Hamburg. Beim 2:0-Sieg gegen den KSC demonstriert Hinterseer, dass der HSV trotz Feins Ausfall so breit aufgestellt ist wie lange nicht.

Gideon Jung gönnte sich am Sonntagvormittag ein spätes Frühstück. Im Café „Mit Herz und Zucker“ im Grindelhof gab es für den HSV-Profi und seine Freundin Alina geröstetes Landbrot mit Avocado und Granatäpfeln, Bananenbrot, frischen Orangensaft und Cappuccino. Eigentlich hätte Jung zu dieser Zeit mit den Reservisten und Einwechselspielern im Volkspark das Spielersatztraining bestritten, doch Trainer Dieter Hecking hatte seiner Mannschaft nach dem 2:0 (0:0)-Sieg gegen den Karlsruher SC vor 49.581 Zuschauern zwei freie Tage spendiert. „Man muss auch genießen können. Das Leben ist so schnell vorbei“, sagte Hecking und grinste. „Ich kann so einen Sieg genießen.“

Dass der Cheftrainer seinen Sonntag trotz des 6:0-Erfolgs von Tabellenführer Arminia Bielefeld gegen Regensburg mit einem guten Gefühl auf der Couch verbringen konnte, hatte auch mit Gideon Jung zu tun. Mit Aaron Hunt und David Kinsombi. Oder mit Joel Pohjanpalo, der im Gegensatz zu Jung, Hunt und Kinsombi nicht mal eingewechselt wurde. Trotz des Ausfalls von Adrian Fein, der einen Jochbeinbruch erlitt und vorerst ausfällt, wurde am Wochenende deutlich, dass der HSV-Kader so breit aufgestellt ist wie lange nicht. „Das ist unsere Qualität. Alle Jungs machen Druck“, sagte Lukas Hinterseer, der den HSV mit einem Doppelpack (67./82.) zum dritten Sieg in Folge schoss.

Hinterseer Mann des Tages

Dabei wäre es keine Überraschung gewesen, wenn der Österreicher fünf Tage nach dem 3:1-Erfolg in Bochum gar nicht gespielt hätte. Schließlich hatte Neuzugang Pohjanpalo in Bochum mit einem Blitztor und vielen Offensivszenen mächtig Eigenwerbung betrieben, während Hinterseer unauffällig blieb. Was also passierte gegen Karlsruhe? Pohjanpalo blieb auf der Bank, Hinterseer wurde als Mann des Tages gefeiert.

Der Matchwinner stand eine halbe Stunde nach dem Spiel ganz entspannt in den Katakomben des Volksparkstadions und plauderte mit Alfred Schweinsteiger, dem Vater von Co-Trainer Tobias und Weltmeister Bastian. „Wir haben uns über Schnee unterhalten“, witzelte Hinterseer nach dem bayerisch-österreichischen Smalltalk. Nur eines wollte der 28-Jährige nicht: Das Sturmduell mit Pohjanpalo anheizen. „Ich habe halt da gestanden. Es wäre auch okay gewesen, wenn ein anderer da gestanden hätte“, sagte Hinterseer zu seinem Kopfballtreffer vor dem 1:0, als Karlsruhes Pechvogel Marc Lorenz ihm den Ball mit einem Querschläger maßgenau servierte.

Jatta setzte Hinterseer perfekt in Szene

Vor dem 2:0 war es dann Bakery Jatta, der Hinterseer perfekt in Szene setzte. Der Torschütze wollte anschließend aber weniger über seine Saisontore acht und neun sprechen, sondern über die Stimmung im Team. „Ich hätte mich genauso gefreut, wenn ein anderer getroffen hätte. Auch Joel hätte es verdient gehabt, zu spielen“, sagte Hinterseer und dürfte damit vor allem seinen Trainer erfreut haben. Denn der macht den Leistungsschub seit der Winterpause nicht an einzelnen Spielern fest, sondern an der Arbeit im Kollektiv. Erstmals seit vier Monaten blieb der HSV ohne Gegentor. „Wir agieren geschlossen gegen den Ball. Das ist die Basis. Das darf nicht weniger werden“, sagte Hecking und nannte als Beispiel eine Szene aus Halbzeit eins. „Da sind alle zehn Mann im Vollsprint zurückgelaufen.“ Diese Szene will er am Dienstag vor dem Training auch seiner Mannschaft in der Videoanalyse zeigen.

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Nachdem Hecking nun dreimal in Folge mit derselben Startelf erfolgreich war, wird er am Sonnabend im bereits ausverkauften Nordderby bei Hannover 96 möglicherweise nicht nur den verletzten Fein durch Jung ersetzen. Auch andere Spieler dürfen auf einen Einsatz von Beginn an spekulieren. „Es kann Veränderungen geben“, sagte Hecking und machte insbesondere Martin Harnik Hoffnung auf Spielzeit gegen seinen Ex-Verein: „Martin scharrt mit den Hufen.“

HSV-Kader reicht für zwei Mannschaften

Doch nicht nur Harnik. Mit seinem Kader könnte Hecking aktuell zwei Mannschaften aufstellen, die beide zu den ligastärksten zählen würden. Dass der Kader besser austariert ist als vor einem Jahr, zeigen zwei Bilanzen: Zum einen hat der HSV schon jetzt so viele Heimsiege wie in der vergangenen Spielzeit (acht). Zum anderen hat das Team nach 21 Partien so viele Tore geschossen (45) wie in 34 Spielen der Vorsaison.

Was weniger Hecking, sondern mehr die Fans freuen dürfte: In der ewigen Zweitligatabelle kann der HSV (96 Punkte/Platz 98) mit einem Sieg in Hannover an Erzrivale Werder Bremen (98 Punkte/Platz 95) vorbeiziehen. Als HSV-Fan muss man sich in diesen Zeiten eben auch an den kleinen Dingen erfreuen.