Aue. Nach dem 0:3 gehen Anhänger auf eigene Spieler los. Häme aus Aue, Rotsünder Jung mit Bier beworfen. Was zwei Profis sagen.

Die zweite Pleite in Folge, zwei Spieler verletzt, einen Spieler mit Platzverweis verloren. Es war ein Tag, der für den HSV nicht schlechter hätte laufen können. Eine Woche nach dem 0:2 im Stadtderby gegen den FC St. Pauli verlieren die Hamburger auch beim FC Erzgebirge Aue mit 0:3 (0:1).

Es war das dritte Spiel in Folge ohne Sieg. Viel schlimmer als die Niederlage aber war die Art und Weise, wie sich der HSV präsentierte. Von der ersten bis zur letzten Minute waren die Hamburger gegen die in diesem Jahr noch sieglosen Auer chancenlos.

Vor 15.100 Zuschauern im Erzgebirgsstadion von Aue zeigte der HSV seine mit Abstand schlechteste Saisonleistung. In dieser Form werden die Hamburger auch in dieser Saison ihr großes Aufstiegsziel verspielen. „Es ist nicht immer leicht, das Gesehene sofort in Worte zu fassen“, sagte Trainer Dieter Hecking. „Wir müssen das heute akzeptieren. Wir haben nicht das gespielt, was wir uns erhofft haben.“

HSV-Trainer Hecking hat bei Aue in der Startelf rotiert

Hecking hatte nach der enttäuschenden Niederlage im Stadtderby gegen den FC St. Pauli seine Startelf gleich auf drei Positionen verändert. Etwas überraschend übernahm Ewerton die Position von Vizekapitän Rick van Drongelen in der Innenverteidigung. Der Brasilianer war in der Vorbereitung mehrfach zu spät zum Training erschienen. Nun bekam er von Hecking eine neue Chance.

Ebenso wie Khaled Narey, der auf der offensiven Außenbahn anstelle von Sonny Kittel erstmals in diesem Jahr von Beginn an ran durfte. Zudem kehrte Lukas Hinterseer in die erste Elf zurück, Topjoker Joel Pohjanpalo saß zunächst auf der Bank.

Mit der neuformierten Mannschaft machte der HSV allerdings da weiter, wo er im Derby gegen St. Pauli aufgehört hatte. Gegen aggressive Auer taten sich die Hamburger in der Anfangsphase richtig schwer. Viele Ballverluste, viele technische Fehler, keine Spielkontrolle. Aue, in diesem Jahr erst mit einem erzielten Tor, hatte durch Jan Hochscheidt früh die erste gute Chance zur Führung (7.). Es dauerte bis zur 19. Minute, ehe Narey mit einem Schuss aus 20 Metern das erste Mal für den HSV gefährlich wurde.

Ewerton muss mit Knieverletzung vom Platz

Für Ewerton war die Partie dann schon frühzeitig wieder beendet. Der Pechvogel des HSV hatte sich bei einem Zweikampf am Knie verletzt. Nach 23 Minuten ging es nicht weiter. Wie schon beim Spiel in Darmstadt kurz vor der Winterpause musste der 30-Jährige schon vor der Halbzeit wieder vom Feld. Van Drongelen kam rein.

Der Niederländer war gleich mittendrin, als Aue zur nächsten Großchance kam. Hochscheidt startete in die Tiefe und legte in den Rückraum zu Pascal Testroet, der den Ball artistisch mit der Hacke nur haarscharf am HSV-Tor vorbeibugsierte (29.).

Testroet steht völlig frei – und bringt Aue in Führung

Der HSV bettelte um den Rückstand – und bekam ihn. Nach einem von Aaron Hunt verursachten Freistoß zielte Philipp Riese zunächst in die Mauer. Clemens Fandrichs zweiter Versuch landete vor den Füßen von Testroet, der sich frei vor Daniel Heuer Fernandes in aller Ruhe die linke Ecke aussuchen durfte (40.). Timo Letschert und Jordan Beyer hatten das Abseits aufgehoben. Der HSV schaffte es, die schlechte zweite Hälfte aus dem Derby noch einmal deutlich zu unterbieten.

Von den mitgereisten Fans wurde der HSV in Aue nach der Derbyenttäuschung vor dem Spiel mit Beifall empfangen. Auf einem großen Banner im Gästeblock stand geschrieben: „Wir haben verloren und das nicht zum ersten Mal. Wir haben verloren und das ist uns nicht egal. Doch wir bleiben hier stehen und wir halten das aus – hier ist unser Applaus.“ Ein Auszug eines Liedes aus dem HSV-Album von Lotto King Karl. Und auch nach der schlechten ersten Halbzeit waren noch keine Pfiffe zu hören.

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Hecking verzichtete zur Pause auf Wechsel. Doch auch im zweiten Durchgang wurde es nicht besser. Der HSV hatte zwar bis zu 68 Prozent Ballbesitz, doch die Fehlpassquote blieb weiterhin hoch.

Jung fliegt nach Schwalbe und kassiert Bierwurf

Und es wurde sogar noch schlimmer. Gerade als Hecking Adrian Fein bringen wollte, flog Jung vom Platz. Bereits gelbverwarnt, ließ sich der Sechser zu einer Schwalbe hinreißen. Der junge Schiedsrichter Nicolas Winter entschied folgerichtig auf Gelb-Rot (59.). Als Jung das Stadion verließ, wurde er von den Auer Fans auch noch mit Bier beworfen. Hecking brachte Fein trotzdem ins Spiel, nahm den enttäuschenden Louis Schaub vom Platz und stellte auf eine Dreierkette um.

Letschert muss nach Kopfballduell runter

Wenig später musste dann auch noch mit Letschert der nächste Innenverteidiger verletzt vom Platz. Der Abwehrchef war mit seinem Kopf gegen den seines Mitspielers van Drongelen geprallt, war kurze Zeit benommen – oder, wie es der Niederländer selbst formulierte: "Ich glaube, ich war in einer anderen Welt."

Dennoch wollte Letschert eigentlich auf dem Platz bleiben, doch Mannschaftsarzt Dr. Götz Welsch legte sein Veto ein. "Nächste Woche kann ich aber auf jeden Fall wieder spielen", kündigte Letschert hinterher an.

Aue-Fans mit Häme gegen den HSV

Hecking zog mit Pohjanpalo seinen letzten Joker. Doch die Entscheidung fiel auf der anderen Seite. Der überragende Jan Hochscheidt machte nach einem Konter mit dem 2:0 alles klar (75.). Kurz vor Schluss traf der Stürmer sogar noch zum 3:0 (88.). "Zweite Liga, Hamburg ist dabei“, sangen die Auer Fans. Und: "Ihr seid nur ein Punktelieferant.“

HSV-Fans wollen auf eigene Spieler losgehen

Nach dem Spiel gingen die HSV-Spieler in die Kurve. Dort wurden sie wüst beschimpft. Zwei Anhänger sprangen sogar über den Zaun und wollten auf die Spieler losgehen, wurden aber zurückgehalten. "Ich kann die Fans verstehen, sie sind natürlich sauer. Sie kommen hier den weiten Weg nach Aue, sie haben unglaublich viel Leidenschaft für den Verein", sagte Letschert, als er wieder bei sich war. "Es hilft natürlich nicht, wenn wir gegeneinander kämpfen. Vielleicht sieht es so aus, als ob wir nicht kämpfen. Aber wir geben immer alles. Im Moment ist es nicht gut genug.“

Gang nach Canossa: Auch Lukas Hinterseer musste sich von den HSV-Fans einiges anhören.
Gang nach Canossa: Auch Lukas Hinterseer musste sich von den HSV-Fans einiges anhören. © Imago/Kruczynski

Torhüter Heuer Fernandes, an diesem gebrauchten Tag der einziger HSVer in Normalform, wollte mit dem aufgebrachten Anhang nicht zu hart ins Gericht gehen. "Dafür muss man auch mal Verständnis haben, die Ernüchterung ist groß. Bei den Fans, aber auch bei uns", sagte er. "Dafür ist man Profi genug, um sich dem auch zu stellen." Angst habe er zumindest keine gehabt, versicherte Heuer Fernandes nach dem Gang in die wütende Kurve. "Ich glaube, es waren auch drei, vier Fans da, die das zurückgehalten haben."

Torhüter Daniel Heuer Fernandes (l.) und andere HSV-Profis vor dem wütenden Gästeblock.
Torhüter Daniel Heuer Fernandes (l.) und andere HSV-Profis vor dem wütenden Gästeblock. © Witters

HSV trifft jetzt auf Angstgegner Regensburg

Der HSV verlor in jedem Fall das zweite Spiel in Folge und erleidet den nächsten schweren Rückschlag im Rennen um den Aufstieg. Einziges Trostpflaster: Auch Verfolger Heidenheim (0:2 in Darmstadt) und der Tabellenzweite VfB Stuttgart (0:2 in Fürth) verloren ihre Spiele. Spitzenreiter Arminia Bielefeld kann sich am Sonntag mit einem Heimsieg gegen Wehen Wiesbaden weiter vom HSV absetzen.

Die Hamburger haben nun eine Woche Zeit, ehe es im Volkspark gegen "Angstgegner“ Jahn Regensburg weitergeht. Gegen die Bayern hat der HSV in drei Zweitligaspielen noch nicht gewonnen (zwei Niederlagen, ein Remis).