Hamburg. Im Zweitliga-Topspiel trifft Hamburgs Trainer Dieter Hecking auf Sohn Jonas, der Arminia-Scout ist – und seinem Vater nacheifert.
Am vergangenen Sonntag kam es im Hause Hecking zu einer kuriosen Situation. Im Wohnzimmer des kernsanierten Bauernhofs bei Bad Nenndorf saß Jonas Hecking und schaute sich am Fernseher das Zweitligaspiel zwischen Tabellenführer Arminia Bielefeld und dem VfL Osnabrück an. Im Nebenzimmer lief ebenfalls das TV-Gerät. HSV-Fan Aaron Hecking und seine Mutter Kerstin verfolgten hier die Partie des HSV bei Greuther Fürth.
Sie mussten mit ansehen, wie die Mannschaft von Papa, Ehemann und Trainer Dieter Hecking in letzter Sekunde noch den Ausgleich zum 2:2 kassierte. Aber auch im Nachbarraum war die Stimmung nicht viel besser, weil Bielefeld ebenfalls in der Nachspielzeit das 1:1 hinnehmen musste. „Am Ende haben alle geflucht“, sagt HSV-Coach Hecking und lacht.
HSV – Bielefeld als Hecking-Familienduell
Dass sein Sohn Jonas mit der Arminia fieberte, während Zwillingsbruder Aaron mit seinem Vater litt, hat einen einfachen Grund: Jonas Hecking arbeitet für Bielefeld. Seit rund einem Jahr verstärkt der 26-Jährige die Scoutingabteilung der Ostwestfalen, ist dort mittlerweile angestellt.
Am Sonntag (13.30 Uhr) kommt es nun zum Familienduell. Im Volksparkstadion trifft der HSV (mit Papa Dieter) auf den Tabellenführer (ohne Sohn Jonas). Aufgrund der begrenzten Zahl an Plätzen auf der Tribüne muss Hecking junior das Spiel erneut vor dem Fernseher beobachten und hoffen, dass seine Arminia den Sieben-Punkte-Vorsprung auf Verfolger HSV behauptet.
Jonas Hecking lehnt Papas Hilfe ab
Innerhalb der Familie wird das Duell in dieser Woche kein großes Thema sein. Am Montag saßen sie noch zusammen beim Frühstück und flachsten angesichts des aktuellen Tabellenstands: Jetzt könnte die Saison abgebrochen werden. Tiefergehende Gespräche über die jeweiligen Teams aber gibt es nicht. „Wir wissen das beide richtig einzuschätzen und können das gut trennen“, sagt Hecking senior, der auch sonst versucht, sich so weit wie möglich aus dem Berufsleben und dem Karriereweg seines Sohnes herauszuhalten. „Jonas hat mir relativ schnell zu verstehen gegeben, dass er es alleine schaffen will“, sagt Hecking.
Was sich der HSV-Trainer selbst irgendwann vorstellen kann, ist für seinen Sohn das große Ziel: im Fußballgeschäft als Sportdirektor zu arbeiten. Dafür hat er früh einen Weg eingeschlagen. Nach dem Abitur ging Jonas Hecking zunächst für zwei Monate nach Neuseeland und arbeitete in Auckland in der Fußballschule des ehemaligen Bundesligastürmers Wynton Rufer. Anschließend machte er ein freiwilliges soziales Jahr beim niedersächsischen Fußball-Verband und blieb dort auch während seines dualen Studiums an der Deutschen Sporthochschule Köln. Nebenbei arbeitete er für eine Firma, die sich mit Fußballdaten beschäftigt. Nun also der nächste Karriereschritt als Scout.
Hecking erkundigte sich nach seinem Sohn
Sprechen will Jonas Hecking über seinen Job, seine Ziele und das Familienduell auf Nachfrage nicht. Dafür aber spricht sein Vater. „Natürlich wünscht er sich irgendwann, eine Managementaufgabe zu übernehmen. Aber er ist erst 26. Junge Leute sind ungeduldig, da muss man ihn selbst ein wenig bremsen. Ich glaube aber, dass er das schaffen kann“, sagt Dieter Hecking.
Vor Weihnachten rief er selbst mal bei Bielefelds Sportdirektor Samir Arabi an, um sich nach seinem Sohn zu erkundigen. „Ich habe ihn in meiner Rolle als Vater gefragt, wie sich Jonas so macht. Samir hat mir bestätigt, dass sie absolut angetan sind. Er sagte, dass Jonas eine hohe Motivation hat und sehr klare Aussagen über Spieler trifft.“ Arabi (41) war 2006 selbst als junger Mann im Scouting bei Alemannia Aachen tätig, als Hecking dort Cheftrainer war. Später wurde Arabi Chefscout, dann ging er als Sportlicher Leiter zur Arminia, deren Geschäftsführer er heute ist.
Jonas Hecking will es allein schaffen
Ein Weg, den auch Jonas Hecking gehen will. „Im Scouting lernt man das Geschäft von der Pike auf. Er baut sich jetzt ein Netzwerk auf“, sagt der Vater, der seinem Sohn nach 35 Jahren im Profifußball mit einer unbegrenzten Auswahl an Kontakten helfen könnte. Aber auch diese Unterstützung will Jonas nicht. „Ich bin ein Fan meines Vaters, und er weiß natürlich immer Bescheid, über das, was ich mache und vorhabe“, sagte er mal in einem Beitrag der Sporthochschule Köln. „Mein großes Ziel, irgendwann eine führende Rolle im Arbeitsumfeld der Bundesliga zu übernehmen, möchte ich aber mit meiner eigenen Qualifikation erreichen.“
Sein Vater hat dafür Verständnis. „Ich finde es gut, dass er da gar nicht von profitieren will. Das ist der richtige Weg. Es ist ja auch nicht einfach mit dem Namen Hecking, jeder bringt es sofort mit mir in Verbindung“, sagt der prominente Papa. „Ich finde es auch schöner, wenn er irgendwann sagen kann, dass er es ohne meine Hilfe geschafft hat.“
Hecking: "Jonas hat meinen Ehrgeiz"
Dieter Hecking hat das mit all seinen fünf Kindern so gemacht. Die Talente in der Familie sind extrem vielseitig verteilt. Seine älteste Tochter Maria-Lena ist Musical-Darstellerin, die zweitälteste, Theresa, hat Physik studiert. Aaron ist der Weltenbummler, und seine jüngste Tochter Charlotte reitet. Die Ambitionen im Fußball aber hat Jonas Hecking geerbt, auch wenn es bei Germania Egestorf II nur bis zur Landesliga reichte. „Jonas hat meinen Ehrgeiz“, sagte Dieter Hecking vor fünf Monaten im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“, als er über seine Kinder sprach.
Zeit, miteinander zu sprechen, hatten Jonas und Dieter Hecking zuletzt viel. Weil der Bielefeld-Scout aktuell keine Spiele besuchen kann, verbringt er viel Zeit zu Hause. Auf dem großen Familienhof bei Bad Nenndorf lebt Jonas in einer Einliegerwohnung, fährt von dort aus mit dem Auto die 45 Minuten zur Arbeit auf die Bielefelder Alm. Und im besten Falle bald auch wieder zu den Heim- und Auswärtsspielen der Arminia.
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Mit ihrem Ehrgeiz wollen die Heckings nun den größtmöglichen Erfolg für ihre jeweiligen Clubs erreichen: den Aufstieg. „Ich hoffe, dass wir am Ende der Saison gemeinsam etwas zu feiern haben“, sagt HSV-Trainer Hecking. Dann würde das Familienduell in die nächsten Runden gehen: zunächst auf dem Transfermarkt – und dann in der Bundesliga.