der Last-Minute-Knockout ist doppelt bitter für den HSV, nachdem Heckings Mannschaft bereits in Fürth in der vierten Minute der Nachspielzeit das Tor zum 2:2 kassierte und auch gegen Bielefeld nur ein 0:0 schaffte. „Wir müssen jetzt eine Antwort finden“, sagte Hecking mit Blick auf das Spiel in zwei Tagen gegen Wehen Wiesbaden. „Sonntag geht’s weiter. Und Punkt.“