Hamburg. Der HSV-Trainer über seine Zukunftspläne, die Wut nach der Lübeck-Blamage, seine fünf Kinder und eine Hamburger Wischiwaschi-Gefahr.
Ein Podcast-Neuling ist Dieter Hecking nicht. Ein paar Monate sei es bereits her, dass der HSV-Trainer erstmals zu Gast in einem Podcast war, sagte Hecking, als er am Montagabend in der Abendblatt-Redaktion um kurz nach 18 Uhr ankam.
Als Konsument würde er allerdings eher Hörbücher auf den langen Autofahrten in die Heimat Bad Nenndorf bevorzugen. Sein aktuelles Mammutprojekt: das Hörbuch von Michelle Obama. Knapp 19 Stunden Hörvergnügen.
Ganz so lange ließ sich Hecking am Montag nicht Zeit, allerdings wurden es am Ende doch sehr unterhaltsame 75 Minuten im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“. Drei Tage vor dem Rückenrundenstart gegen den 1. FC Nürnberg sprach der Coach über ...
… seine Aufregung vor dem Start:
„Doch, auch ich bin aufgeregt. Das muss auch so sein. Wenn es dann wieder um Punkte geht, dann ist auch bei mir das Kribbeln wieder da.“
… den 4:0-Sieg im Hinspiel:
„An dem Abend ist sehr, sehr viel aufgegangen, was wir uns vorgenommen hatten. Dieser Sieg hat uns ein Stück weit durch die Vorrunde getragen. Das hat schon Selbstvertrauen gegeben, gegen einen Mitfavoriten um den Aufstieg, der vor der Saison genau so hoch eingeschätzt wurde wie wir, auswärts 4:0 zu gewinnen.“
… sein Gespräch mit Tim Leibold, der sich danach für einen Wechsel aus Nürnberg zum HSV entscheiden sollte:
„Ich hatte schon vorher irgendwie mitbekommen, dass Tim eigentlich den 1. FC Nürnberg verlassen wollte zum Ende der vergangenen Saison. Ich hatte im Kopf, dass der VfB Stuttgart schon sehr weit mit ihm war. Dann ist aber der VfB abgestiegen und der Transfer ist nicht mehr zustande gekommen. Das waren die Informationen, die ich hatte. Dann habe ich Kontakt zum Berater aufgenommen. Ich kenne seinen Berater seit Jahrzehnten. Der hat mir dann gesagt: ,Ruf den Tim doch selbst mal an.‘ Dann habe ich zum Hörer gegriffen und habe ihn tatsächlich angerufen.“
… den Protest des 1. FC Nürnberg, der aufgrund der „Sportbild“-Berichterstattung über Identitätszweifel von Bakery Jatta, Einspruch eingelegt hat:
„Ich fand das unpassend vom Club. Mit dem Wissen von heute hätte das Nürnbergs Sportchef Robert Palikuca wohl nicht noch mal gemacht.“
… Palikucas Entschuldigung, der sagte, dass es ein Fehler gewesen sei:
„Ich denke schon, dass er das sehr bewusst vor dem Spiel so gemacht hat. Wenn Robert Palikuca das öffentlich jetzt so sagt, dann sollte man ihm das auch abnehmen.“
… eine Anekdote aus seiner Zeit als Club-Trainer, als er die abstiegsbedrohte Mannschaft aus dem Weihnachtsurlaub noch vor Silvester zurückholte:
„Unser Spieler Albert Bunjaku hatte einen großen Trip auf den Malediven geplant. Als ich unseren damaligen Sportchef Martin Bader dann sagte, dass wir die Jungs direkt nach Weihnachten zurück auf den Platz holen müssen, weil die Vorbereitungszeit zu kurz sei, habe ich mich direkt im Team beliebt gemacht. Insbesondere beim Albert Bunjaku, der am 26. Dezember auf die Malediven geflogen ist, am 27. angekommen ist und am 28. zurückmusste. Am zweiten Spieltag in Hannover hat er direkt einen Hattrick geschossen. Also war dann auch für ihn die Maßnahme die richtige.“
… seinen Ärger nach der verpatzten Nürnberg-Generalprobe gegen Lübeck, wo der HSV 2:5 verloren hat:
„Auf einer Skala von eins bis zehn war mein Wut-Pegel eine Elf. So einen Ärger mache ich aber mit mir selber aus. Ich kann ja nicht nur die Spieler infrage stellen, sondern muss auch mich selbst in die Pflicht nehmen. Ich muss gestehen, dass ich schon im Vorfeld der Partie nicht ganz glücklich war, dass das Spiel überhaupt stattgefunden hat. Der Platz war in einem sehr schlechten Zustand. Und ich weiß ja dann, was in den Köpfen der Spieler los ist. Da will sich keiner eine Woche vor dem Start verletzen.“
… Straftraining-Typen:
„Fragen Sie mal den Kollegen Erik Meijer. Der durfte eine ,Leck-mich-in-die-Täsch-Einheit‘ vom Allerfeinsten genießen. Da war ich nach einem 0:2 am Freitagabend in Dresden so wütend, dass es die Mannschaft einfach mal spüren musste. Es gab dann eine Runde im Wald, so 900 Meter. Dem Dirk Bremser habe ich dann gesagt: ,Leg mal zehn Äste hin. Und bei jeder Runde nehmen wir einen weg.’ Die Zeitvorgaben waren dann schon ganz schön happig. Die Jungs mussten ordentlich Gas geben. Nach den zehn Runden dachten dann alle, dass sie durch seien. Sie durften dann aber noch mal zehn Runden laufen. Da haben sie dann wirklich gemerkt, was heißt, zu arbeiten. Die Einheit im Wald war wirklich sehr, sehr lang. Das musste einfach mal sein. Ich kannte den Wald gut, da gab es dann auch kein Verpissen.“
… über die Möglichkeit, im vergangenen Jahr als Sportchef zu Hannover zu wechseln:
„Es ist richtig, dass ich zu Martin Kind mal mehr, mal weniger Kontakt habe. Wir haben uns dann letztes Jahr im Februar mal getroffen und auch darüber gesprochen, was ich mir mal vorstellen kann, wenn meine Trainerkarriere vorbei ist. Da gab es dann ein Gespräch, in dem wir einfach mal philosophiert haben. Es war aber nur ein Philosophieren. Aber generell kann ich mir schon vorstellen, später mal so etwas zu machen. Das kann sicherlich auch in Hannover sein.“
… die Talente seiner Kinder:
„Von meiner ältesten Tochter, von Maria, hätte ich gerne ihr Gesangstalent. Sie ist Musicaldarstellerin. Ich war eher ein Brummer. Meine zweite Tochter, Theresa, ist die Ordentliche bei uns. Außerdem hat sie erfolgreich Physik studiert, und jeder bei uns in der Familie fragt sich, von wem sie das haben könnte. Von meinem Sohn Jonas kann man sich den Ehrgeiz abgucken. Er will unbedingt im Fußball etwas machen und scheint jetzt seinen Weg gefunden zu haben. Der wird mal sehr erfolgreich, obwohl es sehr, sehr schwer ist mit dem Namen Hecking. Er ist jetzt gerade als Scout bei Arminia Bielefeld unterwegs.
Jonas’ Zwillingsbruder Aaron ist sehr reisefreudig. Er hat definitiv am meisten von der Welt von uns gesehen. Nach dem Abi war er ein Jahr in Neuseeland. Er ist leichtlebiger als die anderen. Auch seine Freundin reist gerne. Kurz vor Weihnachten waren die beiden noch in Brasilien und Uruguay. Ich war nie so, bin am liebsten zu Hause auf der Couch. Und meine jüngste Tochter Charlotte liebt das Reiten. Gerade erst vor Kurzem habe ich noch ein Foto gefunden, wo sie als Fünfjährige auf einem Holzpferd sitzt und mich anstrahlt.“
… die Schwierigkeit, an der Erziehung der Kinder als Trainer teilzunehmen:
„Es ist jetzt einfach, wo die Kinder schon etwas älter sind. Als die Kinder noch klein waren, war es gar nicht so einfach, eine Bindung aufzubauen.“
… die Wahl in Hamburg und die Möglichkeit einer autofreien Innenstadt:
„In Folge der weltweiten Diskussion über Umweltschutz muss man sich einfach Gedanken machen, wie man der Umwelt etwas Gutes tun kann. Man muss da aber die Fachleute fragen. Man muss es den Menschen einfach gut und verständnisvoll erklären. Kein Wischiwaschi oder Fachchinesisch. Die Leute müssen mitgenommen werden.“
Hier geht es zu den Folgen des Abendblatt-Podcasts "HSV – wir müssen reden".