Hamburg. Nach der Pleite gegen St. Pauli steht für den HSV-Trainer bei der Auswärtsaufgabe in Aue vor allem das Wir-Gefühl auf dem Spiel.
Nach 29 Minuten und 34 Sekunden schloss Pressesprecher Till Müller die Redezeit. „Das war wohl die längste Pressekonferenz der Saison“, sagte Müller auf dem Podium des Presseraums im Volksparkstadion.
Dass die PK mit Trainer Dieter Hecking, die in der Regel zehn bis 15 Minuten dauert, am Donnerstagmittag die doppelte Zeit in Anspruch nahm, lag vor allem daran, dass der HSV am vergangenen Sonnabend die doppelte Derbyniederlage kassiert hatte. Entsprechend gab es zwei Tage vor dem Spiel bei Erzgebirge Aue an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) auch doppelt so viele Fragen wie sonst.
Hecking: Nicht jubelnd durch die Kabine gelaufen
Aber auch Dieter Hecking hatte Redebedarf. Dem Trainer hatte nicht gefallen, wie die Reaktionen auf das Spiel gegen den FC St. Pauli ausgefallen waren.
"Manche haben gemeint, wir wären jubelnd durch die Kabine gelaufen“, sagte Hecking und meinte damit vor allem den viel diskutierten Satz von Kapitän Aaron Hunt ("Es ist nichts passiert, außer dass wir das Derby verloren haben“).
Hecking wollte etwas klarstellen: "Die Mannschaft war sehr niedergeschlagen. Und nicht nur einen Tag. Das hat schon länger gedauert.“
HSV-Verantwortliche wurden deutlich
Wie lange die Aufarbeitung des verlorenen Stadtderbys tatsächlich dauert, ist vor dem Spiel in Aue die große Frage. Nachdem der HSV zuvor mit zehn Punkten aus vier Spielen aus der Winterpause gestartet war, ist das 0:2 gegen St. Pauli im Volkspark ungeplant heftig auf die Stimmung geschlagen. Intern wurden deutliche Worte ausgetauscht.
"Auch wir sind ein bisschen hektisch geworden und haben in Gedanken Tabula rasa gemacht“, gab Hecking nun fünf Tage später zu. „Am Ende musst du in die Normalität zurückkommen.“
Hecking achtet verstärkt auf das Wir-Gefühl
Beim Training am Donnerstagnachmittag suchte Hecking viele Gespräche mit seinen Spielern. Übungen mit Spaßfaktor standen im Mittelpunkt. Es wurde gelacht. Das Ziel: Rein in die Köpfe, damit das Derby rauskommt aus den Köpfen.
"Das müssen wir bis Sonnabend schaffen. Irgendwann musst du den Turnaround erreichen.“, so Hecking. Für den Trainer stellt sich in Aue vor allem die Frage, ob sich die Mannschaft als Einheit präsentiert.
"Das Wir-Gefühl wird sich zeigen, wenn es mal nicht so rundläuft. Ich bin gespannt darauf, wie stark dieses Wir-Gefühl jetzt sein wird.“ Damit sei nicht nur die Mannschaft gemeint, sondern der gesamte Club. „Die ganze Arbeit ist darauf ausgerichtet, dass wir es nur gemeinsam schaffen werden.“
HSV-Praktikant Esume kennt Boldt schon
Seit Mittwoch hat Hecking mit dem ehemaligen Footballprofi und -trainer Patrick Esume für zehn Tage einen Hospitanten an seiner Seite. Auch am Donnerstag begleitete der 46 Jahre alte Hamburger die Fußballprofis beim Training, tauschte sich mit Hecking aus, aber auch mit Spielern wie Bobby Wood.
Bereits in der Winterpause hatte das Trainerteam überlegt, im Laufe der Rückrunde neue Reize zu setzen und Impulse von außen in die Mannschaft zu holen. Sportvorstand Jonas Boldt hatte den Kontakt zu Esume hergestellt. Schon bei Bayer Leverkusen war „Coach“ Esume, wie dieser sich selbst nennt, ab und an dabei. „Jonas und ich sind sehr offen. Was am Ende daraus entsteht, ist komplett offen“, sagte Hecking.
Patrick Esumes erste HSV-Training:
HSV trainiert unter prominentem Gastcoach
Coach Esume soll den HSV anregen
Noch am Mittwoch nach dem Training tauschten sich die beiden Trainer, die sich zuvor nur sporadisch kannten, zwei Stunden lang aus. Als möglicher Mentaltrainer ist Esume nicht vorgesehen. Vor der U-21-Europameisterschaft 2019 hielt Esume vor den deutschen Junioren mal eine Motivationsrede.
So weit soll es beim HSV nicht gehen. Esume soll Beobachter sein, Einblicke erhalten und seine Erfahrungen aus dem American Football einbringen. Hecking erhofft sich Anregungen: "Welche Trainingsansätze haben Footballer? Wie gehen die Amerikaner mit Sieg und Niederlage um?“
"Hektik verbreiten schon sehr viele beim HSV"
Ob Esume dabei helfen kann, die Derbyniederlage schnell zu beseitigen, wird sich zeigen. Hecking hält in jedem Fall nichts davon, die gewohnten Abläufe zu verändern.
"Ich werde jetzt nicht alles über den Haufen werfen, was in den vergangenen acht Monaten gut gelaufen ist“, sagte er zum Abschluss der PK in den Minuten 28 und 29.
"Hektik verbreiten schon sehr viele beim HSV.“ Der Trainer kämpft darum, die Ruhe zu bewahren. Er weiß aber auch, was dafür das beste Rezept ist: ein Sieg in Aue.