Hamburg. Der frühere Bundesliga-Spieler bildet heute Dressurpferde aus. Eine eigene Meinung zum Neustart der Bundesliga hat er dennoch.
Wer im Internet „Frank Rost“ googelt, stößt schnell auf seine offizielle Homepage. „In unserer Zeit ist es einfach wichtig, ein Zuhause im Netz zu haben, über das man selbst die Kontrolle hat“, begrüßt er dort die Besucher. Die letzte Aktualisierung stammt allerdings von 2013. Von seiner jetzigen Passion ist dort keine Zeile zu lesen.
20 Jahre bestimmte der Fußball sein Leben. 1. FC Markkleeberg, Bremen, Schalke, HSV (2007–11), danach zum Ausklang der Torwart-Karriere noch New York Red Bulls: Am Ende standen beim 46-Jährigen 426 Spiele auf der Uhr – und ein (Feld-)Tor, erzielt am 31. März 2002 für Werder gegen Hansa Rostock.
Fast logisch, dass der in Karl-Marx-Stadt (so der Eintrag auf seiner Seite, heute Chemnitz) geborene Rost nach seiner aktiven Karriere dem Sport treu bleiben wollte. Im Juni 2013 engagierte ihn der HSV Handball als Geschäftsführer. Doch nur 43 Tage später war Schluss. Länger brauchte Rost nicht, um zu erkennen, dass die kranke Konstruktion mit den Rudolph-Brüdern so gar nicht zu seinen Werten und seiner Arbeitsauffassung passte.
Frank Rost lebt in einer „analogen Welt“
„Ich hätte liebend gerne weiter etwas im Sport gemacht, das ist mein Metier, dort würde ich mich als Experten bezeichnen. Aber weil das nicht passierte, musste ich eben etwas anderes machen. Etwas, was Freude bereitet“, denkt Rost an die damalige Zeit zurück.
„Ich habe mich mit meiner Frau zusammengesetzt, überlegt: Was jetzt?“ Und schnell kamen sie auf Pferde. Felicitas hatte schon immer Pferde ausgebildet, und eher zufällig konnten sie einen 40.000 qm großen Hof in Rotenburg (Wümme) erwerben, unweit des Hotels Wachtelhof, den HSV-Fans als Krisen-Trainingslagerquartier kennen.
Heute bezeichnet sich Rost als Mann vom Land, der in einer „analogen Welt“ lebt. „Bei uns gibt es keinen Computer oder Roboter, der dir die Arbeit abnimmt, hier passiert alles per Hand. Das ist kein Nine-to-five-Job, sondern eine sehr zeitintensive Aufgabe. Aber auch eine, die dir unglaublich viel gibt.“ Rost hat Fohlen als Hebamme auf die Welt gebracht und musste auch schon Pferde einschläfern lassen. „Das Faszinierendste ist, dass du mit jemandem arbeitest, der dich nicht versteht. Du kannst nicht wie beim Fußball in einer Mannschaftssitzung die Taktik vorgeben.“
Das Leben in und mit der Natur hat ihn verändert
Acht eigene Sportpferde, die in der Dressur ausgebildet werden, leben derzeit auf der Anlage, weitere Jungpferde genießen die frische Luft in den Marschweiden. Wie schwer es ist, mit der Ausbildung von Pferden Geld zu verdienen, wussten Rost und seine Frau vorher – und es hat sich bestätigt. „Für die wenigen Top-Pferde und Grand-Prix-ausgebildeten Pferde werden unfassbare Summen aufgerufen, darunter fällt der Verkaufspreis häufig ins Bodenlose, liegt irgendwo zwischen null und 15.000 Euro, was sich angesichts der kostenintensiven Betreuung nicht ansatzweise rechnet.“
Immerhin: Weil das Paar so viel in Eigenarbeit leistet, lastet der Kostendruck einerseits nicht so stark auf ihnen wie bei anderen, größeren Ställen. Auf der anderen Seite ist seine Sportsparte genauso hart getroffen in Corona-Zeiten wie viele andere: „Wir können allenfalls noch auf Tagesturniere hoffen in diesem Jahr, Großveranstaltungen sind abgesagt. Sportpferde ohne Turniere ergeben aber wenig Sinn ...“
Während des Gesprächs ist schnell zu merken, wie ihn das Leben in und mit der Natur verändert hat. Wer einen Damhirsch gesehen hat, der von vier Wölfen gerissen wurde, stellt andere Fragen über Leben und Tod – und hat auch eine eigene Sichtweise auf die Pandemie. „Ich gelte nun wirklich nicht als Freund der Politiker, aber ich muss sie auch ein wenig in Schutz nehmen. Das Problem ist, dass sie sich zu viel absichern wollen mit den Ratschlägen der Virologen und Experten. Nur: In den vergangenen Wochen hat man gesehen, dass jeder etwas weiß, aber keiner wirklich richtig. Deshalb ist jede getroffene Entscheidung wahrscheinlich falsch.“
Rost stört die Polemik in der Diskussion
Rost sagt das alles aber mit Ruhepuls, völlig gelassen. Wer den Ex-Keeper von früher kennt, der erinnert sich nur zu gut an seinen Mut zur teilweise aggressiven Attacke, wenn ihm etwas gegen den Strich ging – was ihm nicht nur positiv ausgelegt wurde. „Wer Probleme direkt und offen anspricht, wird leicht in eine Schublade gesteckt“, hat Rost schon früher gesagt. Bärbeißig, verbissen, Motzki, im besten Fall noch „Klartext von Rost“, das sind Bezeichnungen, mit denen er häufig versehen wurde. Denn ihm geht es als wertkonservativem Menschen stets nur darum, sich nicht verbiegen zu lassen, für seine unabhängige Meinung zu stehen.
Die hat er bezüglich des Neustarts des Fußballs am 16. Mai. „Natürlich nimmt der Fußball eine Sonderrolle ein aufgrund seiner riesigen Medienpräsenz“, glaubt Rost. „Politiker folgen Umfragen und Trends, handeln mit Kalkül. Keiner will mit seinen Entscheidungen dafür verantwortlich sein, dass Vereine Insolvenz anmelden müssen. Das könnte im Zweifel einige Tausend Stimmen bei der nächsten Wahl kosten.“ Was ihn aber auch stört, ist die Polemik, mit der die Diskussion – auch in den sozialen Netzwerken – geführt wird. „Selbstverständlich hat Herthas Kalou dem Fußball einen Bärendienst erwiesen. Aber es gibt auch viel Vernünftige in der Branche, nicht nur Selbstdarsteller wie ihn.“
Fußball als Spiegelbild unserer Gesellschaft
Wie sich der Fußball nach Corona verändern wird? Rost sagt voraus, dass die 50+1-Regel nicht zu halten sein und es mehr Clubeigner geben wird, weil weniger Firmen Geld für Business-Sitze ausgeben können: „Polemisch ausgedrückt: Fußball-Millionäre unterstützen und gleichzeitig Leute entlassen, da müssen große Konzerne sehr vorsichtig sein.“ Dass sich der Fußball aber in Gänze verändert, bezweifelt Rost: „Dafür ist der Sport viel zu kommerziell, es ist zu viel Geld im Spiel.
Im Grunde ist der Fußball doch nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft mit ihren vielen Interessengruppen, wo es weniger um die Sache geht, sondern mehr um Posten, um persönliches Prestige von manchen Eliten, die dem normalen Leben entrückt sind. „Ich will das gar nicht verurteilen oder mit dem Finger auf jemanden zeigen. Aber das ist nun einmal die Lektion, die ich gelernt habe. Vielleicht habe ich auch deshalb ein wenig Abstand gewonnen.“
„Branchenfremde“ seien beim HSV am Ruder gewesen
Nur gelegentlich hilft er beim Pay-TV-Sender als Experte aus, seit Jahren ist er Vorstandsmitglied der Uwe-Seeler-Stiftung. Das war’s. Wo persönliche Befindlichkeiten dominieren und das Eigentliche, der Sport, in den Hintergrund treten, davon distanziert sich Rost eben.
Und genau das hat seiner Ansicht auch dazu geführt, dass sich der HSV mittlerweile in der Zweiten Liga wiederfindet. „Es hätte auch anders laufen können, wenn man die sich bietenden Chancen besser genutzt hätte und nicht ein paar Leute die Oberhand gewonnen hätten, die eigentlich nichts mit dem Sport zu tun hatten. Denken Sie an die Bayern, die sicher auch deshalb so erfolgreich waren in den den ganzen Jahren, weil die Geschäfte dort ehemalige erfolgreiche Sportler führen. Beim HSV kamen im Vergleich dazu nur Mittelmaß und Branchenfremde ans Ruder.“
So sei der Niedergang „totales eigenes Verschulden“ gewesen. Über die Jahre habe es der HSV verpasst, einen Titel zu holen. „Wer weiß, vielleicht hätte es dem ganzen Laden HSV einen anderen Schub gegeben, wäre es uns damals gelungen, den DFB-Pokal oder die Europa League zu gewinnen. Viel hat uns dazu ja nicht gefehlt.“ Viel Konjunktiv. Und Vergangenheit. Im Hier und Jetzt braucht Rost den Fußball nicht, um glücklich zu sein, schon gar nicht die Mechanismen. Wenn Rost heute öffentlich etwas sagen will, reicht ihm sein Facebookaccount. Und da geht es zu 100 Prozent um seine neue Leidenschaft – um Pferde. Sein letzter Eintrag übrigens: 5. Mai 2020.