Hamburg. Der HSV-Präsident beantwortet beim ersten öffentlichen Auftritt als Aufsichtsratsvorsitzender drängende Fragen – und lässt eine offen.
Seit Sonnabend ist HSV-Präsident Marcell Jansen auch Aufsichtsratsvorsitzender der Fußball AG, aber Glückwünsche zum neuen Amt hat der frühere Nationalspieler nach eigener Aussage nicht entgegengenommen. "Hier ist erst einmal Demut gefragt", sagte Jansen (34) am Montag bei einer virtuellen Pressekonferenz vor Medienvertretern.
Der Aufsichtsrat habe mit der Freistellung des Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann "eine sehr schwierige Entscheidung" treffen müssen. Dass anschließend neben Thomas Schulz auch der Vorsitzende Max-Arnold Köttgen aus dem Kontrollgremium zurücktraten – beide hatten als Einzige gegen Hoffmanns Rauswurf gestimmt –, habe seine Beförderung erst möglich gemacht.
Jansen bestritt, dass HSV-Großaktionär Klaus-Michael Kühne auf die Entscheidungen Einfluss genommen habe: "Sie auf dem Rücken eines großen HSV-Fans und -Förderers auszutragen ist nicht richtig." Kühne (82) hatte vergangene Woche wissen lassen, dass er sich Jansen in einer Führungsrolle wünsche, und die Aufsichtsratsentscheidung am Sonntag "begrüßt".
Jansen strebt keinen HSV-Vorstandsjob an – bis 2022
Ist der Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden für Jansen also nur eine Durchgangsstation auf dem Weg in den Vorstand, so wie einst bei Hoffmann? Er verfolge keine solche Agenda, versicherte der Ex-Profi, jedenfalls nicht in seiner bis 2022 laufenden Amtszeit als Präsident: "Wer mich kennt, weiß, dass mich dieses Amt mit Leib und Seele erfüllt."
Den Aufsichtsrat wieder auf sieben Personen aufzustocken, wie in der Satzung vorgesehen, hält Jansen noch nicht für notwendig: "Es gibt juristisch keinen Zwang. Wir sind personell gut aufgestellt, alle Kompetenzen sind verteilt."
Auch ein neuer Vorstandsvorsitzenden sei verzichtbar. Der Aufsichtsrat habe zu den verbliebenen "sehr guten Vorständen" Jonas Boldt (Sport) und Frank Wettstein (Finanzen) sowie in die Mitarbeiter der Geschäftsstelle "volles Vertrauen". Im Übrigen sei ein Vorstand mit zwei Personen im Fußball durchaus nicht ungewöhnlich.
Jansen schließt weiteren Anteilsverkauf nicht aus
Schwammiger wurden Jansens Aussagen, als es um die Frage nach einer stärkeren finanziellen Beteiligung Kühnes ging. Der Logistikunternehmer, der auch den Namen des Volksparkstadions sponsert, hatte dies offenbar in Aussicht gestellt, pocht aber auf eine Aufstockung seiner Anteile von bislang 20,57 Prozent. Die HSV-Mitglieder hatten erst im Januar vergangenen Jahres beschlossen, dass nicht mehr als 24,9 Prozent der Anteile der Fußball AG veräußert werden dürfen. Die Satzungsänderung wurde im Juli umgesetzt.
Wird sie bald schon wieder hinfällig, führt der HSV womöglich eine neue Rechtsform ein, um sich Investoren wie Kühne zu öffnen? Dafür wäre eine Dreiviertelmehrheit notwendig. Für den neuen Aufsichtsratschef sind das offenbar keine Tabuthemen. "Eigenkapital ist immer wichtig, damit der Verein handlungsfähig bleibt, gerade in Coronazeiten", sagte Jansen. Aber man wolle die Mitglieder in dieser Frage "auf die Reise mitnehmen und nicht vor vollendete Tatsachen stellen". Ziel sei es, den HSV "finanziell auf breite Beine zu stellen". Das sei im Übrigen auch "der große Wunsch" von Kühne selbst.
Ob er mit dem Investor seit seiner Wahl Kontakt gehabt habe, wollte Jansen nicht beantworten. Nur so viel: "Wir haben regelmäßig Kontakt." Der dürfte sich jetzt noch verstärken.